Endlich haben die Museen wieder geöffnet. Im Juni erwarten uns bewegende Fotografien von Tobias Zielony, Tiere in der Kunst und eine Handtasche von Dior
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02.06.2021
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 185
Die Verbindung von Dior mit der Kunst existiert schon seit den Anfängen der Marke – ja, Christian Dior gründete in den Zwanzigerjahren in Paris selbst eine Galerie für moderne Kunst, bevor er Modeschöpfer wurde. „Lady Dior As Seen By“ heißt die Wanderausstellung, die Neuinterpretationen der ikonischen Tasche von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern präsentiert. Nach Stationen in Schanghai, Mailand, Tokio, São Paulo und in der Langen Foundation in Neuss bei Düsseldorf ist sie nun, an-gewachsen auf rund siebzig Exponate, in Berlin zu sehen: Taschen, Fotografie und Skulpturen. Darunter sind neben „Lady Dior As Seen By Wen Fang“ auch Werke von Katharina Sieverding, David Lynch – und die allerneuesten Berliner Kreationen von Debora Mittelstaedt, Tomislav Topic und Michael Sailstorfer.
Malerei auf Keramik wird heute leider nur noch selten praktiziert. Als große Könnerinnen ihres Fachs dürfen Grita Götze und Sonngard Marcks gelten, die in den Achtzigerjahren in Halle bei Heidi Manthey studierten, sowie natürlich ihre Lehrerin selbst. Die Schau zeigt mit rund 80 Exponaten die Stärken der keramischen Malereien in der Verbindung von Form und Farbe: In Götzes Teller „Wiesenstück mit Admiral“ (2018/2019) scheint das Rund fast unter wucherndem Grün zu verschwinden, während Marcks „Zitrone mit Wildbiene“ (2019) barocke Schaugerichte zitiert, aber gleichzeitig ganz gegenwärtig wirkt.
Auf den ersten Blick scheinen sich Tobias Zielonys Fotografien von jungen Leuten, die ziellos und etwas ungelenk in der Welt herumstehen, kaum zu unterscheiden. Taucht man jedoch in diese erste große Überblicksschau des 48-jährigen Künstlers tiefer ein, nimmt man in den Serien die verschiedenen Schicksalsgemeinschaften wahr – etwa afrikanische Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, queere Technofans in Kiew oder Jugendliche, die in einem Drogen-Hotspot der USA aufwachsen („Ball 13“ aus der Serie „Trona“ von 2008).
Kann man Propagandagemälde von nordkoreanischen Diktatoren, die mit Strahlegrinsen Raketen abschießen, im Westen ohne Ironie betrachten? Das Kunstmuseum Bern versucht sich in sprichwörtlicher Schweizer Neutralität, indem es die Kunst aus den beiden Hälften des seit 1948 geteilten Koreas nebeneinanderhängt und zum vergleichenden Sehen einlädt. Die Staatsmaler des sozialistischen Nordkoreas können mit handwerklicher Perfektion punkten. Die Inhalte freilich bleiben kurioser Kitsch. Eher unserem heutigen Kunstverständnis entsprechen die Werke aus Südkorea, so wie Yee Sookyungs Skulptur „Translated Vases – The Moon“ (2007), die auch an die Fragilität des Erdballs zu erinnern scheint.
Was ist Natur, was ist Technik? Beim Blick auf die Werke von Pamela Rosenkranz geht die Trennschärfe schnell verloren. Im obersten Geschoss des Kunsthauses Bregenz liegt eine Schlange auf dem Boden, die auf die Besucher reagiert, ihren Kopf hebt oder sich in Windungen fortbewegt. Es handelt sich nicht um ein echtes Geschöpf, sondern um eine täuschend ähnliche, von der Künstlerin eigens programmierte Roboterschlange. Dennoch triggert ihr Verhalten die im menschlichen Naturell verankerten Gefühle von Faszination und Furcht, die die Begegnung mit Schlangen gemeinhin auslöst. Auch die anderen Werke von Rosenkranz appellieren an unsere Instinkte, wie etwa die Serie von Lichtskulpturen in Form von gotischen Fenstern, deren sattes, schimmerndes Blau normalerweise Wohlbefinden auslöst. In der bewussten Gefühlsmanipulation, das zeigt diese Schau, reift die Erkenntnis.
Möglicherweise werden wir nach dem Ende der Pandemie bemerken, dass wir in dieser Zeit der Isolation und der ausgiebigen Spaziergänge unsere Liebe zur Natur wiedergefunden haben. Die moderne und zeitgenössische Kunst allerdings setzte immer schon auf die geballte Schönheit vor allem des Tierreichs: Franz Marc bändigte seine expressionistischen Farbexplosionen mit der formalen Anmut junger Fohlen. Martin Eder reizte die Niedlichkeit von Katzenbabys bis über die Kitschgrenze hinaus aus. Und Robert Longo nutzte die Arroganz im Blick eines Weißkopfseeadlers („Untitled [Portrait of Hubris“], 2018) zur symbolhaften Kritik am amerikanischen Patriotismus.