Mit der Ausstellung „Uprising“ entsteht im Schloss Görne im Havelland ein Dialog zwischen der bröckelnden Architektur, der geschützten Natur und den äußerst vielfältigen Werken
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26.08.2022
Die Blumen in der Schwanenvase sind fast noch üppiger als das Grün draußen vor der Tür. Heidi Ukkonen hat ihr „Black Bouquet“ mit Eitemepra und Airbrush gemalt – und während man sich noch fragt, ob die Fülle im Bild der schwedischen Künstlerin mit der Landschaft und dem Schloss Görne eher konkurriert oder harmoniert, fügt sich plötzlich alles zusammen: Solche Arrangements, große Sträuße in aufwändig gestalteten Gefäßen, wird es hier früher gegeben haben, denn das Gebäude mit einer Geschichte bis zurück ins 14. Jahrhundert gehörte den Grafen von Bredow, die es als repräsentatives Landhaus nutzten.
Nun ist es zum zweiten Mal in der Hand von Galeristin Kristin Hjellegjerde. Für ein paar Wochen bloß, während im Hintergrund die Sanierung weitergeht. Von Berlin ins westliche Havelland fährt man knapp eine Stunde, es gibt freundschaftliche Kontakte zwischen dem neuen Besitzer und der Galerie, weshalb es schon im vergangenen Jahr eine sehenswerte Sommerausstellung in dem immer noch ruinösen Haus gab.
„Uprising“ ist die Fortsetzung, diesmal mit 38 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, von denen längst nicht alle im Programm von Hjellegjerde sind. Wichtiger scheint der Dialog zwischen der bröckelnden Architektur, der geschützten Natur und den absolut unterschiedlichen Werken. Manches, so der von der Sonne zerfressene „Tree“ (2022) auf dem Hochformat von Damien Ding, erschließt sich sofort. Genau wie die pink glühende Landschaft von Daisy Dodd-Noble oder jene arkadischen Kompositionen, die die kanadische Malerin Anne Griffiths imaginiert.
Andere Motive fügen sich weniger leicht in das Ambiente und wollen erschlossen werden. Dazu zählen die am Tisch schlafenden Gestalten von Mary Macken Allen, Ana Barrigas diabolische Kindsköpfe und die gebogenen Hölzer, die Jonny Briggs an die Hauswände gebracht und „Moustache“ genannt hat. Mit der Zeit aber gesellen sich Fantasien hinzu: Wie es hier vor hundert Jahren gewesen sein mag, als schnauzbärtige Männer die Treppe herunterpolterten, sich die Familie am Tisch einfand oder zum Ausritt vorbereitete, wie es Iryna Maksymova in ihrem Gemälde „Run“ nahelegt. Und wenn auf dem bemalten Textil „Migrated Mind“ von Eko Nugroho behelmte Außerirdische zwischen Grünzeug landen, kommt einem das Bild wie ein ironischer Seitenhieb auf jene Ausflügler vor, die am Wochenende entschlossen zum Sightseeing nach Brandenburg aufbrechen, um etwas zu erleben.
Die Landpartie nach Görne lohnt jedoch unbedingt. Es ist eine Tour der leisen Art, die Türen öffnet – in die Vergangenheit ebenso wie in das ländliche Gewebe eines Dorfes. Und nicht zuletzt zur zeitgenössischen Kunst als Schlüssel.
Schloss Görne,
Lindenstr. 48, Kleßen-Görne,
bis zum 18. September jeweils Samstag & Sonntag von 12 Uhr bis 18 Uhr