Das Arsenale Institute zeigt Lawrence Weiners gesammelte Druckwerke der Jahre 1964 bis 1980 und würdigt so einen der Gründerväter der Konzeptkunst
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26.09.2022
Auf dem Weg vom Markusplatz zum Biennale-Gelände sieht man kurz vor den Giardini über einer Tür ein schwarzes Banner mit metallisch glänzender Schrift. In schlichter, kantiger Typographie steht dort der Name „Lawrence Weiner“. Hier ist das 2006 gegründete Arsenale Institute for Politics of Representation, das von dem Philosophen und Kurator Wolfgang Scheppe geleitet wird. Dieser war mit dem legendären New Yorker Konzeptkünstlers befreundet, dem er nach dessen Tod im letzten Dezember eine sehr intime, sehr sehenswerte Ausstellung widmet. „Weil seine singuläre Rolle in der Kunst der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in der Medienreaktion auf seinen Tod weder in den USA noch in Europa angemessen erkannt und ausgesprochen wurde“, erzählt Scheppe, habe er beschlossen, den Projektraum seiner Erinnerung zu widmen. Zunächst nur bis Juni angekündigt, haben nun vier große Galerien Weiners dazu beigetragen, die Öffnung bis Ende November zu ermöglichen.
Im Kontext der Kunstbiennale, die sich unter dem Titel The Milk of Dreams auf surrealistische Bildwelten konzentriert, bietet die Präsentation der textbasierten Arbeiten von Lawrence Weiner eine wichtige konzeptuelle Gegenposition. Auf schwarzem Grund steht in weißer Blockschrift in einem weißen rechteckigen Rahmen der vierzeilige Text: A Determination | Of Where | What falls offside | Rests. In Scheppes Übersetzung heißt das: ‚Eine Bestimmung, wo das, was ins Abseits gefallen ist, ruht‘. Im Rahmen der weitgespannten Vieldeutigkeit erinnert Weiner damit auch an das, was außerhalb des Rahmens offizieller Anerkennung liegt. Dass das Wort, das das Weggefallene bezeichnet, physisch am unteren Ende der Wandtafel zu stehen kommt, zeigt Weiners Bewusstsein seiner Statements als Skulpturen mit konkreter Materialität.
Neben der Schrifttafel sieht man in der Ausstellung eine komplette Sammlung sämtlicher Druckwerke Weiners vom Katalog seiner ersten Ausstellung von 1964, in der er noch Gemälde zeigte, bis zu der Zeit um 1980 (einer historischen Schwelle, die das Künstlerbuch vom underground item zur Ware des Kunstmarkts avancieren ließ). In der chronologischen Abfolge der Ausstellung wird nachvollziehbar, wie Weiner die Malerei zugunsten der sprachlichen Mitteilung aufgab und wie er anfing, kontextualisierende, nicht illustrative Fotografien zu benutzen. Daneben dokumentieren Plakate und Einladungskarten seine Ausstellungen in Europa. Und schließlich zeugt ein ohne sein Wissen entstandener Raubdruck aus Südamerika von seiner globalen Positionierung. Die in Venedig erreichte Vollständigkeit der Künstlerbücher von Lawrence Weiner ist erstmalig und vermutlich einmalig, was an der Seltenheit vieler Exemplare liegt. Dementsprechend ist das Interesse des Publikums enorm. In den vergangenen Monaten hat sich die Ausstellung allmählich zu einem regelrechten Labor der Forschung entwickelt, weil es Freunde und Kollaborateure Weiners aus aller Welt anzog, die an einigen der Künstlerbücher beteiligt waren und neues Wissen zu seinem Werk beitragen konnten. Wer in Venedig ist, sollte nicht versäumen, diese außergewöhnliche Installation zu besuchen.
„The Language of Lawrence Weiner (1942–2021)“
Arsenale Institute for Politics of Representation, Venedig
bis 27. November 2022