Das Liechtensteinische Landesmuseum in Vaduz präsentiert kostbare Funde aus Pompeji – und wirft ein Streiflicht auf das Leben in der Antike
Von
04.03.2022
/
Erschienen in
WELTKUNST Nr. 196
Vulkanausbrüche, das haben uns die jüngsten Ereignisse auf der Kanareninsel La Palma und vor Tonga im Südpazifik gezeigt, gehören zu den schrecklichsten Naturkatastrophen. Die explosiven Eruptionen bringen allerdings nicht nur Zerstörung, sondern schaffen gleichzeitig fruchtbaren Boden, weshalb Menschen schon immer das kaum kalkulierbare Risiko in Kauf nahmen und mit Vorliebe an Vulkanhängen siedelten. So auch an einem der größten Vulkane Europas, dem Vesuv im Osten Neapels. Momentan schlummert er, doch – da sind sich die Forscher einig – früher oder später wird er wieder Unheil bringen.
Allerdings, dank immer besserer Frühwarnsysteme, wohl nicht mit so verheerenden Folgen wie bei seinem berühmtesten Ausbruch vor fast 2000 Jahren: Damals, im Jahr 79, wurden die blühenden Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis innerhalb eines Tages vernichtet. Eine furchtbare Katastrophe für die damalige Bevölkerung und zugleich ein unglaublicher Glücksfall für die Archäologie. Denn wie in einer Zeitkapsel wurde Pompeji unter einer meterhohen Schicht aus Asche und Lava begraben und versiegelt.
Wie unerwartet der Ausbruch für die Menschen kam, zeigen die Funde, die Archäologinnen und Archäologen seit den im Jahr 1748 begonnenen Ausgrabungen gemacht haben. Von diesen ist nun eine kleine, aber äußerst beeindruckende Auswahl in der Ausstellung „Pompeji – Pracht und Tod unter dem Vulkan“ im Liechtensteinischen Landesmuseum in Vaduz zu sehen. Neben wertvollsten Kunstwerken und Schmuckstücken, die nicht mehr in Sicherheit gebracht werden konnten, wird auch ein durch Vulkanasche konservierter Laib Brot gezeigt, der nichts ahnend noch am Tag des Untergangs gebacken worden war. Dem Museum ist es gelungen, ausschließlich hochkarätige Leihgaben aus dem Archäologischen Nationalmuseum von Neapel zu bekommen. Anhand von knapp 40 Objekten schafft es die Ausstellung, eine kurzweilige, aber in die Tiefe gehende Geschichte Pompejis zu erzählen, die Laien wie Experten gleichermaßen fesseln dürfte.
In pompejanischrot leuchtenden Räumen werden Malereien und Mosaike gezeigt, die die prachtvolle Ausstattung des einstigen Nobelorts, in dem die reichsten Römer ihre Zweitvillen hatten, vor Augen führen. Auf dem Porträt des Bäckers Terentius Neo und seiner Frau begegnet uns ein zu Wohlstand gekommenes Ehepaar aus der pompejanischen Mittelschicht. Edel gekleidet präsentiert sich das kultivierte Paar mit Schreibgriffel, Wachstafel und einer Buchrolle.
Bronzefiguren wie der auf einem Weinschlauch reitende Silen, der Teil eines aufwendigen Springbrunnens gewesen sein dürfte, veranschaulichen die luxuriöse Dekoration der Häuser mit Kunstwerken höchster Qualität. Ein Skyphos, eine zum alltäglichen Gebrauch in der Regel aus Keramik hergestellte Trinkschale, begegnet uns in seiner wohl exklusivsten Ausführung, geschnitten aus einem einzigen Block Obsidian und mit Szenen des ägyptischen Isiskults in Intarsien aus Jaspis, Karneol, Gold und Lapislazuli verziert. Das Meisterwerk alexandrinischer Handwerkskunst steht zusammen mit der fein geschnitzten Elfenbeinstatuette der Lakshmi, der indischen Göttin der weiblichen Schönheit und Fruchtbarkeit, exemplarisch sowohl für die weitreichenden Handelsbeziehungen der Römer im ersten Jahrhundert als auch für ihre Begeisterung für andere Kulturen und Religionen.
Die beklemmende Nähe von „Pracht und Tod“ wird dem Besucher im letzten Raum der Ausstellung noch einmal eindrücklich vorgeführt: Man erblickt den „Läufer“, die lebensgroße Figur eines Athleten, die mit ihren Augen aus Elfenbein und grauem Stein zu den schönsten erhaltenen Bronzen der Antike gehört und hier vor den niederprasselnden Gesteinsbrocken und der riesigen Giftwolke des ausbrechenden Vesuvs – dargestellt in einer spektakulären Videoanimation – zu fliehen scheint. Und hinter der Statue liegen schon die Gipsabgüsse von zwei zusammengekauerten Opfern leblos am Boden.
„Pompeji – Pracht und Tod unter dem Vulkan“,
Liechtensteinisches Landesmuseum, Vaduz,
bis 24. April