Ausstellungstipps

Die schönsten Ausstellungen im September

In diesem Spätsommer freuen wir uns über Grace Weaver im Neuen Museum Nürnberg, Daniel Richter in Tübingen und Kunstschaffende im Reisefieber

Von Tim Ackermann
31.08.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 217

Grace Weaver

Neues Museum Nürnberg, bis 16. Juni 2024

Wird die junge Frau in Grace Weavers Bild „#3 (Girl in Yellow Dress)“ von 2019 von zwei Wolken verfolgt, oder enteilt sie uns absichtlich und hinterlässt nur zwei leere Gedankenblasen? Die 1989 geborene New Yorkerin malt bevorzugt Großstädterinnen beim Joggen oder Autofahren mit coffee to go – und trotz der Alltagssituationen bleiben die farbenfrohen, zeitgemäßen Bilder immer ein Stück mysteriös und rätselhaft.

Grace Weaver #3 Girl in Yellow Dress
Grace Weaver, „#3 (Girl in Yellow Dress)“ von 2019. © Courtesy die Künstlerin und Soy Capitán / Courtesy Sammlung Stadler, München

Künstler auf Reisen

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, bis 8. Oktober

Für einen Perspektivwechsel an einen anderen Ort gehen: Die Mobilität, die uns heute besonders in der Kunstwelt gang und gäbe erscheint, gab es – im geringeren Ausmaß – schon früher. Die Dresdner Schau vereint über 100 Werke von Kunstschaffenden seit der Renaissance, die vom Reisefieber gepackt waren: Ohne Albrecht Dürers Italien-Abstecher 1494/1495 etwa wäre die Entwicklung der deutschen Kunst anders verlaufen. Und Maria Sibylla Merian reiste Ende des 17. Jahrhunderts sogar über den Atlantik bis nach Surinam.

Sibylla Merian Südamerikanische fußlose Eidechse, Leguan oder ostindische Baumeidechse und Seenadel
Sibylla Merian, „Südamerikanische fußlose Eidechse, Leguan oder ostindische Baumeidechse und Seenadel“, nach 1701. © Städel Museum, Frankfurt am Main

Sensation Sehen

Wallraf-Richartz-Museum, Köln, 8. September bis 28. April 2024

Genau hinzuschauen war zweifellos sehr wichtig im Impressionismus und seinen unmittelbar nachfolgenden Stilen. Denn die Lichteffekte in der Natur transportierten sich damals über das Auge praktisch in Echtzeit in die Malerei. Wenn nun das Kölner Wallraf-Richartz-Museum die Werke von Monet, Morisot oder van Gogh neben Schauinstrumenten aus der Epoche zeigt, dann ist das tatsächlich sehr erhellend. Denn die vor allem aus der Sammlung des Regisseurs Werner Nekes stammenden Kinematografen, Schattenspiele, Daumenkinos oder Einschubbilder einer Laterna Magica erzählen davon, dass die „Sensation des Sehens“ stets die täuschende Illusion als Kehrseite hatte.

Sarah Lucas

Tate Britain, London, 28. September bis 14. Januar 2024

Alte Strumpfhosen, Spiegeleier oder ausgedrückte Zigarettenkippen: Das waren die passenden Materialien, mit denen Sarah Lucas die neurotischhedonistische Stimmung vor der Jahrtausendwende in Skulpturen übersetzte. Die Künstlerin aus der englischen Arbeiterklasse reflektierte zudem den voyeuristischen Macho-Blick auf den weiblichen Körper in Laserstrahlhärte auf männliche Betrachter zurück. Und genau dieser selbstbewusste Punkspirit ist der Grund, weshalb Werke wie „Pauline Bunny“ (1997) heute noch so frisch und inhaltlich relevant wirken.

Sarah Lucas Pauline Bunny
Sarah Lucas, „Pauline Bunny“, 1997. © Sarah Lucas / Tate Britain, London

Daniel Richter

Kunsthalle Tübingen, bis 3. Oktober

Das Tolle an Daniel Richter ist ja auch, dass er seine Malerei eloquent begründen kann. Deshalb sind die 3 Euro für den Audioguide der retrospektiv angelegten Ausstellung in Tübingen gut investiert. Der Künstler erläutert Hintergründe zu einigen gezeigten Bildern und hat dazu immer einen passenden Song ausgewählt. Wer hätte etwa gedacht, dass die in einem Werk abgebildeten Porzellanpuppenköpfe mit einer frühen Sammelleidenschaft des einstigen Punks zusammenhängen? Trotz einiger humorvoller Anekdoten ist letztlich nicht zu übersehen, dass der scharfsinnige Richter die heutige Zerrissenheit der Gesellschaft schon um 2000 antizipierte, als er sich mit Bildern wie „Kein Gespenst geht um“ (2002) ganz der figurativen Malerei zuwandte.

Ed Ruscha

Museum of Modern Art, New York, 10. September bis 13. Januar 2024

Unter den Pop-Künstlern der amerikanischen Westküste darf Ed Ruscha heute als der große Klassiker gelten. Schon deshalb, weil er für seine Künstlerbücher nicht nur neun Swimmingpools, sondern auch 26 Tankstellen und 34 Parkplätze fotografierte. Viele seiner Werke transportieren eben das kalifornische Lebensgefühl, on the road zu sein: Seine monumentalen Wortbilder erinnern an Billboards am Straßenrand. Andere Malereien nehmen ebenfalls die Motive des endlosen Highways auf, so wie „Standard Station, Ten-Cent Western Being Torn in Half“ (1964). Mit seiner über 200 Werke umfassenden Retrospektive, die auch weniger bekanntere Seiten zeigt, führt der Karriereweg den 85-Jährigen jetzt in einen der wichtigsten Kunsttempel der Ostküste.

Ed Ruscha Standard Station, Ten-Cent Western Being Torn in Half
Ed Ruschas „Standard Station, Ten-Cent Western Being Torn in Half“, 1964. © Evie Marie Bishop / courtesy of the Modern Art Museum of Fort Worth / 2023 Edward Ruscha

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