In diesem Herbst freuen wir uns auf Nicolas de Staël in Paris, Marianne Berenhaut in Recklinghausen und Ragnar Kjartansson im dänischen Humlebæk
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29.09.2023
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 218
Musée d’Art Moderne de Paris, bis 21. Januar
Im weiten Feld der Kunst ließ sich Nicolas de Staël zwischen Figuration und Abstraktion nie exakt verorten. Und doch gibt es Landschaften und Regionen, deren Stimmungen das Werk des 1914 in Sankt Petersburg geborenen Malers offensichtlich beeinflusst haben. Ein Bild wie „Sicile“ (1954) wäre ohne das gleißende Sonnenlicht Süditaliens völlig anders geraten. Und auch seine Wahlheimat Frankreich hat de Staëls Farbpalette oft bestimmt. Das ist das Reizvolle an diesem Künstler: Dass man denkt, etwas Konkretes in seinen Arbeiten erkennen zu können, doch bei genauer Betrachtung bleiben es abstrakte Formen. Die Retrospektive in Paris versammelt rund 200 Werke dieses Bilderzauberers.
Kunsthalle Recklinghausen, bis 12. November
Es gibt noch immer viele Künstlerinnen, die lange vernachlässigt vom Markt- und Ausstellungsgeschehen arbeiten, bis sie erst im hohen Alter endlich Anerkennung finden und als Wiederentdeckung gefeiert werden. Das gilt etwa für Ruth Wolf-Rehfeldt oder für Etel Adnan und jetzt auch für die 89-jährige Marianne Berenhaut, der die Kunsthalle Recklinghausen eine Retrospektive widmet. Die Schau versammelt ihre skulpturalen Installationen aus mehr als 50 Jahren, spielerisch wirkende Arrangements aus objets trouvés wie alten Stühlen, Nylonstrümpfen oder Stoffen, in denen sanft das Gefühl von Verlust anklingt. Berenhaut hat als jüdisches Kind in Brüssel den Holocaust überlebt, eine Erfahrung, die sie nun in zwei großen neuen, site-spezifischen Arbeiten sichtbar macht.
Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, bis 22. Oktober
Ragnar Kjartansson hat eine unfehlbare Methode für seine Werke entdeckt. Der isländische Künstler zwingt Ereignisse in eine Wiederholungsschleife, bis das endlose Repetieren Bruchstellen erzeugt. So spielte für eine seiner Videoarbeiten die Band The National live und vor Publikum ihren Song „Sorrow“. Immer wieder aufs Neue, ansatzlos hintereinander. Sechs Stunden lang. Kjartanssons Film „A lot of Sorrow“ (2013–2014) erzeugt einen hypnotischen Sog, schärft aber auch den Blick für die Abweichungen im Ablauf. In „The Visitors“ (2012) hingegen beziehen einige Musikerfreunde eine alte Villa und bieten simultan ein langes Ständchen über die Sinnlosigkeit des Lebens dar. Kjartansson wählte für sich die Gitarre. Und die Badewanne.
Roentgen-Museum Neuwied, bis 12. November
Mit ihren Schreibschränken, Kommoden oder Verwandlungstischen prägten Abraham und David Roentgen den Look in den Palästen des 18. Jahrhunderts. Natürlich kunstschreinerten Vater und Sohn nicht allein in ihrer Manufaktur in Neuwied. Sie hatten Gehilfen, die zum Teil eigene Ideen einbrachten. Ehemalige Mitarbeiter wie etwa David Hacker, der später für König Friedrich Wilhelm II. in Berlin arbeitete, waren daher keine Epigonen sondern Künstler eigenen Ranges. Rund 40 Prunkmöbel aus dem Roentgen-Umfeld lassen sich nun vergleichend bewundern.
Schloss Charlottenburg, Berlin, bis 31. Oktober
Wer der kleine Junge war, der in Antoine Pesnes Bild „Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen im Gartenwagen mit schwarzem Diener“ (1711) den Schirm hält, kann diese Schau trotz Recherche nicht mit Gewissheit sagen. Bei anderen Schicksalen gelang die Zuordnung besser: Preußens Könige ließen sich in anderen Erdteilen kleine Kinder schenken oder kauften sie aus der Sklaverei „frei“, um sie zu taufen und später als Diener anzustellen. Dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hier ihre Sammlung auf die Schatten des Kolonialismus hin untersucht, ist ein wichtiger erster Schritt. Man würde nur gern detaillierter erfahren, wie genau preußischer Sklavenhandel den Glanz des Hofs finanzierte.
Kunstpalais Erlangen, bis 5. Mai
Als verlässlicher Ort für spannende Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst gilt das Kunstpalais Erlangen. Daneben besitzt das Haus – und das ist vielleicht nicht ganz so bekannt – eine tolle Sammlung. Deren Vielfalt kommt nun bei der Neupräsentation „High Five“ zur Geltung. Der Titelverweis auf den populären Abklatschgruß macht es deutlich: Über die gesamte Laufzeit werden in einem Rotationssystem regelmäßig neue Sammlungswerke an den Wänden begrüßt. Andere wandern dafür wieder ins Depot. Eine Schau „zum Kennenlernen, Weiterlieben und immer wieder neu entdecken“, so der Werbeslogan. Nun auf, also, mit offenem Herzen nach Erlangen!