Bild des Tages

Ein deutsch-deutsches Lebenswerk

Wie kaum ein anderer deutscher Künstler steht der Liedermacher Wolf Biermann für die Welten in Ost und West. Eine große Ausstellung beleuchtet nun sein Wirken

Von Weltkunst News
06.07.2023

„Du, lass dich nicht verhärten / in dieser harten Zeit“, sang Wolf Biermann 1976 vor großem Publikum in der Kölner Sporthalle. „Du, laß dich nicht erschrecken / in dieser Schreckenszeit.“ In der DDR sollten Zeilen wie diese aus seinem Lied „Ermutigung“ von da an nicht mehr live zu hören sein. Der berühmte Liedermacher wurde ausgebürgert, die Fassade des sozialistischen Lands bekam erste tiefe Risse. Der Rest ist Geschichte.

Bis dahin war die Stasi sein steter Begleiter gewesen. Und seine Lider durfte er zwischenzeitlich nur noch in seiner Wohnung aufnehmen, was er auf dem Cover einer Platte 1968 transparent machte. „Die Stasi ist mein Eckermann“, ist eine weitere Zeile des Liedermachers in Anspielung auf Goethes alles notierenden Sekretär. Biermanns Stasi-Überwacher machte daraus „Die Stasi ist mein Henkersmann“. „Geheimdienstakten sind trübe Quellen“, sagt Raphael Gross. Der Präsident des Deutschen Historischen Museums in Berlin hat mit seinem Team einen genauen Blick auf Biermann geworfen. Mit der Ausstellung „Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland“ erzählen sie ein großes Stück deutsch-deutscher Geschichte anhand der Biografie des 86-Jährigen.

Dafür konnte das Museum nach Angaben vom Mittwoch nicht nur auf umfangreiche eigene Bestände zurückgreifen. Von den 281 Objekten stammt ein großer Teil aus dem riesigen Vorlass, den Biermann vor zwei Jahren der Staatsbibliothek Berlin überlassen hatte. Hinzu kommen Objekte aus dem privaten Besitz von Wolf und Pamela Biermann.

Zur Eröffnung am Abend lässt sich Biermann einen kleinen Auftritt nicht nehmen. „Man muss mich eher bitten, nicht zu singen“, sagt er. Seine Lieder singt Biermann im voll besetzten Foyer des Museums, unter den begeistert Lauschenden auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und viele Menschen, die irgendwie einen der zahlreichen Wege Biermanns kreuzten.

„Wenn man das Lied hört, braucht man die Ausstellung nicht zu sehen“, kündigt der Sänger seinen Song „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“ an. Und verbessert sich selbst sogleich: „Nein, es ergänzt wunderbar“. Die Ausstellung dreht sich um Leben und Schaffen des Lyrikers und Liedermachers und den Verbindungen zu den deutsch-deutschen Ereignissen. Der in Hamburg geborene Biermann war 1953 in die DDR übergesiedelt. Die Ausweisung 1976 und die daran anschließenden Proteste in der DDR gelten als politische Zäsur in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte.

Biermanns Leben und Wirken wurde mit Ausstellungen schon in Bonn und Leipzig gewürdigt. In Berlin wird das Stück Zeitgeschichte in acht Themenräumen erzählt. Ein gesonderter Bereich befasst sich in zahlreichen Beispielen damit, wie die Kunstkritik Lyrik und Lieder Biermanns wahrnahm.

Kuratorin Monika Boll und Projektleiterin Dorlis Blume nutzen in der Ausstellung als optische Aufhänger immer wieder markante Objekte – zum Beispiel das Harmonium vom Kölner Konzert 1976 oder den von der Stasi genutzten, massigen Karteischrank „Typ KG II“, vor dem sich ein Ordner findet mit Kopien aus Biermanns Stasi-Akte. Die Auseinandersetzungen um die Stasi-Hinterlassenschaften – Biermann setzte sich als einer der ersten für den Erhalt der Akten ein – wird an einem klumpigen Etwas deutlich: Kollermasse. Die mit Wasser vermengten Schnipsel der geschredderten Akten sind zum unförmigen Klumpen erstarrt.

An den jeweiligen Stationen sind die passenden Lieder des Sängers wie „Warte nicht auf bessre Zeiten“ oder die „Ballade vom preußischen Ikarus“ zu hören. Das Kölner Konzert kann komplett angeschaut werden.

Ein Konzertplakat von 1963 zeugt mit mehreren Aufklebern zu Verschiebungen und Absagen vom Hin und Her der DDR-Oberen beim Umgang mit dem Sänger. Biermann passte eigentlich gut ins DDR-Konzept: Marxist aus dem Westen in den Osten gekommen, Vater ein von den Nazis ermordeter Kommunist. Doch der als politischer Künstler gefeierte Mann ließ den Verantwortlichen mit seinem Freiheitsdrang keine Ruhe. Nach der Ausbürgerung in den Westen änderte sich das kaum. Was dazu auch in der Ausstellung zu sehen ist, fasst Kuratorin Boll so zusammen: „Sobald er auftritt, gibt es Ärger.“

Übrigens: Die Ausstellung „Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland“ läuft vom 7. Juli bis 14. Januar im Deutschen Historischen Museum in Berlin. (dpa/Weltkunst News)

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