Auf Mallorca lässt sich nicht nur der Sommer wunderbar verlängern, sondern auch ein Kunstherbst erleben
SharePalma de Mallorca ist eine herrliche Stadt. Die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, der Reichtum der Baudenkmäler, der bis zurück in die Gotik geht, die Lage am Meer, die ganze Atmosphäre und die Lebensart. Und Palma ist mittlerweile auch ein Ort der Gegenwartskunst, der immer mehr zu bieten hat. Alljährlich im Herbst richtet Palma wie so viele Kunststädte so etwas wie ein Gallery Weekend aus. Es heißt „Nit de l’Art“, selbstbewusst auf Mallorquín: Nacht der Kunst. Tausende von Menschen strömen dann bis spät durch die Stadt und schauen sich die Ausstellungen in den Gallerien, Institutionen und temporären Orten an. Sammlerinnen und Sammler reisen an, es gibt ein VIP-Programm und vieles mehr.
Die diesjährige Nit de l’Art fand Ende September statt, aber da es auf Mallorca den ganzen Herbst über – wie überhaupt zu jeder Jahreszeit – sehr schön ist, tummeln sich immer noch viele Besucher auf der Insel. Ihnen allen sei der Besuch der Ausstellungen empfohlen, die ja nach der Eröffnung zur Nit de l’Art meist noch längere Zeit laufen. Wer dies tut, wird auf alle Fälle in die Galeria Pelaires landen, eine feste Instanz in Palma. Josep („Pep“) Pinya gründete sie 1969 und zeigte hier als Mallorcas Pionier der Moderne Werke von Picasso, Miró, Calder oder Tàpies. Neben einem spanischen Schwerpunkt ist das Programm international, auch die Berliner Rebecca Horn, Christian Jankowski und Frank Nitsche gehören dazu. Derzeit ist die erst 28-jährige portugiesische Künstlerin Inês Zenha in einer großen Präsentation zu sehen. Sie arbeitet in verschiedenen Medien, aber besonders ihre Gemälde schlagen mit ihren Bezügen zur alten Mythen, mediterranen Formen und auch picassoiden Reflexen in Bann. Manche Bilder sind in magisches Blau getaucht, andere glühen in fluoreszierenden Farben auf (bis 30. November).
Ebenfalls nicht versäumen darf man die Dependance der Berliner Galerie Kewenig. Sie ist seit bald vierzig Jahren international aktiv und renommiert. Die Gründerin Jule Kewenig zog sich 2004 nach Palma zurück und konnte bald darauf in einer gotischen Kapelle einen wunderbaren, charaktervollen Ausstellungsraum beziehen. Jetzt zeigt sie dort Gemälde des Berliner Künstlers Andi Fischer, der in einem sehr souveränen, expressiven, oft ungestüm, manchmal auch auf sehr eindringliche Weise kindlich wirkenden Stil mit der Kunstgeschichte kommunziert, vorzugsweise mit Dürer oder noch älterer mittelalterlicher Malerei. Bei Kewenig lässt er auf großen weißen Flächen Raben und Bergdohlen im Sturzflug herabsinken. Fischer spielt mit dem alten Klischee vom Unglücksraben, eine Anspielung auf die Krisen- und Endzeitstimmung, die uns alle angesichts der schrecklichen Krieg und der drohenden Klimakatastrophe heimsucht (bis 9. Dezember).
In Zusammenarbeit mit der balearischen Regionalregierung und der Stadt Palma realisierte Jule Kewenig zudem eine tolle Lichtinstallation von Pedro Cabrita Reis in der Llotja, der alten Seehandelsbörse aus dem 15. Jahrhundert. Der portugiesische Künstler bringt die Gewölbehalle mit minimalistischen Bodenleuchten auf sehr subtile Weise zum Strahlen (bis 18. Februar 2024). Und es lässt sich noch einiges mehr an lohnender Kunst entdecken. Etwa die Skulpturen der Belgierin Nadia Naveau in der Galería Fermay: Montagen aus konkreten wie stilisierten Erinnerungsstücken, deren Referenzen vom Barock bis in die Gegenwart reichen (bis 10. November). Eine schönere Kulisse, als Palma sie bietet, lässt sich für solche Kunstspaziergänge kaum denken.