Ausstellungsvorschau

Die besten Ausstellungen 2023: Teil 4

Was gibt es im Jahr 2023 zu sehen? Dies sind die Kunstausstellungen, auf die wir uns besonders freuen. Teil 4: Oktober bis Dezember

Von Tim Ackermann
06.01.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 208

Oktober: Philip Guston in London und William Turner in München

Kaum zu glauben: Weil einige Museumsdirektoren Angst vor Reaktionen auf Philip Gustons satirische Bilder von Gestalten in Ku-Klux-Klan-Hauben hatten, wollten sie die Retrospektive des Malers verschieben. Ein Kurator der Tate, der die Entscheidung kritisierte, verließ bald das Museum. Die unrühmliche Posse findet ein halbwegs gutes Ende, da wir Phillip Guston doch noch vom 5.10. bis 25.2.2024 in der Tate Modern in London nun selbst bewerten dürfen.

Guston war für die Mitte des 20. Jahrhunderts ein malerischer Sonderfall – so wie der Engländer William Turner in seiner Zeit. Ihm gelang es hundert Jahre zuvor auf geniale Weise, Sturm und Regen auf der Leinwand einzufangen. Das Lenbachhaus in München zeigt Turner vom 28.10. bis 10.3.2024 mit vielen Leihgaben der Tate Britain.

Turner besuchte auch Venedig – und dürfte dort ein interessiertes Auge auf die Werke der großen Vorgänger wie Bellini oder Tizian geworfen haben. Diese sind in der Münchner Alten Pinakothek vom 27.10. bis 4.2.2024 in der Schau „Colore e Sentimento: Porträt- und Landschaftsmalerei im Venedig der Renaissance“ versammelt.

Philip Gustons Painting, Smoking, Eating
Simple Freuden: Philip Gustons „Painting, Smoking, Eating“ (1973). © The Estate of Philip Guston / Stedelijk Museum, Amsterdam

November: Radikale Aufbruchsstimmung und archetypische Männer

Das Labor der französischen Moderne war eine Bruchbude: Im Bateau-Lavoir auf dem Pariser Montmartre-Hügel malten Pablo Picasso, Kees van Dongen oder Amadeo Modigliani und ließen sich dabei von Schriftstellern wie Guillaume Appolinaire begutachten. Als kleines Trostpflaster für alle Zuspätgeborenen wird die radikale Aufbruchsstimmung in der Schau „Le Paris des modernes 1905–1925“ des Petit Palais in Paris vom 14.11. bis 14.4.2024 noch einmal spürbar.

Andere Zeit, andere Stadt. Auch Augsburg war einst ein Epizentrum der Kunst, wie das Frankfurter Städel Museum in der Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ vom 2.11. bis 18.2.2024 zu erzählen weiß. Albrecht Dürer entwarf in der Fuggerstadt eine Grabkapelle, aber vor allem Hans Holbein d. Ä. und Hans Burgkmaier schufen hier bedeutende Werke der Epoche.

Ohne konkreten Zeitbezug existieren die Holzskulpturen von Stephan Balkenhol: Wenn seine archetypischen Männer mit weißem Hemd und schwarzer Hose und seine Frauen in Sommerkleidern vom 10.11. bis 2.6.2024 die mythologischen Darstellungen in Altmeister-Gemälden des Museums Wiesbaden besichtigen, dann lässt sich erkennen, dass die Helden von heute eher unscheinbar sind.

Kees van Dongen Joséphine Baker au Bal Nègre
„Joséphine Baker au Bal Nègre“, gesehen 1925 von Kees van Dongen. © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Dezember: Unterkühlte Romantik und Kunst der Störung

Der „Wanderer über dem Nebelmeer“ schaut schon mehr als zwei Jahrhunderte ins Ungewisse. Mit Caspar David Friedrich erblickte 1774 der wohl tiefgründigste aller malenden Romantiker die Welt. Im Vorfeld seines 250. Geburtstags zeigt die Hamburger Kunsthalle über 100 Gemälde und Zeichnungen des Meisters. Vom 15.12. bis 1.4.2024 regt neben dem „Wanderer“ natürlich das ebenso berühmte „Eismeer“ zum Nachdenken an.

Das Spirituelle in der Natur sahen auch die namenlosen Künstlerinnen und Künstler, die Urformen: Die figürliche Eiszeitkunst Europas schufen. Objekte wie ein Löwenköpfchen aus Elfenbein erzählen vom 15.12. bis 5.5.2024 im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart von der faszinierenden Lebenswelt vor rund 40000 Jahren.

Um Technik geht es dagegen in der letzten Empfehlung: „Glitch. Die Kunst der Störung“ feiert vom 1.12. bis 17.3.2024 das kreative Potenzial des Aussetzers im Systemablauf. Die Pinakothek der Moderne in München würdigt die kunstvolle Panne in Multimediawerken von Joan Jonas, Nam June Paik oder Pipilotti Rist. Eine Schau, viel zu schön für den Reset-Button!

Caspar David Friedrich Das Eismeer
Unterkühlte Romantik in Caspar David Friedrichs „Das Eismeer“ (1823/1824). © Hamburger Kunsthalle / bpk / Elke Walford

Hier geht’s zu Teil 1Teil 2 und Teil 3 der Ausstellungsvorschau 2023.

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