Der iranische Künstler Mohsen Hazrati hat den diesjährigen VR-Kunstpreis gewonnen. Wir sprachen mit ihm über kulturelles Erbe in Zeiten von KI, den persischen Dichter Hafez und seine aktuelle Ausstellung im Berliner Haus am Lützowplatz
ShareIn Ihrer Arbeit verbinden Sie persische Mythologie mit neuster Technologie, um über die Zukunft nachzudenken. Warum haben Sie angefangen, mit Virtual Reality zu arbeiten?
Die Idee zu diesem Projekt geht auf das Jahr 2017 zurück, als ich die profunde Bedeutung der persischen Mythologie in unserer Kultur erkannte, ebenso wie ihre parallele Existenz in anderen Kulturen, die oft am Rande des Vergessens stehen. Mir wurde klar, dass es eine Möglichkeit gibt, ein Kunstwerk zu schaffen, das als Medium für die Bewahrung und Neuinterpretation dieser kulturellen Berührungspunkte dienen kann. Mithilfe von Computertechnologien wie Künstlicher Intelligenz, VR und AR wollte ich diese Tradition aufwerten und in der Sprache von heute wiedergeben. Insbesondere die Virtual Reality hat sich als ein wirkungsvolles Medium erwiesen, um eine immersive Erfahrung zu bieten, die die Essenz dieses kulturellen Erbes authentisch vermittelt.
Warum haben Sie ein Werk des berühmten persischen Dichters Hafez ausgewählt?
Ich habe das Buch ausgewählt, weil ich aus seiner Heimatstadt Schiraz stamme. Als ich am Grab von Hafez war, habe ich beobachtet, wie die Menschen in seinen Gedichten nach Antworten suchten. Sie bieten eine Vielzahl von Bedeutungen, die sie basierend auf ihren persönlichen Gefühlen, Wünschen und Sorgen interpretieren können. Auch wenn sich die Gedichte selbst nicht direkt mit der Zukunft befassen, lässt diese Dynamik der Interpretationen Raum zum Nachdenken über das, was vor uns liegt.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in Ihrer Arbeit? Sie haben ChatGPT benutzt, um den Besuchenden persönliche Prophezeiungen zu übermitteln. Wo haben Sie sonst noch von KI Gebrauch gemacht?
Es geht darum, wie wir „Künstliche Intelligenz“ definieren. Wenn wir unter KI die verschiedenen Plattformen verstehen, die für bestimmte Anforderungen entwickelt wurden, ist die Integration solcher Technologien in ein künstlerisches Projekt meines Erachtens eine Herausforderung. Es erfordert, das empfindliche Gleichgewicht zwischen der Einbeziehung von KI-Plattformen sowohl auf konzeptioneller als auch auf technischer Ebene zu finden.
Bei diesem Projekt habe ich zum Beispiel von Anfang an zahlreiche Algorithmen entwickelt, um die Gedichte zu analysieren. Dazu gehörten Aufgaben wie das Trennen von Sätzen, das Isolieren von Wörtern und Verbindungselementen sowie die Übersetzung dieser Elemente sowohl einzeln als auch gemeinsam in ASCII-Sprache. (Anm. der Redaktion: Die Abkürzung steht für American Standard Code for Information Interchange). Ich beschäftige mich auch mit Aufgaben wie der Bestimmung von Reimen und der Durchführung von Analysen wie Wort- und Zeichenzählungen sowie der Zusammenführung von ASCII-Dateien.
Außerdem habe ich Verbindungen zu Online-Wörterbüchern hergestellt, um die Bedeutungen bestimmter Wörter zu extrahieren und Sätze auf der Grundlage bestimmter Worteingaben von Satzplattformen zu generieren. Dieser Prozess verpackt ausgewählte Informationen, einschließlich des Namens der Person, dynamisch für die Interaktion mit ChatGPT. Es war wichtig, sicherzustellen, dass ChatGPT versteht, dass diese Daten in Übereinstimmung mit der Tradition der Zukunftserzählung, die in Hafez‘ Vermächtnis verwurzelt ist, verarbeitet werden sollten.
Wie lange brauchen Sie, um ein Metaversum zu schaffen, wie wir es in der Ausstellung im Berliner Haus am Lützowplatz (virtuell) betreten können?
Die Produktion, einschließlich Hardware und Software, hat etwa vier Monate gedauert. Ich habe auch einige bereits vorhandene 3D-Elemente und Codes aus früheren Projektinstallationen integriert, insbesondere die von mir seit 2020 entwickelten Algorithmen und KI-Tools.
Was wird mit Ihrem Werk „F5l Project [none-AI]“ nach dem Ende der Ausstellung geschehen? Wie lagert man ein Metaversum? Wird es in einem digitalen Archiv gespeichert?
Die Softwarekomponente des „FÃL Project [None-AI]“ wird als digitale Erfahrung erhalten bleiben. Da das Projekt auch physische Elemente beinhaltet, ist es wichtig, sich an die sich ständig weiterentwickelnden Technologien anzupassen. Es handelt sich um ein fortlaufendes Projekt und ich plane, es für zukünftige Ausstellungen und Erlebnisse kontinuierlich zu verbessern. Dazu gehört auch die Anpassung an Neuerungen bei Geräten und Hardware, ähnlich wie bei den Projekten, die ich mit frühen Modellen von Headsets ohne Tracking- und Steuerungsfunktionen durchgeführt habe.
„Unleashed Utopias. Künstlerische Spekulationen über Gegenwart und Zukunft im Metaverse“
VR KUNSTPREIS der DKB in Kooperation mit CAA Berlin
bis 5. November 2023