Berlin Art Week 2021

Schubkraft aus Berlin

Die Berlin Art Week präsentiert in turbulenten Zeiten ein hochkarätiges Herbstprogramm – mit großen Namen wie Alicja Kwade und spannenden Neuentdeckungen

Von Christiane Meixner
08.09.2021
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 189

„Ein Experiment“ nennt Moritz van Dülmen die Berlin Art Week, wenn er sich an die Anfänge erinnert: eine Kunstwoche, die vieles sein wollte und deshalb einiges ausprobiert hat – vom Straßenfest in Mitte mit Grillwurst und Zuckerwatte bis zu diskursiven Veranstaltungen im unsanierten Haus der Statistik am Alexanderplatz. Zehn Jahre lang hat sich die Art Week so erproben können, und wenn es nach van Dülmen geht, dem Chef der für die Organisation zuständigen Agentur Kulturprojekte Berlin, darf es so weiterlaufen. Sein Wunsch ist ein etabliertes und dennoch flexibles Format für den Herbst.

Tatsächlich verändert sich die Art Week immer wieder. Die Messe Art Berlin Contemporary (abc) gibt es inzwischen nicht mehr, die Positions als zweite große Plattform für die Galerien findet aus Termingründen diesmal schon vor dem offiziellen Start statt. Dabei war die Konzentration von Kunstevents auf jene eine Woche ursprünglich auch gedacht, um den Galerieaktivitäten im Herbst mehr Gewicht zu verleihen. Berlin sei die Stadt der Kunstproduktion, heißt es seit Langem. Doch muss an einem solchen Standort auch erfolgreich mit der Kunst gehandelt werden, damit die Balance stimmt.

Berlin Art Week 2021 Alexandra Bircken
Alexandra Birckens „Eskalation Deflated Figures“ (2016) ist im Kindl - Zentrum für zeitgenössische Kunst zu sehen. © Kunstverein Hannover, Foto: Raimund Zakowski

Mindestens so wichtig aber ist in diesem Jahr, dass überhaupt eine attraktive Art Week stattfinden kann. Nach langen, von Covid-19 dominierten Monaten, in denen Galerien wie Museen über lange Phasen schließen mussten und an Messen nicht zu denken war, eröffnen nun Ausstellungen im Hamburger Bahnhof wie der „Preis der Nationalgalerie 2021“ oder Solopräsentationen von Tatjana Doll und Alexandra Bircken im Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst. Die Berlinische Galerie widmet sich dem Werk der inzwischen international etablierten Berliner Künstlerin Alicja Kwade, das Brücke-Museum präsentiert jetzt schon die „ars viva“-Preisträger 2022.

Das zweite in diesem Jahr stattfindende Gallery Weekend (16. bis 18. September) findet als assoziierte Veranstaltung statt: Die knapp 50 teilnehmenden Galerien widmen ihr langes Wochenende dem Thema „Discoveries“. Das können junge, spannende Künstlerinnen und Künstler sein, aber auch Wiederentdeckungen. So zeigt Galerist Lars Friedrich zwischen Möbeln und Skulpturen changierende Arbeiten von Nuri Koerfer, Jahrgang 1981, während Wolfgang Werner eine Gedächtnisausstellung für die realistische Malerei von Birgitt Bolsmann aus den Siebziger- und Achtzigerjahren inszeniert. Der Österreicher Tobias Pils zeigt bei Capitain Petzel seine ausschließlich in Grautönen gehaltenen Bilder, bei Efremidis sieht man, wie die New Yorker Künstlerin Megan Marrin Motive aus mittelalterlichen Folterinstrumenten und botanischen Sensationen kreiert. Damit hat sich die Galerie auch auf die Shortlist für den VBKI-Preis Berliner Galerien setzen können, der herausragende Ausstellungskonzepte prämiert. Für die Shortlist sind ebenfalls Alexander Levy und Dorothée Nilsson nominiert, eine Jury wählt während der Art Week ihren Favoriten.

Berlin Art Week Tomas Schmit
Die Zeichnung „What do you mean by asking what do you mean said the wallpaper to the paperwall and there was no reply or two“ von Tomas Schmit. Courtesy of Galerie Michael Werner, Märkisch Wilmersdorf, Köln & New York, © Tomas Schmit Archiv, Berlin

Für das aktionistische Potenzial der Kunst steht Tomas Schmit als ein Pionier der Fluxus-Bewegung. Ihm widmen sowohl der Neue Berliner Kunstverein als auch das Kupferstichkabinett eine Retrospektive, die das Werk des bereits 2006 verstorbenen Künstlers für unbedingt zeitgenössisch erklärt. Diese Kollaboration zwischen zwei sehr unterschiedlichen Institutionen zeigt, was die Berlin Art Week in ihren besten Momenten zu leisten vermag. 

Service

BERLIN ART WEEK

15. bis 19. September,

berlinartweek.de

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