Provokation hat Valie Export in ihrem Werk immer betrieben – und immer ein klares Ziel vor Augen gehabt. Selbstbestimmte Weiblichkeit lautet das Credo der 83-jährigen Künstlerin bis heute
Von
17.05.2023
Heute wäre Valie Export eine von vielen, die sich ein Tattoo stechen lassen. Vor fünfzig Jahren sah das etwas anders aus: Tätowieren war sozial sanktioniert, eine zweifelhafte Körpergestaltung für Matrosen oder Inhaftierte. Außerdem wählte die österreichische Künstlerin, die heute ihren 83. Geburtstag feiert, ein provokantes Motiv. Export ließ sich ein Strumpfband auf den linken Oberschenkel gravieren – Symbol für Männerfantasien und „Attribut einer von uns nicht selbstbestimmten Weiblichkeit“, wie sie die Absicht ihrer Serie „Body Sign Action“ von 1970 formulierte.
Es gab andere, auffälligere Aktionen. So das legendäre „Tapp- und Tastkino“ zwei Jahre zuvor, für das sich die Künstlerin einen Karton auf Höhe ihrer Brüste schnallte und Männer auf der Straße animierte, ins Dunkle zu greifen. 1969 führte sie ihren Partner Peter Weibel an einer Hundeleine durch Wien, um ihre eigene Emanzipation demonstrativ – und natürlich ironisch – in der Öffentlichkeit zu zeigen. All diese temporären Kunstwerke sind gut dokumentiert: es gibt Fotos, Beschreibungen und Interpretationen. Doch das Strumpfband ist ein bleibendes Motiv in jeder Hinsicht: Es markiert den Körper, erzählt von einem schmerzhaften Prozess und verbindet sich mit Export, die es nahezu täglich zu sehen bekommt.
Ob sie ihre Mission sonst vergessen hätte? Eigentlich undenkbar, denn Valie Export hat in ihrer Kunst nie etwas anderes gemacht als radikal die Freiheit der weiblichen Existenz einzufordern. Egal ob als Performerin, Videokünstlerin oder Professorin. Die Explosivität ihres Werks spürt man in ihrer aktuellen Soloschau im Fotomuseum Winterthur (bis 29. Mai), von denen zahlreiche Objekte Ende Juni in der Wiener Albertina weiterreisen. Es zündet bis heute – auch wenn Tattoos inzwischen zum Alltag gehören.