In diesem Monat entdecken wir das Lebenswerk von Charlotte Salomon in München, bewundern die Fotografien von William Eggleston in Berlin und widmen uns im Vitra Design Museum dem Garten von heute und morgen
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03.04.2023
C/O Berlin, bis 4. Mai
Was für ein Skandal! Als William Eggleston 1976 die erste große Einzelausstellung als Fotograf, der mit Farbe arbeitete, im MoMA bekam, war das Publikum schockiert. Denn damals durfte künstlerische Fotografie nur in Schwarz-weiß stattfinden. Nun, knapp 50 Jahre später, würdigt das C/O Berlin den „Vater der Farbfotografie“ mit einer großen Überblicksausstellung, die sowohl seine Anfänge in der Schwarz-Weiß-Fotografie als auch seine ikonischen Farbbilder alltäglicher Situationen zeigt. Auf den ersten Blick erscheinen seine Kompositionen einfach, doch beim genaueren Hinsehen kommt ihre Komplexität zum Vorschein. Die um 1970 aufgenommene Straßenszene zeigt Egglestons fotografisches Geschick: Der linke Fuß des Mannes befindet sich knapp einen Zentimeter über dem Boden. In genau diesem Moment fahren gleichzeitig drei Autos durch das Bild. So bleibt das Erleben seiner Bilder stets ein Prozess voller Überraschungen.
Lehmbruck Museum, Duisburg, bis 20. August
Sie stach Löcher in ihre Skulpturen und revolutionierte die Kunst der Bildhauerei. Barbara Hepworth (1903–1975) gilt heute als Meisterin der Abstraktion. Ihre Arbeiten, ob mit Loch oder ohne, zeugen von ihrer Gabe, aus zeitlosen Materialen ebenso anthropomorph wie außerirdisch wirkende Kompositionen zu schaffen. Dabei spielten ihre Naturverbundenheit sowie ihre humanistische Weltansicht eine tragende Rolle. Die Arbeit „Große und kleine Form“ aus dem Jahr 1934 ist nicht nur zum Anfassen schön, sondern strahlt durch ihre Rundungen eine angenehme Ruhe aus. Die Skulpturen der britischen Bildhauerin stehen beispielhaft für die Befreiung der Form. Die Ausstellung im Lehmbruck Museum beleuchtet auch ihre Verbindung zu zeitgenössischen Kunstschaffenden wie Claudia Comte, Julian Charrière und Nevin Aladağ.
Vitra Design Museum, Weil am Rhein, bis 3. Oktober
Wer sich für Gestaltung interessiert, kommt am Vitra Design Museum nicht vorbei. Gegründet als Privatmuseum der Möbelfirma Vitra, hat sich in Weil am Rhein ein ganzer Kosmos rund um Architektur und Design entwickelt – inklusive eines opulenten Parks des niederländischen Gartenpioniers Piet Oudolf. Nun widmet sich pünktlich zum Frühlingsbeginn eine große Ausstellung dem Gestalten mit der Natur und stellt wichtige Fragen: Wozu dient uns heute ein Garten? Was lernen wir darin über die Art, wie wir leben wollen? Tragen Gärten gar zu Demokratie und sozialer Gerechtigkeit bei? Kuratiert von Viviane Stappmanns und Marten Kuijpers und ausgestattet vom Designerduo Formafantasma, führt uns die Schau in Derek Jarmans grüne Oase neben einem Atomkraftwerk, erinnert an die Idee der Gartenstadt und der Green Guerilla und präsentiert begrünte Hochhäuser in den Megastädten Südostasiens. Auch für Besuchende ohne grünen Daumen eine Inspiration!
Fondation Louis Vuitton, Paris, bis 28. August
„Ich habe Bruno Bischofberger getroffen – Taxi 7,50 Dollar“, notiert Andy Warhol im Oktober 1984 in sein Tagebuch. „Er hat Jean-Michael Basquiat mitgebracht. Er ist dieser Junge, der sich Samo nannte, als er in Greenwich Village auf dem Bürgersteig saß und T-Shirts bemalte. Ich gab ihm hier und da 10 Dollar. Er war eines dieser Kids, die mich in den Wahnsinn trieben.“ Aus dem Treffen Andy Warhols und Jean-Michael Basquiats entwickelt sich eine Zusammenarbeit, die einem künstlerischen Feuerwerk gleichkommt. In den Jahren 1984 bis 1985 schaffen die Künstler gemeinsam rund 160 Gemälde, von denen einige ab dem 5. April in Paris zu sehen sind. „À Quatre Mains“, „vierhändig“, heißt die Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton, die mit Einzelwerken sowie Arbeiten anderer Künstlerinnen und Künstler wie Keith Haring, Jenny Holzer und Kenny Scharf ergänzt wird. Eine Reise in die lebendige Kunstszene des New Yorker Downtowns der 1980er Jahre.
Gemäldegalerie, Berlin, bis 16. Juli
Albrecht Dürer reiste im Sommer 1520 in die Niederlande und blieb dort acht Monate, traf alle wichtigen Künstler in Flandern und schaute sich auch intensiv die Meister des 15. Jahrhunderts an, die mit ihrem Realismus, mit einem ganz neuen Blick auf die Welt die Malerei revolutioniert hatten. Sehr begeistert war er von Hugo van der Goes, der dann Jahrhunderte fast vergessen war, bevor er erst zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg richtig wieder entdeckt wurde. Wie großartig dieser Maler war, ist jetzt in der Berliner Gemäldegalerie zu erleben, wo ihm zum ersten Mal überhaupt eine Ausstellung gewidmet. Dass sie zustande kam und von den nur rund 14 zugeschriebenen Gemälde zwölf zeigen kann, zudem die beiden einzigen erhaltenen Zeichnungen, ist eine echte Sensation. Der nur von 1467 bis zu seinem frühen Tod 1482/83 tätige Hugo schöpfte aus der neuartigen, sehr realistischen Sicht auf die Welt, mit der Jan van Eyck und Rogier van der Weyden einige Jahrzehnte zuvor die europäische Malerei revolutioniert hatten. Diese Sprache steigerte er nochmals, ja er trieb sie auf die Spitze. In den Gesichtern der biblischen Figuren spielen sich seelische Dramen ab, ihre Haut ist durchpulst, und noch niemand zuvor hatte so lebensechte Hände gemalt. Die Altarbilder werden zur Bühne, auf der Menschen so agieren, dass es uns unmittelbar berührt. Das muss man gesehen haben.
Lenbachhaus, München, bis 10. September
„Leben? Oder Theater?“, will die Künstlerin Charlotte Salomon wissen. Die Frage ist nicht nur Titel der Ausstellung, die seit dem 31. März im Münchner Lenbachhaus zu sehen ist, sondern auch das Lebenswerk der 1917 in Berlin geborenen Künstlerin. Innerhalb von zwei Jahren, vor ihrer Ermordung im Jahr 1943 im KZ in Auschwitz, schuf sie während ihrer Flucht von Berlin nach Südfrankreich das von ihr sogenannte „Singespiel“ – ein Konvolut an 769 Blättern, die in drei Akte eingeteilt sind und Zeichnungen, Textzeilen sowie szenische Anmerkungen in Gouache enthalten. Das künstlerische Werk erinnert an eine frühe Form von Graphic Novels und erzählt auf einzigartige Weise von Charlotte Salomons spannungsvollem Leben. Wer neugierig ist und die Ausstellung im Lenbachhaus nicht abwarten möchte, kann sich bereits jetzt schon online einen Blick in „Leben? Oder Theater“ verschaffen – inklusive musikalischer Untermalung!