Was gibt es im Jahr 2023 zu sehen? Dies sind die Kunstausstellungen, auf die wir uns besonders freuen. Teil 1: Januar bis März
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22.12.2022
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 208
Die fetten Tage dauern an! Zwar sind Weihnachtspudding und Silvesterkrapfen verzehrt, aber im neuen Jahr gibt es noch einen künstlerischen Nachschlag bei der Fondation Beyeler in Basel: Cupcakes und Eiscreme zählte Wayne Thiebaud, der dort vom 29.1. bis 21.5. gezeigt wird, zu seinen absoluten Lieblingsmotiven. Doch auch die Landschaften des 2021 mit 101 Jahren verstorbenen Amerikaners sind köstliche Malerei – in zarten Farben üppig aufgebaut wie Schichttorte.
Altersmäßig noch zur gleichen Generation gehört die 1930 geborene Faith Ringgold. Die Afroamerikanerin mischt bunte Pop-Art mit Einflüssen der Moderne wie Picasso oder Matisse zu einem Bildercocktail von politischer Sprengkraft: Ihre Flaggenbilder weinen Blut! Ringgolds furiose New Yorker Retrospektive übernimmt das Musée Picasso in Paris vom 31.1. bis 2.7. als Europagastspiel.
Stolze 300 Jahre ist das Grüne Gewölbe im Dresdner Residenzschloss alt. Ab 1732 legte August der Starke diese legendäre Schatz- und Wunderkammer an. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden feiern den Geburtstag ein Jahr lang mit wechselnden Präsentationen. Den Auftakt der Party macht ab 31.1. der Künstler Olaf Nicolai mit einer Intervention.
Geradezu majestätische Verehrung erfährt die Milchmagd in einem der berühmtesten Bilder des Delfter Menschenmalers: Nun holt das Rijksmuseum in Amsterdam vom 10.2. bis 4.6. sensationelle 28 Gemälde von Vermeer für eine Ausstellung zusammen – also mehr als drei Viertel seines Œuvres. „Die Dienstmagd mit Milchkrug“ trifft das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ aus Den Haag oder „Die Spitzenklöpplerin“ aus Paris. Mehr Vermeer war noch nie!
Wer schon in Holland unterwegs ist, sollte noch im Rijksmuseum Twenthe in Enschede Halt machen, wo vom 12.2. bis 11.6. die Gemälde von Sofonisba Anguissola einen weiteren Zeitreisetunnel öffnen: Motive wie drei Schwestern beim Schachspiel zeigen den besonderen weiblichen Blick auf die Welt der Renaissance.
Mindestens so sehr um das Hören wie um das Schauen geht es im Basler Museum Tinguely, das vom 22.2. bis 14.5. seine Reihe „sinnlicher“ Ausstellungen fortsetzt und jetzt mit „À bruit secret“ für eine Weile das Ohr als Zentralorgan bei Produktion und Rezeption von Kunst würdigt. Die Schau hat definitiv Nachhall.
Attraktive Gesellschaftsbilder für unser 21. Jahrhundert schafft die Malerin Nicole Eisenman, wenn sie ihr queeres Lebensumfeld beim Knutschen oder Flaschenbiertrinken zeigt. Dieses zeitgenössische Update der neusachlichen Moderne rockt das Museum Brandhorst in München vom 24.3. bis 10.9. in einer Überblicksausstellung. Neben Malereien denkt sich die New Yorkerin auch sehr lustige und groteske Skulpturen aus.
Im Vergleich zu Eisenman ist der Maler Georg Baselitz im Kunsthistorischen Museum Wien – verdächtig, in seiner Schau vom 7.3. bis 25.6. als der alte knurrige Kerl aufzutreten, den er gerne in der Öffentlichkeit gibt. Bei längerer Betrachtung entpuppen sich seine Bilder jedoch als so virtuos wie empfindsam. Dieser Künstler schont sich auch selbst nicht, wenn er die Veränderungen seines Körpers auf der Leinwand thematisiert. Baselitz hängt 80 eigene Arbeiten zwischen 40 Altmeister-Gemälde der Haussammlung. Das allen gemeinsame Thema ist der Akt.
Wer doch eher nach einer dezidiert feministischen Position sucht, wird vom 11.3. bis 6.8. im Düsseldorfer K21 bei der Ausstellung von Konzeptkünstlerin Jenny Holzer fündig. Aus den Buchstaben ihrer Poster und Steintafeln lassen sich seit 1977 prägnante Denkanstöße zu Themen wie Krieg, Despotismus oder Geschlechterungerechtigkeit herauslesen. „Anständigkeit ist relativ“ lautet einer ihrer berühmten „Truisms“. So wahr!
Hier geht’s zu Teil 2 der Ausstellungsvorschau 2023.