Zur Biennale-Zeit eröffnen in Venedig traditionell zahlreiche hochkarätige Ausstellungen. Wir haben fünf spannende herausgepickt: von Anselm Kiefer im Dogenpalast bis Marlene Dumas im Palazzo Grassi
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31.05.2022
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WELTKUNST Nr. 199
Gleich sechs renommierte Galerien wirkten zusammen, um diese Schau auf die Beine zu stellen. In der Scuola Grande San Giovanni Evangelista, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, entfaltet sich das Werk von Ugo Rondinone. Zu sehen sind bekannte Werke wie „the sun II“ von 2018 im Innenhof, mit „burn shine fly“ entstand außerdem eine neue ortsspezifische Installation, bei der blaue Puppen engelsgleich durch den Kirchenraum schweben. Bis 17. September
Vor 60 Jahren bespielte Louise Nevelson den Pavillon der USA auf der Biennale, nun versammelt eine Retrospektive in den historischen Räumen der Prokuratien am Markusplatz mehr als 60 Werke aus den 1950er- bis 1980er-Jahren. Der Vater der Künstlerin betrieb nach seiner Emigration aus dem Zarenreich einst ein Sägewerk in Maine, Louise wurde zur Meisterin der Assemblage, die sie aus Holzfragmenten und alten Möbeln zusammensetzte. Zu sehen sind unter anderem mehrere ihrer schwarz bemalten Objektbilder, die eine geradezu außerirdische Aura umgibt. Bis 11. September
Anish Kapoor ist in Venedig derzeit gleich doppelt präsent: in den Gallerie dell’Accademia und im Palazzo Manfrin am Cannaregio-Ufer. Der Palazzo wurde eigens zur Biennale teileröffnet und beherbergt künftig auch die Stiftung des Künstlers. Kapoor ließ das historische Gebäude so umbau- en, dass seine Installationen optimal zur Geltung kommen. Überwältigend ist etwa der Eindruck der riesigen schwarz-roten Acrylspirale, die an der Decke der Eingangshalle wuchert, oder der des Werks „Die Verwandlung von Wasser zu Spiegel. Blut im Himmel“ (2003). Bis 9. Oktober
Anselm Kiefer bespielt den Dogenpalast der ehemaligen Seerepublik mit einer fulminanten Schau. In der Sala dello Scrutinio neben dem mächtigen Ratssaal zeigt der deutsche Maler auf 800 Quadratmetern acht großformatige Szenen, die aus je 15 bis 20 Leinwänden zusammengesetzt sind. Mit dieser Bilderfülle übertrumpft er gar den berühmten Jacopo Tintoretto, der einst die Scuola Grande di San Rocco mit 60 Gemälden ausstattete. Kiefers Neuausstattung reicht vom Boden bis unter die goldene Kassettendecke und erzählt venezianische wie Weltgeschichte. Bis 29. Oktober
Die gebürtige Südafrikanerin Marlene Dumas ist eine Meisterin der Schonungslosigkeit, leicht zu konsumieren sind ihre Gemälde nie. Die Pinault Collection präsentiert im Palazzo Grassi eine große Ausstellung der auch am Kunstmarkt sehr gefragten Malerin. Wir sehen die tote Marilyn Monroe, Menschen aus dem Rotlichtmilieu, das die in Amsterdam lebende Künstlerin seit Langem fasziniert, schwule Ikonen wie Oscar Wilde oder Pier Paolo Pasolini und sehr viel Nacktheit (oben »Alien«, 2017). Eine Meditation über das Nahe im Fremden und das Befremden der Nähe. Bis 8. Januar 2023