Im Oldenburger Landesmuseum wird der norddeutsche Barockmaler Wolfgang Heimbach wiederentdeckt, der trotz seiner Gehörlosigkeit in seiner Zeit große Erfolge feierte
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11.08.2022
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 202
Es ist die erste große Werkschau eines Künstlers, der zu Lebzeiten, um 1613 bis 1679, international einige Anerkennung fand, nach seinem Tod jedoch weitestgehend in Vergessenheit geriet: Das Landesmuseum Oldenburg widmet sich dem norddeutschen Maler Wolfgang Heimbach. Dieser wuchs in Ovelgönne, in der Nähe von Oldenburg, auf. Später lebte er längere Zeit im benachbarten Bremen und Münster, aber auch in Wien, Amsterdam, Kopenhagen, Rom und Florenz. Zu seinen Auftraggebern gehörten sowohl Bremer Unternehmer als auch Papst Innozenz X., die florentinische Handelsfamilie der Medici oder die toskanische Großherzogin Vittoria della Rovere.
Der große Erfolg und die Weltgewandtheit des Malers erstaunen, weil Heimbach von Geburt an gehörlos war. Zwar sind aus dem 16. Jahrhundert, vor allem in Spanien, starke Bemühungen der Integration Gehörloser und die Entwicklung einer Gebärdensprache dokumentiert, im Allgemeinen jedoch waren sie vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten. Da Heimbach nicht hören konnte, waren sein visueller Sinn und sein Tastsinn besonders ausgeprägt. Das lässt sich direkt in seinem Werk nachverfolgen.
Auf den ersten Blick erscheinen Heimbachs Bilder, die er in Öl auf Leinwand, Holz und Kupferplatten malte, seiner Zeit gemäß epigonal. Unter dem Eindruck seines Aufenthaltes in den Niederlanden in den 1630er-Jahren etwa entstanden in Erdfarben gehaltene Gemälde, die an Rembrandt van Rijn oder Willem Cornelisz Duyster erinnern. Jedoch tritt bereits hier eine Eigenart Heimbachs in den Vordergrund – der gezielte Einsatz künstlichen Lichts. Sein Bild „Jüngling mit Kerze“ (wohl 1646) zeigt eine Szene in einem Wohnhaus. Der Junge hält in der einen Hand eine Kerze, während er die andere schützend vor die Flamme schiebt. Das Kerzenlicht fällt somit nicht direkt in unsere Augen, sondern streut abgeschirmt durch die Handfläche des Jungen von seinen Armen bis zum Kinn. Dieses materialistische Verständnis von Licht kann man, um den Mangel positiv zu wenden, als Teil einer gehörlosen Kultur bezeichnen. In der Malerei des Barocks kommt dem Licht oftmals noch eine metaphysische Rolle zu: Es wird eingesetzt, um etwas im Bild zu betonen, aber schon seine Quelle und Entwicklung im Raum bleiben rätselhaft.
Ein anderer Aspekt einer gehörlosen Kultur ist der Einsatz einer zeichenhaften Verständigung. In Heimbachs Darstellungen gesellschaftlicher Ereignisse wie etwa in „Die Taufe Christi am Jordan“ (1679) fallen die Gesten der Hände und die Mimik der Gesichter als zentrale Mittel der Kommunikation auf. Ebenso kommen Schriftträgern, vor allem Briefen, in Heimbachs Szenen immer wieder eine Schlüsselrolle zu: „Fünf Personen am Kaminfeuer“ (1650) zeigt eine Gruppe Honoratioren um einen vielseitigen Brief versammelt. Aus dem Wandtext erfahren wir, dass offizielle Briefe im 17. Jahrhundert eher knapp verfasst waren. Dem schriftkundigen Maler jedoch, der neben Deutsch auch Italienisch und Latein lesen und schreiben konnte, waren sie zum Leben unabdingbar.
Bemerkenswert ist außerdem die Betonung von Stoffen in Heimbachs Bildern. In einer gehörlosen Kultur rückt der Tastsinn gleich hinter den visuellen. Und tatsächlich sind Leinen, Brokat und Spitze mit einer Präzision gemalt, die sie mit den Augen beinahe greifbar werden lässt.
„Wolfgang Heimbach – Ungehört“,
bis 28. August,
Landesmuseum Oldenburg
„Wolfgang Heimbach – Ein deutscher Barockmaler an europäischen Höfen“,
22. September bis 4. Dezember,
LWL-Museum für Kunst und Kultur