Hellas in München

Akropolis an der Isar

Eine Ausstellung in den Antikensammlungen und der Glyptothek in München feiert 200 Jahre bayerisch-griechische Freundschaft

Von Gloria Ehret
19.07.2021

Zu Recht feiert sich München in diesem Jahr auch als „Isar-Athen“. Wer durch München flaniert, die vielen Klenze-Bauten im Auge, wird sich, so er die griechische Hauptstadt kennt, vielerorts in Athen wähnen, wo dieselben bedeutendsten Münchner Architekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner in den 1830er Jahren städteprägend gewirkt haben. Nun begehen beide Städte unter dem Motto „Hellas 2021“ gemeinsam das 200-jährige Jubiläum des Befreiungskampfes Griechenlands von der osmanischen Herrschaft, die das Land 350 Jahre geknebelt hatte.

In München steht der Königsplatz mit den Propyläen und der 1830 eröffneten Glyptothek sowie den Antikensammlungen im Fokus. Schon als Prinzregent hat der spätere König Ludwig I. von Bayern seine Liebe zur antiken Kunst Griechenlands und Roms in spektakulären Ankäufen und Bauten bewiesen. Nun wird in beiden Museen des dynastischen Bezugs der Wittelsbacher zum griechischen Freiheitskrieg gegen die Fremdherrschaft (1821-1829) und des ersten griechischen Königs gedacht. Denn der zweite Sohn von König Ludwig I. bestieg 1832 als Otto I. den griechischen Thron. Unter ihm begann der Aufbau eines neuen griechischen Staatswesens. Die kleine, über beide Häuser verteilte Sonderschau ist eine Kooperation mit der Stiftung Palladion in Zusammenarbeit mit dem Griechischen Generalkonsulat in München und dem Otto-König-von-Griechenland Museum in Ottobrunn.  Wir stehen vor den Gipsbüsten des Altphilologen Friedrich Wilhelm von Thiersch, der den jungen Ludwig in seinem Philhellenismus unterstützt und beeinflusst hat, und Leo von Klenze, dessen Bauten München und Athen ihren Stempel aufgedrückt haben.

Hellas München Büste Ludwig
König Ludwig I. von Bayern, hier als Marmorbüste (1821) von Bertel Thorvaldsen porträtiert, hat schon als Prinzregent seine Liebe zur antiken Kunst durch Ankäufe bewiesen. © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek / Foto: Renate Kühling

 Zu den persönlichen Exponaten des jungen Griechenkönigs gehört die orientalisch-griechisch anmutende Hauskappe aus den 1830ern in roter Seide. Doch allein die 40 Ölskizzen des Peter von Hess aus den frühen 1840er Jahren, die nun vorübergehend in der Glyptothek zu betrachten sind, lohnen den Besuch. Der bedeutende Schlachtenmaler war 1832/33 mit König Otto in Griechenland. Golden gerahmt und betitelt, schildern sie „Griechenlands Befreiung auf Befehl S.M. Ludwigs I. von Bayern“. Wir erleben wichtige Ereignisse wie „Rigas begeistert die Griechen für die Freiheit“, „Bonolina blokirt Nauplia“, „Die Mainothen schlagen Ibrahim Pascha“, oder die „Landung des Königs in Nauplia“ und „Die Griecken huldigen dem König Otto“. Die in fünf Tableaus zusammengefassten bildwürdigen Vorstufen sind umso bedeutender, weil die monumentalen Wandfresken der Münchner Hofgartenarkaden, die im Sinne der Volksaufklärung an die Münchner Bürger adressiert waren, im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört worden sind.

Hellas München Königin Amalie
Josef Stielers Bildnis der Amalie Königin von Griechenland von 1836/37. © Wittelsbacher Ausgleichsfonds München

Wir kennen den idealistischen Wittelsbacher auf dem griechischen Thron vor allem von Joseph Stielers Bildnis aus dem Jahr 1832, hinter ihm schemenhaft die Akropolis. Sein unrühmliches Ende 1862, als er in Folge einer Militärrevolte aus dem Lande gescheucht wurde, wird nicht thematisiert.

Die engen architektonischen Wechselbeziehungen zwischen München und Athen sind bis heute sichtbar. Denn mit Otto kamen viele bayerische Ingenieure und Architekten nach Athen, das 1834 Nauplia als Hauptstadt ablöste. Parallel legte Ludwig in München die Weichen für sein „Isar-Athen“. Bis heute tagt das griechische Parlament in Ottos Athener Schloss. Und die Münchner Propyläen lassen die Akropolis erahnen.

Im Südosten der bayerischen Landeshauptstadt wählte eine Gemeinde 1955 gar den Namen des Wittelsbacher Königs für den eigenen Ortsnamen „Ottobrunn“. Denn dort steht die 1834 aus Sandstein errichtete „Ottosäule“ im dorischen Stil. Am Sockel liegt der Bayerische Löwe; die Büste des jungen Otto bekrönt sie. Sie markiert den Platz, an dem im Dezember 1832 der 17-Jährige mit einem 3500 Mann starken Gefolge Abschied vom königlichen Vater in Richtung Griechenland genommen hat, bevor er in Brindisi eine Fregatte nach Nauplia bestieg. Längst sind Ottobrunn und Nauplia als Partnerstädte verbunden.

Hellas München Glyptothek
Die durch König Ludwig I. erbaute Glyptothek in München entstand nach dem Entwurf Leo von Klenzes und eröffnete 1830. © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek / Foto: Renate Kühling

Umfassend wird man im Otto-König-von-Griechenland Museum informiert, das 1989 eröffnet, dem unermüdlichen Engagement seines Spiritus Rector, des Medizinprofessors Jan Murken, zu verdanken ist. Auf zwei Stockwerken im Ottobrunner Rathaus untergebracht, erweitert es ständig seine Schätze. Kunsthistorisch wertvolle und kuriose Exponate erinnern an die bayerisch-griechische Zeit. Otto selbst begegnet uns vielfach. So in einer 1833 gemalten Zweitfassung des berühmten Stieler-Porträts von dessen Neffen Friedrich Dürck. Viele Exponate sind mit abenteuerlichen Erwerbungen verbunden. So auch die Gipsbüste von Ottos Gattin Amalie: 1992 sah ein kunstsinniger Spaziergänger in Graz, wie ein Hausmeister eine weibliche Marmorbüste im Schubkarren zum Müll fuhr. Gern verkaufte dieser den „Gipskopf“ an den Flaneur. Recherchen ergaben, dass beide Büsten des Königspaares von Heinrich Max Imhof bei der Schwester Amalies in Graz gelandet waren. Die weibliche wurde später über den Kunsthandel an die Landessparkasse zu Oldenburg verkauft, denn Amalies Großvater war ein Oldenburger Herzog. Unabhängig davon konnte Professor Murken Ottos Marmorbüste für das Museum erwerben. Bei einem vorübergehenden Aufenthalt der Amalie-Büste in der Glyptothek gestattete Direktor Florian Knauß seinem Museums-Bildhauer Alfons Neubauer, eine Gipskopie für das Ottobrunner Museum anzufertigen. So steht der Besucher dort vor den Büsten des griechischen Herrscherpaars: Otto in Marmor, seine Gattin in Gips – beide wieder glücklich vereint.

Diese und andere Geschichten schildert der Schriftführer des Freundeskreises Herbert Speckner kenntnisreich in seinem unterhaltsamen Bändchen „Mein König-Otto-Museum“. Neben zahlreichen, meist im Original gezeigten Dokumenten, Orden oder Ottos Petschaft sind bedeutende Gemälde ausgestellt. Etwa die dramatische Szene „Sieg oder Tod“ von Christian Perlberg. Von ihm stammt auch „Ein griechischer Adeliger mit seiner Familie“ in idyllischer Landschaft. Auf einem Zeitungsblatt ist „Soter“ (Retter) zu entziffern, was sich natürlich auf den bayerisch-griechischen König Otto bezieht. Von August Löffler ist die Akropolis und das Schloss in einer idyllischen Ansicht von der Gartenseite mit Palmen zu sehen. Und das Museum besitzt den originalen Plan des Athener Schlossgartens von der Hand des französischen Gartenarchitekten Francois Louis Bareaud. Wie Ansichten-Teller mit dem Max-Joseph-Platz in München oder der Ottokapelle in Kiefersfelden aus der Nymphenburger Porzellanmanufaktur geschickt für die internationale Diplomatie eingesetzt wurden, geht aus dem Türkischen Halbmond neben dem Bayerischen Wappen auf der Tellerfahne hervor. Drei Tassen aus der nur kurz existierenden Steingutfabrik in Schäftlarn sind mit den Profilen der Könige Max I. Joseph, Ludwig I. und Otto I. verziert. Auch begegnet uns ein Setter als Sturzbecher vom Münchner Hofsilbermeister samt Lederetui und sechs „Zielbechern“. Das Silbergeschirr hat Otto im Bamberger Exil 1866 als Erinnerung an eine Jagd in München vom englischen Botschafter geschenkt bekommen. Ottos Lebensende 1867 im Bamberger Exil markiert das originale Wappenschild von Ottos Aufbahrung in griechischer Tracht in der dortigen Residenz.

Also: auf nach München und Umgebung und in den so unterschiedlichen Museen die Zeugnisse der bayerisch-griechischen Vergangenheit (wieder)entdecken!

Service

Ausstellung

„Hellas in München“

Antikensammlungen und Glyptothek, München

bis 19. September

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