Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Fuggerei gibt es gleich zwei Ausstellungen in Augsburg, die die goldene Epoche der Stadt facettenreich beleuchten
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21.09.2021
Die Fuggerei in Augsburg ist die weltweit älteste soziale Wohnsiedlung. Jakob Fugger der Reiche hat sie am 23. August 1521 für unschuldig in Not geratene bedürftige Augsburger zusammen mit der eigenen Grablege in St. Anna sowie einer Predigerstelle für St. Moritz gestiftet. Stiftungen waren meist vom Glauben geprägt. Erst seit dem 19. Jahrhundert dienen sie häufig der Förderung von Kunst und Kultur oder der Stadtverschönerung.
Zwei Sonderausstellungen begleiten das 500-jährige Jubiläum. Das Maximilianmuseum spürt mit „Stiften gehen. Wie man aus Not eine Tugend macht“ den Lebensrealitäten der damaligen Augsburger Stadt- und Ständegesellschaft nach. Luxuriös in Goldprokatstoffe mit Pelzbesatz gekleidet ist Jakob Fugger auf dem Hochzeitsbild von Hans Burgkmair 1498 mit Sibylle Artzt zu sehen. Größer könnte der Kontrast zu den beiden einzig bekannten Porträts von Mittellosen nicht sein. Matthäus Schwarz, Hauptbuchhalter der Fugger, hat sie in seinem Gebetbuch verewigt. Zwei Drittel der Stadtbevölkerung lebten damals in prekären Verhältnissen. Doch Künstler verklärten die Realität in dekorativer Absicht. So Bartholomäus Bruyn d. Ä. die Bauern in „Die drei Stände der Christenheit“, oder Frans Francken in seriellen Werkstatt-Bildern wie „Die Werke der Barmherzigkeit als „Lob der „Guten Tat“. Die Schau rückt Stifter und Bedürftige, Opfer der zunehmenden Verstädterung mit steigenden Lebenshaltungskosten, in den Blickpunkt.
Drastisch schildert Nikolaus Manuel Deutsch auf seiner großen aquarellierten Federzeichnung die „Allegorie auf den Krieger, der zum Bettler wird“. Die Verelendung teilt den Söldner entzwei: Die rechte Körperhälfte ist elegant nach der neuesten Mode gekleidet, seine linke als zerlumpter Bettler mit wildem Bart, strähnigem Haar, Syphiliswunden an den Beinen und Bettelstab dargestellt. Den schnellen sozialen Abstieg im Söldnerwesen kannte Deutsch, der sich wiederholt als Schweizer „Reisläufer“ verdingte, aus nächster Nähe. Nach dem Augsburger Armenunterstützungswesen, das 1522 von kirchlichen Einrichtungen auf die Stadt übergegangen ist, mussten „Würdige Bedürftige“ schuldlos in Armut geratenen sein. Almosenempfänger mussten Erkennungszeichen tragen und hatten Wirtshausverbot. Nicht almosenfähig waren rüstige Bettler, Faule oder Verschwender …
1521 fällt in die sogenannte Fuggerzeit oder Goldene Zeit Augsburgs. Davon zeugen in der Schau erstrangige Kunstwerke von Jörg Breu, Gregor Erhart, Hans Daucher oder Sebastian Loscher.
Das Diözesanmuseum St. Afra nimmt „1521“ zum Anlass, einen erweiterten Blick auf die sich globalisierende Welt und ihre Verflechtungen mit Augsburg zu werfen. Die Stadt bildete ein weltweit agierendes Handelszentrum. Hatten die Fugger das fast ausschließliche Schürfmonopol auf das begehrte Kupfer asiatischer Minen, so galten die Unternehmungen der Welser dem Gewürzhandel. Augsburg war diplomatische Bühne und seit Luthers Gespräch 1518 mit Thomas Cajetan ein Mittelpunkt im Reformationsprozess. 70 Exponate verlebendigen vier weltbewegende Ereignisse samt Vorspiel, wie die erste große, von den Welsern finanzierte Seereise, und Folgen. Die prägenden Köpfe Ferdinand Magellan, Bartholomäus Welser, Jakob Fugger und Martin Luther betrachten wir von Angesicht zu Angesicht. Zwar kamen die begehrten exotischen Gewürze seit der Antike auf dem Landweg als Heil- und Nahrungsmittel nach Europa, doch Ende des 15. Jahrhunderts auf Handelsrouten zur See.
Als Entdecker unbekannter Kontinente und Kulturen steht der portugiesische Weltumsegler Fernao de Magalhaes im Focus. Magellans verlustreiche Seereise, von deren fünf Schiffen einzig die „Victoria“ 1522 heimkehrte, kann der Ausstellungsbesucher an einem Multi-Touch-Tisch verfolgen.
1521 eroberten die Spanier unter Hernán Cortéz das Aztekenreich. Die Ureinwohner und ihre den Europäern fremdartigen Bräuche sind in Reiseberichten mit den Augen deutscher Illustratoren verewigt. Christoph Weiditz schildert in seinem „Trachtenbuch“ zwei Menschen, die „Köstliche Edle Stain im Antlitz“ haben, ebenso wie eine Kinderopferung oder das berühmte Ballspiel. Stolz hat er sich selbst und Cortéz als Ganzfiguren porträtiert. Buntes Gefieder diente der indigenen Bevölkerung zu Kunsthandwerk und rituellen Handlungen. Exotische Vögel in bunt schillernden Federkleidern oder ein Totenkopfäffchen waren begehrte Mitbringsel für Kunst und Wunderkammern. Ihre Präparate entführen in fremde Welten. „Federkünstler“ gestalteten auch Madonnenbilder oder Bischofsmützen.
Ein kostbar verziertes, Silber vergoldetes Augsburger Gewürzschälchen veranschaulicht ihren Gebrauch an der kostbar bestückten hiesigen Tafel, eine hölzerne Gewürzdose und ein schwerer Bronze-Mörser, beide ebenfalls aufwendig verziert, die Verwendung in der Apotheke.
Eroberungen, Kriege, Kulturaustausch bestimmen die Weltbühne. Im eigenen Land krempelt Martin Luther das Verhältnis des Menschen zur Religion und zu Gott um. Reformation und gegenreformatorische Bemühungen finden in Grafiken und Schriften Ausdruck, die, großenteils in Augsburg gedruckt wurden.
Mit der Eroberung Belgrads durch die Osmanen rückt das letzte Großereignis von 1521 ins Blickfeld. Um 1530 hat der Augsburger Grafiker Daniel Hopfer Sultan Suyleiman hoch zu Ross auf einer Eisenradierung verewigt. Neben zahlreichen Druckwerken sind es auch Waffen, die eine enge Verflechtungen zwischen den Osmanen und süddeutsch-augsburgischen Kunsthandwerkern vermuten lassen. So bei dem reich mit osmanischen Ornamenten verzierten, feuervergoldeten, Kupferhelm eines Meldeläufers (Pejks), dessen Herstellung oder Nachbehandlung in Augsburg vermutet wird.
„Stiften gehen, oder wie man aus Not eine Tugend macht“
Maximilianmuseum, Augsburg
bis 28. November 2021