Was gibt es im Jahr 2023 zu sehen? Dies sind die Kunstausstellungen, auf die wir uns besonders freuen. Teil 2: April bis Juni
Von
28.12.2022
/
Erschienen in
WELTKUNST Nr. 208
Mit Ecken und Kanten kennt sich Franziska Holstein bestens aus. In ihren Bildern kombiniert die 1978 in Leipzig geborene Malerin geometrische Figuren frei nach dem bildimmanenten Rhythmus von Form und Farbe. Im Von der Heydt Museum in Wuppertal kann man sich vom 1.4. bis 24.9. davon überzeugen, wie die abstrakte Kunst eine spannende Neuauflage erfährt.
Apropos Abstraktion: Wer hat die eigentlich erfunden? Oft hört man den Namen Wassily Kandinsky, aber in letzter Zeit setzt sich die Erkenntnis durch, dass es wohl doch eine Frau war, die im Rennen vorne lag. 1906 warf die Schwedin Hilma af Klint in ersten Werken Figuren und Erzählung über Bord. Der Holländer Piet Mondrian malte zu der Zeit noch ganz figurativ Bäume und Windmühlen. Was die Tate Modern in London nicht daran hindert, vom 20.4. bis 3.9. mit Hilma af Klint & Piet Mondrian zwei frühe abstrakte Positionen gemeinsam zu zeigen.
Bäume wiederum sind ein wichtiges Motiv in den wundervollen Landschaftsgemälden von David Hockney. Den Jahreszeitenwechsel in seiner zweiten Heimat stellt der Engländer in seinem 90 Meter langen iPad-Gemälde „A Year in Normandy“ dar, das vom 3.4. bis 16.7. im Museum Würth in Künzelsau seine Zauberkraft entfaltet.
Ob ausgerechnet der malende Moralapostel William Hogarth, der das ausschweifende Leben im 18. Jahrhundert kritisierte, als Gewährsmann für eine Schau von Karl Lagerfeld taugt? Jedenfalls lieferte Hogarth mit seiner Theorie einer „Line of Beauty“ den Untertitel für eine Ausstellung mit Kostümen und Zeichnungen des 2019 verstorbenen Modeschöpfers, die vom 5.5. bis 16.7. im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen ist. Die Kuratoren haben die bei Hogarth erwähnte s-förmige Linie der Schönheit in Lagerfelds Entwürfen entdeckt. Neben einer moderneren geraden Linie, freilich. Die auch sehr hübsch ist.
Die gesprühten Linien der New Yorker Graffiti-Szene hingegen inspirierten einen der berühmtesten Künstler der Achtzigerjahre: Keith Haring. Art is for Everybody titelt das Museum The Broad in Los Angeles vom 27.5. bis 8.10., denn in den coolen Eighties waren die wimmelnden Strichmännchenbilder des Malers wirklich überall zu sehen, in U-Bahnhöfen ebenso wie in teuren Galerien. Demokratisch und knallbunt: Wir brauchen Harings Universum der Fröhlichkeit heute mehr denn je!
Kompliziert verflochtene Linien und Formen werden bei Jan Pleitner zu wahren Farbstrudeln: Der in Düsseldorf lebende Künstler will eine begehbare abstrakte Malerei schaffen, was vom 6.5. bis 17.9. nicht nur im Inneren der Kunsthalle Emden, sondern auch in deren Außenbereich zu erleben ist.
Als sich die Kriegsreporterin Lee Miller im April 1945 in der Badewanne von Adolf Hitler ablichten ließ, entstand ein elegantes Symbolbild für den Sieg über den Faschismus. Die Amerikanerin war vor allem selbst eine talentierte Fotografin, wie das Bucerius Kunst Forum in Hamburg vom 10.6. bis 24.9. mit rund 150 Aufnahmen beweist. Millers Karriere bewegte sich zwischen Surrealismus, Bildern aus dem Krieg und Porträtfotografien.
Ein Krieg dominiert derzeit auch wieder das Leben im Osten Europas. Das Kölner Museum Ludwig befragt daher vom 3.6. bis 24.9. einen Schwerpunkt seiner Sammlung – die Russische Avantgarde – nach deren Wurzeln in der Ukrainischen Moderne. So wurde etwa Kasimir Malewitsch in Kiew geboren. Vom dortigen Nationalmuseum kommen auch viele Leihgaben nach Köln. Eine junge Nation rückt durch diese Aufarbeitung stärker in den Fokus der Kunstgeschichte.
Garantiert krisenfrei ist die Ausstellung „Zeitlos schön“. Tapeten der Jahrhundertwende in den Kunstsammlungen Chemnitz vom 24.6. bis 24.9., die zum ersten Mal den umfangreichen Wanddekorationsbestand der Institution dem Publikum präsentiert. Beim Betrachten des „Pfauen und Pfingstrosen Fries“ aus dem Jahr 1917 denkt man augenblicklich über die Neueinrichtung seines Lebens nach.
Hier geht’s zu Teil 1 und hier zu Teil 3 der Ausstellungsvorschau 2023.