Was gibt es im Jahr 2022 zu sehen? Dies sind die Kunstausstellungen, auf die wir uns besonders freuen. Teil 3: Juli bis September
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07.01.2022
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Erschienen in
Kunstplaner 2022
Mit den Klischees ihrer Zeit hatte Ottilie W. Roederstein wenig am breiten Hut, den sie im Selbstbildnis von 1904 trägt: Zwar malte sie das bürgerliche Glück ihrer Auftraggeber, sie selbst blieb dagegen außergewöhnlich als erfolgreiche Künstlerin, die mit einer Ärztin in Quasi-Ehe lebte. Das Frankfurter Städel Museum holt vom 20.7. bis 16.10. die Ausstellung „Frei schaffend“ nach, die 2021 durch die Pandemie verschoben wurde.
In Lebensfragen weniger radikal als im Geschmack war ein Zeitgenosse Roedersteins: Max Liebermann. Eine hübsche Ölstudie des Vollblut-Impressionisten ist „Wäschetrocknen – Die Bleiche“ im Museum Kunst der Westküste auf Föhr, die vom 3.7. bis 30.3.2023 in der Schau „Provenienzgeschichten“ genauer beleuchtet wird. Neue Recherchen ergaben erfreulicherweise, dass es sich bei dem Bild nicht um NS-Raubkunst handelt.
Liebermanns Gärten und Felder blühten impressionistisch aber im Rahmen der Naturgesetze, wohingegen zwei Generationen später die Landschaft in den Bildern von Milton Avery schon eher nach flachem abstrakten Farbfeld aussah. Die Londoner Royal Academy of Arts zeigt vom 15.7. bis 16.10. die erste große Einzelausstellung des amerikanischen Modernisten in Europa.
Die Bilder gingen um die Welt: Der Arc de Triomphe in Paris gehüllt in blausilbernem Kunststoff, ihm zu Füßen Tausende begeisterte Schaulustige. Seit 1962 hatten Christo und Jeanne-Claude, dieses sehr besondere Paar im Leben wie in der Kunst, dieses Ereignis geplant. Doch erst nach Christos Tod konnte es im Herbst 2021 realisiert werden. Die Verhüllung steht exemplarisch für ein Lebenswerk, dem der Kunstpalast Düsseldorf mit seiner werkumspannenden Ausstellung Christo und Jeanne-Claude vom 11.8. bis 8.1.2023 Rechnung trägt.
Das besondere Verhältnis zwischen dem Museum Folkwang und den Expressionisten zeichnet vom 20.8. bis 8.1.2023 erstmals die Ausstellung „Expressionisten am Folkwang: Entdeckt – Verfemt – Gefeiert“ nach.
Der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa war seit der Romantik das Symbol für die nationale Einheit Deutschlands. Zu seinem 900. Geburtstag richtet das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster ab September eine Sonderausstellung aus, die ihren Prolog bereits ab August auf Schloss Cappenberg erfährt. Zentrale Exponate wie der berühmte Cappenberger Kopf und die kaiserliche Taufschale, die Barbarossa seinem Paten Otto von Cappenberg schenkte, haben hier ihren Ursprung.
Es geht doch nichts über ein griffiges Label. Ob der Bildhauer Donatello der Erfinder der Renaissance war und ob man so etwas Fluides wie die Renaissance überhaupt „erfinden“ kann, darüber nachzudenken, das bietet sich an vor den überaus wunderbaren Skulpturen und Reliefs des Florentiner Künstlers in der Berliner Gemäldegalerie. Die Ausstellung der Sonderklasse beginnt am 2.9. und endet am 8.1.2023.
Exakt dieselbe Laufzeit, vom 2.9. bis 8.1.2023, hat die Retrospektive einer französisch-schweizerischen Künstlerin, deren fliegende Nana die Gäste Zürichs am Hauptbahnhof begrüßt. Ihre fröhliche Buntheit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Werke von Niki de Saint Phalle wahre Sprengkraft besitzen. In den 50er-Jahren hat die Künstlerin mit Arbeiten wie ihren „Schießbildern“ die Kunstszene aufgemischt und damit eigentlich erst wieder aufgehört, als sie 2002 in San Diego starb. Das Kunsthaus Zürich zeigt Gemälde, Skulpturen, Assemblagen und Filme aus allen ihren Schaffensphasen.
Atmen. Einatmen, ausatmen – wo ist das Problem? Tatsächlich ist es überall und gerne dort, wo man es am wenigsten erwartet. „Atmen“, die konzeptuell anspruchsvolle Schau in der Hamburger Kunsthalle, führt von der biblischen Metapher zu jeder und jedem einzelnen von uns, von der Luftverschmutzung zum Krankheitsbild und von da zu dessen törichtem Cousin, dem Alltagsrassismus. Einatmen, ausatmen, hingehen – vom 11.8. bis 8.1.2023.
Hier geht’s zu Teil 1 und Teil 2 der Ausstellungsvorschau 2022.