Palazzo della Pilotta

Kunstvolle Vetternwirtschaft

Parma feiert mit einer Ausstellung im Palazzo della Pilotta Macht und Mäzenatentum der Farnese

Von Rafael Arnold
27.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 199

Mit der Wahl Alessandro Farneses zum Oberhaupt der katholischen Kirche im Jahr 1534 begann für die ganze Familie eine goldene Zeit. Als Papst Paul III. lenkte er nicht nur die Geschicke der Weltkirche, sondern auch die seiner Angehörigen – und zwar so erfolgreich, dass Tizians berühmtes Porträt von ihm und seinem Neffen bis heute wie eine Verbildlichung des Nepotismus wirkt. Vom Machtanspruch der Farnese und der damit verbundenen Repräsentation handelt die Ausstellung, die in Parma im Palazzo della Pilotta, einer ehemaligen Farnese-Residenz, gezeigt wird. Dabei könnte der Kontrast zwischen dem unvollendet gebliebenen, nüchternen Ziegelbau und der reichhaltigen Pracht größer nicht sein. Zu Beginn werden Besucher mit Texten und Objekten auf die Epoche des 16. Jahrhunderts eingestimmt, eine Zeit der kulturellen Blüte, in der neue und antike Welten entdeckt und alte Gewissheiten durch Reformation und Gegenreformation sowie politische Krisen infrage gestellt wurden. Dann folgen Räume, in denen anhand von Skizzen, Architekturentwürfen und einer ansprechenden Filmdokumentation Aufträge wie der Palazzo Farnese in Rom, derjenige in Caprarola und der Palazzo della Pilotta selbst vorgestellt werden.

Tazza Farnese
Die antike „Tazza Farnese“ ist die größte Kamee der Welt. © Giovanni Hänninen; Mit freundlicher Genehmigung des Museo Archeologico Nazionale di Napoli

Durch gezieltes Sammeln antiker Ausgrabungsfunde führte Paul III. der Welt den Herrschaftsanspruch der Kirche und den eigenen vor Augen. Als bei der päpstlichen Ausgrabungskampagne in den Caracalla-Thermen in Rom 1545/1546 Kolossalstatuen zutage traten, bot das die unverhoffte Gelegenheit, seinen Machtanspruch mit der allgemeinen Antikenbegeisterung zu kombinieren. Unter dem Namen der Familie erlangten zwei von ihnen Weltberühmtheit: Der etwas über drei Meter hohe „Herkules Farnese“ und der „Farnesische Stier“, die heute in Neapel zu bestaunen sind. Zwei weitere, noch größere antike Kolosse aus kostbarem ägyptischen Basanit sind in Parma zu sehen: ein Herkules und ein trunkener Bacchus, der von einem Satyr gestützt wird.

Von der berühmten Gemmensammlung Lorenzo de’ Medicis, die 1586 in den Besitz der Farnese gelangte, strahlt – als eine der kostbaren Leihgaben aus Neapel – die „Tazza Farnese“ aus Sardonyx ihre Faszination aus. Mit 20 Zentimeter Durchmesser ist sie die weltgrößte Kamee und ein künstlerisches Meisterwerk des Hellenismus, das seine wechselnden Besitzer, darunter eben auch die Farnese, unzerstört überlebte. Gezeigt wird sie unweit von Tizians berühmter „Danaë“ in der Biblioteca Palatina mit ihren deckenhohen Bücherschränken, die nicht nur Kulisse sind, sondern zugleich das Ausstellungsthema versinnbildlichen.

Biblioteca Palatina des Palazzo della Pilotta Tizian Danaë
In der Biblioteca Palatina des Palazzo della Pilotta glänzt Tizians „Danaë“ von 1544/1545. © Giovanni Hänninen; Mit freundlicher Genehmigung des Museo Archeologico Nazionale di Napoli

Auch durch das 1618 eröffnete, grandiose Hoftheater, das der Farnese-Herzog Ranuccio I. in Auftrag gegeben hatte, werden die Besucherinnen und Besucher quasi nebenbei geführt. Die allmählich sinkende Macht der Dynastie, die dank der Vermählung Prinzessin Elisabeths mit dem spanischen König Philipp V. 1714 noch einmal europäische Bedeutung erhielt, ging an ihre Söhne Karl und Philipp von Bourbon über.

Als Karl zum König beider Sizilien gekrönt wurde, nahm er die großartige Kunstsammlung mit nach Neapel. Von diesem Verlust erzählt die Ausstellung nur am Rande. Die Fülle der Exponate, Bronzefiguren, Tischservice aus Porzellan, außereuropäische Artefakte sowie Porträts von Verwandten und andere Gemälde, alte Musikinstrumente und Opernlibretti erwecken die vergangene Pracht zu neuem Leben und erzeugen auf diese Weise zumindest einen Abglanz der kolossalen Macht der Farnese.

Service

Ausstellung

„I Farnese. Architettura, Arte, Potere“,

Complesso monumentale della Pilotta, Parma,

bis 31. Juli

complessopilotta.it

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