Eine neue Ausstellung im Berliner Georg Kolbe Museum beleuchtet das facettenreiche Leben der Schauspielerin Tilla Durieux
ShareEine Frau, viele Gesichter: gefeierter Bühnenstar, moderne Frau der 1920er-Jahre, Untergrundkämpferin in Jugoslawien, Direktorin des Hotels Cristallo, Ehepartnerin dreier Männer, und die wohl meistporträtierte Frau ihrer Zeit. Auguste Renoir malt sie eben so wie die Künstler Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer, Max Slevogt und Franz von Stuck.
Tilla Durieux wird 1880 als Ottilie Helene Godeffroy in Wien geboren. Ihr Vater, der früh verstirbt, ist Professor für Chemie, ihre Mutter Pianistin. Durieux lässt sich gegen den Willen ihrer Mutter als Schauspielerin ausbilden und feiert im Jahr 1903 ihren Durchbruch in der Titelrolle von Oscar Wildes „Salome“. 1910 heiratet sie den Kunsthändler Paul Cassirer. Er ist ihr zweiter Ehemann, zuvor war sie mit dem Maler Eugen Spiro liiert. Cassirer und Durieux formen ein extravagantes Paar inmitten der pulsierenden Berliner Kulturszene. Viele der der Szene zugehörigen Künstler porträtieren Durieux später, manche im Auftrag von Cassirer. Durieux ist in ihrer Rolle als Modell unermüdlich –und das, obwohl sie nur ungern porträtiert wird.
Im Berliner Georg Kolbe Museum eröffnet morgen die in Kooperation mit dem Leopold Museum in Wien und der Berliner Akademie der Künste konzipierte Ausstellung „Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“, die rund zweihundert der Porträts zusammenbringt.
Übrigens: Die Fotografie ist Teil des Archives der Akademie der Künste und zeigt Durieux 1929 in der Rolle Anna Balbanowa in Bernhard Blumes „Treibjagd“ – mit einer lässig im Mundwinkel hängenden Zigarette und einem Glas Wein in der Hand. Nach der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933 flieht sie mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Unternehmer Ludwig Katzenellenbogen erst nach Prag, später in die Schweiz. Improvisationskünsterin ist sie auch im wahren Leben: In ihren Flüchtlingspass klebte Durieux dieses Foto.