Ausstellungstipps

Die schönsten Ausstellungen im November

In diesem November freuen wir uns auf die poetischen Welten Füsun Onurs in Köln, in Berlin erinnert der Gropius Bau an die Gruppe General Idea, und das Folkwang Museum nimmt uns mit nach Paris

Von Tim Ackermann
31.10.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 220

GENERAL IDEA

Gropius Bau, Berlin, bis 14. Januar 2024

Drei große Pillenskulpturen und der überall auftauchende Schriftzug „Aids“ (in Anspielung an Robert Indianas Wortbild „Love“ von 1964) erinnern daran, dass zwei von drei Mitgliedern der queeren Künstlergruppe viel zu früh starben. Die prallvolle Schau bietet zudem visionäre Einfälle wie in Serie gemaltes Pudel-Kamasutra, Kuscheltier Robbenbabys auf Styroporplatten als Kommentar zum Artensterben oder Reflexionen zur Banalität des Bösen („Nazi Milk“ von 1979/1989). Vielleicht brauchen wir „General Idea“ heute mehr denn je!

„Nazi Milk“
„Nazi Milk“ aus der Ausstellung „General Idea“ 1979/1989). © Collection Gaby & Wilhelm Schürmann

FÜSUN ONUR

Museum Ludwig, Köln, bis 28. Januar 2024

Wie die Wellen des Meeres, so erstrahlen auch die Wand- und Deckenbehänge in Füsun Onurs Installation „Kontrapunkt mit Blumen“ aus dem Jahr 1982  in verschiedenen Schattierungen von Blau. Diese Farbe setzt die türkische Künstlerin immer wieder in ihren Arbeiten ein. Kein Wunder, hat sie doch lange und noch bis vor Kurzem in Istanbul in einem Haus direkt am Bosporus gelebt – das Wasser stets vor Augen. Man kann daraus schon erahnen, dass ihre Rauminstallationen, obwohl formal sehr reduziert, nie minimalistisch sind, sondern von eigenen Lebenserfahrungen durchdrungen. Die periphere Lage der Türkei im europäischen Kunstbetrieb hat Onurs Sichtbarkeit lange behindert. Jetzt richtet das Museum Ludwig der 85-Jährigen eine verdiente große Retrospektive aus.

Füsun Onur Museum Ludwig
Füsun Onurs Installation „Kontrapunkt mit Blumen“ 1982. © Füsun Onur / Murat Germen / Arter

FRITZ SCHLEIFER

Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin, bis 23. Dezember

Als echter Schatz hat sich ein Fund im Keller des Hamburgers Jan Schleifer entpuppt – denn das aufgefundene Paket enthielt 128 Vintage-Fotografien seines Vaters, des am Bauhaus geschulten Architekten und Künstlers Fritz Schleifer. Aufnahmen von Schleifer haben sich sonst nur wenige erhalten, und so ist die Auswahl von 48 Abzügen, die nun in Berlin präsentiert werden, auch die Chance, seine besondere Ästhetik wiederzuentdecken. Die Ausstellung „Küstenland“ zeigt, dass Schleifer als typischer „Bauhäusler“ großen Wert auf eine klare und moderne Bildsprache legte – selbst wenn er in Norddeutschland und Dänemark in den Dreißiger- und Vierzigerjahren so traditionelle Motive fotografierte wie die Reihen von Buhnen und reetgedeckte Häuser auf der Hallig Langeneß.

Fritz Schliefer
Die Ausstellung „Küstenland“, mit Werken von Fritz Schliefer, stellt vor alllem Norddeutsche (Küsten-)Landschaften dar. © Alferd Erhardt Stiftung

SÄCHSISCHES ZINN

Schloßbergmuseum, Chemnitz, bis 12. November

Als Tafelzierde genoss Geschirr aus Zinn über Jahrhunderte ein gutes Ansehen. Schimmerte es doch in der bürgerlichen Essstu- be ähnlich verlockend wie das edlere Silber des Adels. Natürlich war es preiswerteres Material. Trotzdem setzte etwa der Zinngießer Zacharias Junghans aus Chemnitz um 1660 seine ganze Kunstfertigkeit ein, als er auf einen Willkomm für die Leinweberinnung eine kleine Standartenträgerfigur setzte. Raffinesse strahlt auch das Salzgefäß in Schwanenform aus, das im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts einen unbekannten Urheber hatte. Mehr als 150 Objekte aus der eigenen Sammlung des Schloßbergmuseums glitzern hier um die Wette.

Salzgefäß in Schwanenform
Salzgefäß in Schwanenform aus dem 19. Jahrhundert © Schloßbergmuseum / Kunstsammlungen Chemnitz

ABY WARBURG

Uffizien, Florenz, bis 10. Dezember

Wo anders als in der Stadt, in der die Antike ihre zweite Geburt erlebte, hätte wohl Aby Warburg seine Thesen entwickeln können? Nach Florenz kam er 1888 als Student und dann von 1898 bis 1902 gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Mary Hertz. Das antike Erbe der Renaissance führte Warburg zur Idee der universalen Gebärde und später zu seinem Bilderatlas Mnemosyne. Aus diesem zeigen die Uffizien nun einen Auszug, wobei sie die Schautafeln sensationellerweise in die Säle mit den Originalwerken wie Sandro Botticellis „Judith mit dem Haupt des Holofernes“  (um 1470) hängen. Ein Kunsthistorikertraum!

Sandro Botticellis
Sandro Botticellis, „ Judith mit dem Haupt des Holoferners“, um 1470. © Gallerie degli Uffizi

MADE IN PARIS

Museum Folkwang, Essen, bis 7. Januar 2024

Der Mythos der Malermetropole ging durch die Welt – doch Paris war im 20. Jahrhundert auch ein Zentrum für die Herstellung von Künstlerbüchern und Grafiken. Bei den Spezialisten der Druckerei Lacourière entstand 1959 das von Picasso mit Aquatinta-Radierungen illustrierte Stierkampfbuch „La Tauromaquia“. Der Minotaure Mitbegründer Tériade ließ in Paris 1947 Matisse’ Künstlerbuch „Jazz“ in neuartiger Schablonentechnik produzieren. Und Verleger Gérald Cramer schlug Joan Miró die Bebilderung von Paul Éluards Gedichtband „A toute épreuve“ vor – ein Mammutprojekt, das in 80 Holzschnitten resultierte und von 1947 bis 1958 dauerte. Die Schau zeigt Druckwerke madein Paris bis in die Gegenwart und begleitende Malereien wie Mirós „Paysage“ (1924/1925).

Joan Miró
Joan Miró, „Paysage“, 1924/25. © Museum Folkwang, Essen / Successio Miró

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