Im Münchner Museum Brandhorst eröffnet eine große Ausstellung der Malerin Nicole Eisenman. Zu sehen ist auch ihr rätselhaftes Gemälde „Coping“ aus dem Jahr 2008
ShareIst es einfach Gelassenheit oder doch Fatalismus? In einem Bild der Künstlerin Nicole Eisenman aus dem Jahr 2008 stapfen vereinzelte Gestalten ungerührt durch eine braune Soße, die ihre Unterleiber umspült. Man könnte sich an eine Naturkatastrophe erinnert fühlen, so wie sie im Sommer 2021 durchs Ahrtal fegte und 134 Menschen in den Tod riss. Doch da in Eisenmans Bild niemand panisch oder verzweifelt reagiert, kann man davon ausgehen, dass der Schlamm der hier über die Knöchel gestiegen ist, eher metaphorisch als real gemeint ist. „Coping“ lautet der Titel des Werks, was „bewältigen“ bedeutet, im Sinne eines Aushaltens, Ertragens oder Zurechtkommens. Gegen den braunen Morast des Alltags, der gefühlt immer schwerer an den Füßen zieht, kämpft jeder und jede allein mit einer individuellen Bewältigungsstrategie: Ein Mann raucht Zigarette, ein anderer hält sich an seinem Coffee-to-go fest. Eine Frau hat einen kleinen Hund auf dem Arm, eine zweite ein Kind und eine dritte traut sich gar nicht erst aus dem Haus. Ganz im Gegensatz zur Gruppe, die ungerührt im Hintergrund bechert. Hätte Eisenman ihr Werk ein paar Jahre später gemalt, hätten viele der Darstellten Smartphones in den Händen – so wie bei ihrem Bild „Selfie“ von 2014, in dem ein auf dem Bett liegender Comic-Zyklop sein zweites Auge in der Spiegelung seines Handydisplays findet. Es geht bei dieser Künstlerin immer um die Frage, wie Menschen auf ihr Lebensumwelt reagieren, und als queere Mutter in New York hat sich die 1965 im französischen Verdun geborene Eisenman oft genug als feinfühlig bis prophetisch gegenüber dem Zeitgeist erwiesen. Ganz sicher wird der braune Schlamm irgendwann zurückgehen. Dann treffen wir uns wieder zur Party im grenzenlosen Biergarten.
Übrigens: Die große Einzelausstellung „What Happenend“ mit Bildern von Nicole Eisenman wird am 23. März im Museum Brandhorst, München, eröffnet. Die Schau ist bis zum 10. September zu sehen.