Bild des Tages

Das Burbangana-Prinzip

Der Erweiterungsbau der Art Gallery of New South Wales überzeugt durch seine Nachhaltigkeit und den Fokus auf die Kunst der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner

Von Tim Ackermann
29.11.2022

„Burbangana“ ist ein Wort, das aus der Sprache der Ureinwohner von Sydney stammt. Es bedeutet, einer anderen Person die Hand zu reichen und ihr aufzuhelfen. Diese Idee eines freundschaftlichen Unterstützens ist zum Leitprinzip im „Sydney Modern“ geworden. Die vom japanischen Architekturbüro Sanaa realisierte Erweiterung der Art Gallery of New South Wales, die an diesem Wochenende eröffnet, macht es dem Publikum leicht, sie zu mögen: Die verschiedenen Ausstellungsebenen liegen diagonal verschoben aufeinander und kragen an verschiedenen Stellen aus, so dass der Eindruck von spielerisch in die Landschaft geworfenen Baukörpern entsteht. Einladende Glasfassenden locken die Gäste ins Innere.  Dort werden sie über Brücken und Treppen zwischen den Ebenen geführt und landen dabei immer wieder vor den Panoramafenstern, die ihnen grandiose Blicke auf den Hafen und den Botanischen Garten anbieten. Als Kontrast können sie anschließend in die Tiefe steigen und im Keller in den gigantischen Dimensionen eines umgenutzten Benzintanks märchenhaften Großskulpturen des argentinischen Künstlers Adrían Villar Rojas begegnen.  

Der Hinweis des Museums, dass die Erweiterung auf dem Land der australischen Ureinwohner entstand, ist übrigens mehr als ein Lippenbekenntnis: Denn die Kunst der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner wird nun erstmals direkt am Anfang des Ausstellungsparcours präsentiert und fungiert damit gleichsam als Linse, durch die alle weiteren Stilrichtungen betrachtet werden. Eine lokale Perspektive auf die globale Kunstwelt – das Burbangana-Prinzip bewährt sich so ein weiteres Mal. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Erweiterungsbau für seine potenzielle Nachhaltigkeit Vorschusslorbeeren erhielt, da er zehn Prozent seines Energiebedarfs durch Solarzellen auf dem Dach selbst deckt und Regenwasser zur Bewässerung und Kühlung nutzt, dann fragt man sich, ob hier gerade das Museum der Zukunft geboren wurde. 

Übrigens: Am 3. Dezember eröffnet das Sidney Modern Project. Ein umfangreiches Angebot an Performances, Vorträgen, Führungen und Workshops soll die Kunst zum Leben erwecken.

Zur Startseite