Venedig-Biennale 2022

Die besten Länderpavillons der Biennale

Neben der zentralen Ausstellung sind die Pavillons der Länder die Hauptattraktion der Biennale in Venedig. Wir stellen die spannendsten vor. Teil 1: Ukraine bis Singapur

Von Simone Sondermann
20.04.2022

USA

Simone Leigh ist die Künstlerin der Stunde auf der Biennale 2022. Mit einer ihrer überlebensgroßen Büsten, „Brick House“ von 2019, beginnt der Rundgang der Hauptausstellung im Arsenale, und sie bespielt den Pavillon der USA auf dem Giardini-Gelände mit einer Reihe weiterer atemberaubender Werke. Unter dem Titel „Sovereignty“ eröffnet sich hier auf künstlerisch höchstem Niveau die Erfahrungswelt schwarzer Frauen sowie eine Synthese afrikanischer Kunstradition und europäischer Moderne. Der Blick auf die klagend-bittenden Hände der weiß glasierten Plastik oder die spiegelnd glatte Oberfläche des schwarzen Wassers, in dem gebückt die Wäscherin steht, ist jetzt schon ein Highlight in Venedig.

Simone Leigh USA Pavillon BIennale
Die gebückte Wäscherin, „Last Garment“ (2022), gehört zur Installation von Simone Leigh im Pavillon der USA. © Simone Leigh, Foto: Simone Sondermann

Ukraine

Dass die Arbeit von Pavlo Makov dieses Jahr in Venedig zu sehen ist, grenzt an ein Wunder. Und ist Ausdruck von Mut und Entschlossenheit. Die Kuratorin Maria Lanko schaffte Fragmente des „Brunnens der Erschöpfung“, so der Titel, in den ersten Kriegstagen mit ihrem privaten Auto aus dem umkämpften Kiew nach Italien. Die Kokuratorin Lizaveta German floh erst später und hochschwanger aus Kiew, bekam in Lwiw ihr erstes Kind und ist nun auch zur Eröffnung eingetroffen. Der Künstler Makov entkam dem Bombenterror von Charkiw. Mithilfe einer Mailänder Firma und unterstützt von der Biennale wurde der Brunnen in Italien fertiggestellt. Ein stilles Werk im Stil der Arte povera, entstanden in den 1990er-Jahren und seit mehr als zwei Jahrzehnten im unfertigen Zustand, ist er jetzt ein Mahnmal geworden gegen die Zerstörung der Ukraine durch Russlands Armee.

Pavlo Makov Ukraine Pavillon Biennale
„Der Brunnen der Erschöpfung“ von Pavlo Makov ist ukrainischen Pavillion zu sehen. © Courtesy the artist, Foto: Simone Sondermann

Singapur

„Pulp: Eine kurze Geschichte des verbannten Buches“ ist ein Langzeitprojekt der Künstlerin Shugibi Rao. Kuratiert von Ute Meta Bauer, präsentiert sie in Venedig den dritten Teil, einen Film über Zensur und Ausschluss, basierend auf Recherchen in Venedig und Singapur, zwei ehemalige Zentren des Buchdrucks. Erschreckend aktuell, vor allem die Interviewpassagen zur Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja vor 15 Jahren und zur Informationsfreiheit in Russland, die seit Kriegsausbruch noch viel eingeschränkter ist als zum Zeitpunkt der Entstehung des Films. Die weißen Papierwände des Pavillons schaffen einen Ort der vertieften Reflexion im Biennale-Trubel, zum Projekt gehört außerdem ein Buch der Künstlerin.

Shugibi Rao Singapur Pavillion Biennale
Das Buch von Francesco Petraca aus dem 16. Jahrhundert wurde auf vier verschiedene Weisen zensiert. Es ist Teil des Projekts „Pulp: Eine kurze Geschichte des verbannten Buches“ von Shugibi Rao. © Courtesy of Shubigi Rao

Polen

Zum ersten Mal vetritt eine Roma-Künstlerin ihr Heimatland Polen auf der Biennale. Malgorzata Mirgas-Tas hat einen textilen Bilderbogen geschaffen, zwölf Tafeln, die auf die Monate des Jahres Bezug nehmen und die Fresken des Renaissancepalastes Schifanoia in Ferrara zitieren. Sie greift darin Geschichten der Roma-Mythologie auf und in einem zweiten Bilderband Szenen aus dem Alltag einer Siedlung im Tatra-Gebirge. Ein farbenfrohes, einnehmendes Werk, das die marginalisierte und unterdrückte Kultur der Roma-Frauen in die europäische Kultur- und Geistesgeschichte einschreibt.

polnischer Pavillon Venedig 2022
Eine der zwölf textilen Tafeln der Roma-Künstlerin Malgorzata Mirgas-Tas im polnischen Pavillon. © courtesy the artist; Foto: Petra Schaefer

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