Es begann mit dem Besuch von Theaterproben: Seit mehr als 50 Jahren fängt die Fotografin Ruth Walz das Bühnengeschehen ein und erhält so vergangene Inszenierungen für die Nachwelt. Ein Teil ihres Werkes ist nun im Theatermuseum München zu sehen
Share„PS: über den Zustand des Labors muss ich Dir auch einiges erzählen.“ So endet ein Brief, den die Fotografin Abisag Tüllmann 1993 an ihre Kollegin Ruth Walz schrieb. Die beiden Frauen aus demselben Metier waren große Freundinnen. Beruflich trafen sie sich auf dem sehr spezifischen Gebiet der Theater- und Opernfotografie. Als freie Bildjournalistin erhielt Abisag Tüllmann immer wieder Aufträge aus dem Bereich, Ruth Walz hatte seit ihrer Festanstellung an der Berliner Schaubühne das Genre zur ihrer Spezialität erhoben. Eine Seite der renommierten Tiefdruckbeilage „Bilder und Zeiten“ der FAZ aus dem Jahr 1997 verdeutlicht den Rang der beiden in der Theaterfotografie: Der Beitrag zum Geburtstag des Regisseurs Peter Stein wurde jeweils mit einer Aufnahme der beiden bebildert.
Oft teilten sich die Fotografinnen eine Dunkelkammer in Frankfurt, Berlin oder Salzburg, wo sie nacheinander ihre Filme entwickelten und Abzüge ihrer Aufnahmen für die jeweiligen Auftraggeber erstellten. Dies führte immer wieder zu tollem Streit und festlichen Versöhnungen: „Die Abisag war sehr gründlich, sehr genau, und… sehr langsam. Und sie hat bei der Arbeit gerne geraucht“, erzählt Ruth Walz vor dem begehbaren Nachbau der gemeinsamen Dunkelkammer. Dass sie der Freundschaft mit Abisag Tüllmann einen wichtigen Teil ihrer neuen Ausstellung in München widmet, bot sich an: Im Deutschen Theatermuseum befindet sich der Nachlass der früh verstorbenen Kollegin, dazu sind die Korrespondenzen zwischen den jeweiligen Werken zahlreich.
Für die 1941 geborene Fotografin ist es die dritte Ausstellung in kürzester Zeit. Im vergangenem Jahr widmete ihr das Museum für Fotografie in Berlin eine erste große Einzelausstellung und bis 11. November war ihre Ausstellung „Vorhang auf“ im Museum der Moderne in Salzburg zu sehen. Für ihre Münchner Schau entschloss sich Ruth Walz, wie der Titel „Doppelbeleuchtung“ es andeutet, durch ihr Werk auf das von Wegbegleitern aufmerksam zu machen. Neben Abisag Tüllmann werden die Arbeiten des Bühnenbildners Karl-Ernst Herrmann und der Kostümbildnerin Moidele Bickel beleuchtet.
In der Ausstellung sind neben analogen Vintage-Prints aus den vergangenen Jahrzehnten auch aktuelle digitale Aufnahmen zu sehen. Hier zeigt sich deutlich, welche fundamentalen Veränderungen Ruth Walz seit ihren Anfängen in den Siebzigerjahren bis heute erlebte. Sei es der Übergang zur Farbe, der Wandel durch die digitale Fotografie, ohne dass sie dabei die Zeit der Dias und der Umkehrfilme vergaß: Ruth Walz konnte sich den neuen Bedingungen anpassen und arbeitet bis heute weiter.
Durch ihre langjährige Arbeit konnte sie die große Zeit des Regietheaters mit Legenden wie Peter Stein oder Claus Peyman dokumentieren sowie das Spiel von Schauspielvirtuosen wie Jutta Lampe, Edith Clever und Bruno Ganz, der ihr langjähriger Lebensgefährte war, einfangen. Der Fotografin gelingt es, vor allem in ihren Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Darsteller und Inszenierung so festzuhalten, dass man heute als Zuschauer meint, die Essenz eines Stückes zu betrachten. Dazu kommt: Wer heute die Bilder von Ruth Walz sieht, bekommt Lust, morgen selbst in Theater zu gehen. Und das ist gut!
Die Ausstellung „Doppelbelichtung“, kuratiert von Hanns Zichler und Thomas Ladenburger, ist bis zum 4. Februar 2024 im Deutschen Theatermuseum München zu sehen.
Für 2025 ist die Fertigstellung eines Kino-Dokumentarfilms geplant mit dem Titel „Alles Theater! Die Welt der Fotografin Ruth Walz“.