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Es soll ein typischer Botero sein

Eine Ausstellung im belgischen Mons zeigt die ganze Bandbreite des Malers Fernando Botero. Auf Kunstmarkt ist allerdings vor allem sein Markenzeichen gefragt: Gemälde draller, üppiger Figuren

Von Peter Dittmar
14.12.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 20

Die Dame hoch zu Ross hat den Grand Place in Mons gut im Blick. Sie dürfte kaum beleidigt sein, wenn man sie – wie ihr Reittier – „füllig“ nennt. Dass sie trotz des vorwinterlichen Wetters nackt zu Pferde sitzt, irritiert weder sie noch ihre Betrachter. Denn sie ist aus Bronze. Und wenn sie mobil wäre, müsste sie am Ende des Platzes nach links in die Rue Neuve einbiegen, weil dort im BAM, dem Musée des Beaux-Arts, ihrem Schöpfer, Fernando Botero als Hauptereignis der Biennale der Wallonia-Brussels Federation eine das Haus füllende Ausstellung eingerichtet wurde (bis 30. Januar). Es ist die erste Personale des kolumbianischen Malers in einem belgischen Museum. Und wenn der Titel der Schau, „Au-delà des formes“, auch auf sein „Markenzeichen“ – die üppigen, drallen Figuren und Gegenstände – hinweist, beschränkt sich die Auswahl nicht darauf.

Sie beginnt mit frühen Arbeiten aus den Fünfzigerjahren, in denen die Muralisten genauso gegenwärtig sind wie ein Amalgam aus Picasso und Beckmann. Erst ein Jahrzehnt später entwickelt sich, was Kritiker „boteromorph“ oder „Boterismo“ genannt haben, das – scheinbar naive – Verschmelzen der Formen und Themen des kolonialen Barock mit Motiven und Stilmitteln der italienischen Renaissance. Das gilt nicht nur für seine eigenwilligen und doch unverkennbaren Adaptionen von van Eyck, Dürer, Piero della Francesca, Velázquez, Raffael, Goya oder Ingres. Das ist auch in den Szenen der Alltäglichkeiten – den Begegnungen, tanzenden Paaren, Vergnügungsstätten, Stillleben – und den Akten nicht zu übersehen. Und das gibt den Tafeln, die Katastrophen und Brutalitäten ausmalen, eine moritatenhafte Anmutung – abgesehen von den Gemälden zum Abu-Ghraib-Folterskandal durch US-amerikanische Soldaten während der Besetzung des Irak 2003/04, die in einem Extra-Kabinett zu sehen sind.

Botero Mons
Fernando Boteros Bronze „Frau auf dem Pferd“ gibt es in acht Größen. Die Spanne reicht von 49 Zentimetern Höhe bis hin zu platzgerechten 254 Zentimetern. © Fernando Botero

Das gilt für die Gemälde und Zeichnungen und nicht für die plastischen Arbeiten, die die gemalten Volumina ins Dreidimensionale versetzen. In der Ausstellung sind sie – die Dame ob des Grand Place mitgezählt – nur mit einem Dutzend vertreten, obwohl sie inzwischen einen wesentlichen Teil von Boteros Produktion bilden. Durchaus mit Blick auf den Markt, auf dessen Vorlieben und dessen Aufnahmebereitschaft. Die „Frau auf dem Pferd“ ist dafür ein besonderes Beispiel. Sie erinnert an die Pariser Souvenirläden, wo man den Eiffelturm mal klein, mal groß, für kleines oder großes Geld kaufen kann.

Mit kleinem Geld ist es bei Botero allerdings nicht getan. Die „Frau auf dem Pferd“ gibt es in acht Größen von einer Höhe von 49 Zentimetern bis zu den platzgerechten 254 Zentimetern, stets in Bronze. Die kleinste Version, 1991 modelliert, wurde am 17. Juni 2017 bei Galartis in Crissier für 245.000 Franken (Taxe 200.000 Franken) zugeschlagen. Für die größte, 2002 entworfen, mussten am 4. Juni 2013 bei Christie’s Paris 1 Million Euro (Taxe 700.000 Euro) aufgebracht werden. Die Zweidrittelfassung mit 178 Zentimetern Scheitelhöhe trug am 31. Mai 2007 bei Christie’s New York 880.000 Dollar (Taxe 600.000 Dollar) ein. Und für die 60 Zentimeter niedrigere Version, 119 Zentimeter hoch, waren am 20. November 2019 an selber Stelle 500.000 Dollar (Taxe 600.000 Dollar) aufzubringen. Die gängigen Größen aber sind die beiden zimmertauglichen Formate von 63 und 59 Zentimetern – mit ein paar Zentimetern Abweichung, weil sie anscheinend wiederholt nicht in der Originalform, sondern durch Abformen einer Bronze gegossen wurden. Zwischen 2017 und 2020 gab es da acht Angebote, für die – bei zwei Rückgängen – maximal 550.000 Dollar bezahlt wurden: Das war am 25. Mai 2017 bei Sotheby’s New York, allerdings für eines von zwei E.-A.-Exemplaren (Taxe 450.000 Dollar).

Botero Mons
In Mons in einem Extra-Kabinett zu sehen sind Fernando Boteros Bilder zum Abu-Ghraib-Folterskandal durch US-amerikanische Soldaten während der Besetzung des Irak 2003/04, beispielsweise das großformatige Triptychon „Abu Ghraïb 44“ von 2005 (University of California, Berkeley Art Museum and Pacific Film Archivet). © Fernando Botero

Anders liegt die Sache beim „Stillleben mit Wassermelone“, das in Mons dekorativ die Mitte eines Saales einnimmt. Dieser Tisch, auf dessen verkrumpelter Tischdecke neben dem Melonenstück noch andere Früchte liegen und eine Kaffeekanne und ein Tonkrug stehen, gehört nicht zu den in Serie vervielfältigten Bronzen. 1976 / 77 entstanden, beschränkt sich die Auflage auf zwei Künstlergüsse und sechs allgemeine. Und vier davon wurden mit keineswegs stabilen Preisen auf Auktionen angeboten. 110.000 Dollar (Taxe 90.000 Dollar) waren am 18. Mai 1988 bei Christie’s New York für das Exemplar 2 / 6 zu zahlen. Fast auf den Tag ein Jahr darauf brachte das Exemplar 3 / 6 bei Sotheby’s New York 180.000 Dollar (Taxe 175.000 Dollar). Und als es am 23. Mai 2006 erneut von Christie’s New York angeboten wurde, waren es 320.000 Dollar (Taxe 350.000 Dollar). Am 4. April dieses Jahres hatte Cornette de Saint-Cyr in Paris 304.125 Euro für eines der beiden E. A.-Exemplare erlöst, allerdings erheblich unter der Schätzung von 350.000  Euro. Bei Phillips de Pury in New York schaffte der Guss 6 / 6 am 14.  November 2011 mit 300.000 Dollar exakt die Schätzung. Und auch als im letzten Jahr, am 2.  Dezember, bei Van  Ham die Nr.  4 / 6 aufgerufen wurde, fiel der Hammer bei taxgerechten 150.000  Euro.

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