Georg Ludwig Friedrich Laves

Stardesigner des Königs

Der Architekt Georg Ludwig Friedrich Laves schuf das klassizistische Hannover. Jetzt beleuchtet eine Ausstellung erstmals seine Möbel

Von Sabine Spindler
20.02.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 209

Der junge Baumeister brachte endlich Glanz nach Hannover. Prachtbauten, Konzertsäle mit kassettiertem Tonnengewölbe entstanden. Und das barocke Schlösschen Herrenhausen wurde durch Georg Ludwig Friedrich Laves (1788–1864) zu einer Sommerresidenz, in die der Geist der Antike einzog. Vielleicht träumte er von einem London an der Leine, als er 1814 mit nur 28 Jahren zum Hofarchitekten dieser Stadt berufen wurde. Hannover war gerade zum Königreich ernannt und unterstand der englischen Krone. Große Schneisen mit klassizistischen Palästen und einem Schloss im palladianischen Stil schwebten dem Talent aus Kassel vor; sie wurden aber nicht realisiert. Im Gepäck nach Hannover hatte Laves auch Ideenskizzen für Raumausstattungen und Möbel. Sie wurden das gestalterische Fundament für ein bedeutendes, bis heute unterschätztes Möbelwerk des Klassizismus. Die Ausstellung unter dem Motto „Ein Hofarchitekt entwirft Möbel“ im Museum August Kestner in Hannover führt es jetzt erstmals mit ausgewählten Exemplaren vor Augen.

Wie auf Laufstegen reihen sich in der Schau Stühle, Armlehnsessel, Kommoden und Bücherschränke und Spiegel aneinander, die man heute noch den wichtigsten Bauten Laves zuordnen kann. Königsmacht demonstriert ein majestätischer Armlehnstuhl mit geflügelten Löwenköpfen unter der Armstütze, den Laves für den Coursaal des Leineschlosses entworfen hatte. Daneben eine weiß gefasste und eher sittsam mit goldenen Rosetten und Dekor verzierte Salongarnitur aus dem Palais an der Leinstraße, das einst Adolf Friedrich Herzog von Cambridge und bis 1851 König Ernst August von Hannover als Wohn- und Geschäftsstätte diente.

Spiegel Laves Hannover Ausstellung
Der Spiegel aus vergoldetem Holz wird Laves zugeschrieben. © Historisches Museum Hannover, Foto: Christian Rose

Laves schöpfte aus einem reichen Repertoire an Formen und Ornamenten. Seine Möbel bewegten sich zwischen Repräsentationsauftrag und dem persönlichen Glauben an das klassizistische Regelwerk der Schönheit. Prachtvolles Empire steht Stücken mit streng architektonischen Strukturen und ganz einfachen Entwürfen gegenüber. Palmettenfriese, Rosetten, Blattornamente und plastisch gearbeitete Schwanenmotive in den Spiegelfüllungen waren Basiselemente des gestalterischen Setzkastens. Bis zum Ende seiner Tätigkeit um 1850, als Neogotik und Neubarock als Avantgarde galt, blieb Laves ein unerschütterlicher Klassizist. Seine Zeit am Kasseler Hof des von Napoleon installierten Königs Jérôme wirkte nach.

Das hieß aber nicht, dass Laves sich neuen Strömungen verschloss. Englische Möbel, die er auf Dienstreisen in London sah, inspirierten ihn. Und 1832 zog es ihn auch nach Berlin zu Karl Friedrich Schinkels gloriosen Raumausstattungen. Als Laves dort die Palais der Prinzen Karl und August besuchte, quetschte er winzige Skizzen von Mittelfußtischchen, Parkettmustern, Konsolen und Treppengeländern auf ein einziges Blatt seines Notizbuches. Ein paar Tage später kopierte er im Büro von Schinkel Möbelentwürfe des Berliners, die er später in Hannover modifizierte. Das war eine tiefe Verbeugung vor Schinkel, den er vielleicht um einen Auftraggeber wie Kronprinz Friedrich Wilhelm beneidete, der im Park von Sanssouci ein Potsdamer Arkadien anstrebte.

Schinkel und Laves verband nicht nur ihr Interesse an antikischen Formen. Beide standen im höfischen Dienst, beide hatten den Nimbus eines Stararchitekten. Wer in Hannover zur Hautevolee gehörte, ließ sich von Laves ein Statement setzen, wie etwa der Oberhofmarschall Georg Graf von Wangenheim. Noch heute ist die Fassade von dessen Palais am Friedrichswall ein Zeugnis für den klaren, klassischen Architekturstil Laves’. Vom Inneren hat der Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs nicht viel übrig gelassen. Es muss eines der gelungensten Raumausstattungen Laves gewesen sein.

Zwei hohe Bücherschränke aus dem Wangenheim-Ensemble demonstrieren in der Ausstellung Laves’ Stil: schlicht, puristisch, wie ein antikisches Monument. Als einziger Schmuck leuchtet unter dem leicht hervorkragenden Gesims ein goldfarbener Ornamentfries. Edel und zugleich dezent gestaltete Laves das halbrunde Arbeitszimmer des Staatsdieners, wovon leider nur noch ein Aquarell von 1843 zeugt. Schwungvoll mit ausschweifenden Säbelbeinen steht ein Mahagonisessel mit stilisierten Schwanen-Armstützen vor einem streng gegliederten Schreibtisch mit spitz zulaufenden Beinen sowie Blatt- und Rosettenbeschlägen – die Wände mit chamoisfarbener Seide bespannt, die Draperien dunkelblau und in der runden Nische ein blauer Diwan mit einem Bronzetischchen in Form einer antiken Feuerschale. Die höfischen Repräsentationsnormen des Spätempire musste Laves hier nicht befolgen, es ging um die Noblesse des Einfachen.

Kastensofa Laves
Kastensofa mit Beschlägen aus Messing und vergoldeter Bronze, um 1820/40 von Laves entworfen. © Historisches Museum Hannover, Foto: Christian Rose

Das Einfache bevorzugte der Architekt auch in seinem eigenen Haus. Ein biedermeierlicher Esszimmerstuhl mit einem Sprossen-X in der Rückenlehne, ein halbhoher Bücherschrank mit dem gleichen Motiv in den Feldern der Glastür, ein einfacher vergoldeter Rahmenspiegel mit applizierten Ornamenten im Sockel und im Architrav sprechen dafür, dass Laves nicht das Extravagante brauchte, um als Entwerfer zu überzeugen. Mit kleinen Attributen konnte er den Charakter eines Stücks von einfach auf repräsentativ trimmen. Bestes Beispiel dafür ist die Präsentation von zwei identischen Kastensofas. Für seinen eigenen Salon hat er die pfeilerartigen Frontstützen dezent mit geschnitztem, dunkel gebeiztem Palmettendekor appliziert. Für einen Auftraggeber hat er dem Modell mit vergoldeten Bronzebeschlägen etwas mehr Pomp verpasst.

Dass diese Ausstellung zustande kam, ist wohl vor allem das Verdienst des Möbelforschers Thomas Dann. Dreißig Jahre lang hat er Material gesammelt, bei den Nachfahren des Architekten, bei niedersächsischen Adelsfamilien und in Archiven recherchiert. Sein Begleitbuch zur Ausstellung bildet neben den jetzt gezeigten Exponaten zahlreiche Möbel in Privatbesitz ab, zudem Hunderte von Entwürfen und Skizzen des Architekten sowie alte Fotodokumente. All dies macht deutlich: Die Ausstellung ist nur die Spitze des Laves-Eisbergs.

Service

Ausstellung

„G. L. F. Laves – ein Hofarchitekt entwirft Möbel“,

bis 26. März,

Museum August Kestner, Hannover

hannover.de/museum-august-kestner

 

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