Die britische Künstlerin Daisy Ginsberg hat vor dem Naturkundemuseum in Berlin ein bienengerechtes Pflanzenkunstwerk angelegt – mithilfe von KI
Von
21.06.2023
Da stehen also zwei Dutzend Menschen staunend vor dem Naturkundemuseum Berlin. Statt der imposanten Fassade himmeln sie die Blümchen in den Rabatten an: keine gehobenen Blütenträume, die Nachbarn neidisch werden lassen. Es sind kleine, eher unscheinbare Gewächse wie der Bach-Nelkenwurz oder die blaue Gemeine Wegwarte.
Das Beet ist auch nicht fürs Auge gemacht, jedenfalls nicht für unseres. Wir dürfen gern zur Eröffnung von „Pollinator Pathmaker“ kommen, einer Intervention von Daisy Ginsberg. Die britische Künstlerin zielt mit ihrer KI-gestützten Arbeit jedoch zuallererst auf die Bedürfnisse von Blütenbestäubern. Könnten wir sehen, was ihnen ihr oculus compositus vermittelt, befänden wir uns in einem Paradies. Mit lauter Pflanzen, die fliegende Insekten satt machen.
Ginsbergs Ansatz ist ein emphatischer. Das Artensterben im Anthropozän nimmt sie nicht einfach hin, sondern begegnet ihm mit einem ambitionierten Plan. Er basiert ebenso auf wissenschaftlicher Expertise wie Algorithmen und Ginsbergs ästhetischen Vorstellungen. Heraus kam – neben begleitenden Zeichnungen – ein Pflanzplan als lebendes Kunstwerk, das in London bereits mehrfach installiert wurde. Nun vernetzt Ginsberg die dortigen Gärten von „Pollinator Pathmaker“ mit den bislang leeren Beeten vor dem Berliner Museum. 7000 ausgetopfte Schönheiten für Bienen und Hummeln – und für Menschen, die ihren Blick hier für das Zarte, Zurückhaltende schulen können.
Angestoßen und realisiert hat das Projekt die LAS Art Foundation. Sie initiiert auch eine Kampagne, die Ginsbergs Werk in Berliner Gärten weiterwachsen lassen soll. Unter www.pollinator.art lassen sich die Tools für den privaten Gebrauch abrufen. Parallel dazu bietet das Museum für Naturkunde in diesem Sommer ein interaktives Programm zu Thema an. Vielleicht schaut ja auch sein Direktor vorbei, um sich noch mehr zu sensibilisieren. Johannes Vogel lobte „Pollinator Pathmaker“ zur Eröffnung zwar über den Klee. Gleichzeitig sprach er jedoch davon, dass uns Kühe Milch und Bienen Honig „geben“. Aus der Perspektive jener Kreaturen stellt sich das möglicherweise etwas anders dar: Der Mensch nimmt seit Jahrhunderten. Hier kann er endlich etwas zurückgeben.