Ausstellungstipps

Die besten Ausstellungen im Januar

Ein großer Philosoph in Bonn, das Menschenbild der Neuen Sachlichkeit in Stuttgart und die Fotografien von Jeff Wall in Basel – das sind unsere Ausstellungstipps für den ersten Monat des Jahres

Von Tim Ackermann & Simone Sondermann
03.01.2024

„Sieh Dir die Menschen an!“

Kunstmuseum Stuttgart, bis 14. April

Menschen anhand äußerer Merkmale zu typisieren war in den 1920er-Jahren in Deutschland intellektueller Breitensport. Weit über das wissenschaftliche Feld hinaus wurde die Konstitutionslehre „Körperbau und Charakter“ des Tübinger Psychiaters Ernst Kretschmer wahrgenommen, der 1930 erschienene Ratgeber „Sieh dir die Menschen an!“ des Mediziners Gerhard Venzmer brachte die Thesen populär auf den Punkt. Die Begeisterung für das „Typische“ und der damit verbundene Wunsch nach Systematisierung lösten damals eine allgegenwärtige Konstitutions- und Typendebatte aus. Die Ausstellung setzt hier an, indem die präsentierten Porträts der Neuen Sachlichkeit im gesellschaftlichen Diskurs beleuchtet werden. Besucherinnen und Besucher sollen sich so mit stereotypen Betrachtungsweisen auseinandersetzen, mit deren vermeintlicher wissenschaftlicher Legitimation, deren künstlerischer wie massenmedialer Verbreitung sowie deren oftmals unreflektierter Reproduktion – teilweise bis in die Gegenwart.

Elfriede Lohse-Wächtler
Elfriede Lohse-Wächtler, Lissy, 1931. © Privatsammlung, Städel Museum, Frankfurt am Main.

Jeff Wall

Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, 28. Januar bis 21. April

Er hat die zeitgenössische Fotografie geprägt: Der Kanadier Jeff Wall ist ein Meister des nur vermeintlich Zufälligen, denn bei ihm schöpft sich die künstlerische Kraft aus der Inszenierung. Seine Bilder wirken bewusst wie Szenen aus einem Roman oder wie der Tatort eines Verbrechens. Er lässt sich Zeit damit, jedes Detail seiner Fotografien ist absichtsvoll und voller Verweise, etwa auf kunstgeschichtliche Ikonen von Hokusai oder Delacroix. Entsprechend schmal ist sein künstlerisches Werk. Einen beträchtlichen Teil davon, 55 Arbeiten insgesamt, versammelt nun die Fondation Beyeler. Dazu gehören die großen Dialeuchtkästen, mit denen Wall berühmt wurde, aber auch weniger bekannte Schwarzweißfotografien und Fotodrucke.

Jeff Wall Basel Milk
Meister des vermeintlichen Zufalls: Jeff Walls Großbilddia „Milk“ im Jahr 1984, aus der Sammlung FRAC Champagne-Ardenne, Reims. © Jeff Wall

Honoré Daumier

Städel Museum, Frankfurt, 24. Januar bis 12. Mai

Frankreich war auch nach dem Sturm auf die Bastille nicht immer eine stolze Republik. Im 19. Jahrhundert leistete sich das Land zeitweilig Könige und Kaiser. Ein erklärter Gegner der Monarchie war der Zeichner Honoré Daumier, der sein Talent dafür nutzte, die eigennützige Politik der gekrönten Häupter in Satiren lächerlich zu machen. Das Städel Museum zeigt eine Auswahl von Lithografien des Künstlers aus der Privatsammlung Hellwig. Daumier, der für progressive Zeitungen arbeitete, griff in seinen Werken auch die Erfindungen der frühmodernen Gesellschaft auf, wie etwa die Fotografie oder die Eisenbahn.

Honoré Daumier Frankfurt
Honoré Daumier, „Nadar erhebt die Fotografie auf die Höhe der Kunst“, 1862. © Privatsammlung

Leonard Rickhard

Astrup Fearnley Museet, Oslo, 26. Januar bis 19. Mai

Die Energien des Alltags scheinen in den Bildern von Leonard Rickhard stets in geordnete Bahnen gelenkt: Der norwegische Maler offenbart eine Vorliebe für Stromleitungen, Schaltkreise oder Sicherungskästen, die sich in vielen seiner Werke finden. Zudem sind auf Zeichentischen und in Kabinettschränken die Elemente des Lebens übersichtlich arrangiert. Das Astrup Fearnley Museet zeigt jetzt Rickhards aufgeräumte Form der Pop-Art, die dank ihrer knalligen Farben für ziemliche gute Laune sorgt.

Leonard Rickhard
Leonard Rickhard, „Vårlig modell mot rød bakgrunn“, 1995. © Private collection/ Foto: Alf-Georg Dannevig

Earth Fire Water Air

Museum Schloss Moyland, Bedburg-Hau, 27. Januar bis 26. Mai

Beuysianer aufgepasst: In einer neuen Ausstellungsreihe des Museums Schloss Moyland in Bedburg-Hau dürfen die hauseigenen Arbeiten von Joseph Beuys nun ihr Kraftpotenzial mit Werken von jungen Künstlerinnen und Künstlern messen. Als erster Herausforderer beschwört vom der Niederländer Lennart Lahuis in teilweise technisch sehr ausgefeilten Installationen den Zauber der Elemente Wasser, Erde und Luft. Dem Kunstschamanen Beuys hätte das gefallen!

Lennart Lahuis
Lennart Lahuis, “MURMUR”, 2024. Courtesy the artist und Galerie Dürst Britt & Mayhew, Den Haag/Foto: Lennart Lahuis

Immanuel Kant und die offenen Fragen

Bundeskunsthalle, Bonn, bis 17. März

Die Zahl derer, die seine Schriften gelesen haben, ist heute wohl eher übersichtlich, zu sperrig erscheint seine Sprache. Dennoch gehört Immanuel Kant zu den berühmtesten Philosophen überhaupt. Und sein Kategorischer Imperativ bildet, wenn auch grob vereinfacht, noch heute das Ideal für ein ethisch fundiertes Miteinander. Mit seinen drei großen „Kritiken“, die der „reinen Vernunft“, die der „praktischen Vernunft“ und die der „Urteilskraft“, legte der Königsberger die gedanklichen Grundlagen für die Aufklärung, die bis heute nachwirken. Wie genau, erkundet nun eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle zu Kants 300. Geburtstag anhand von noch immer offenen Fragen wie „Was darf ich hoffen?“ oder „Was soll ich tun?“. Kants berühmtestes Bonmot „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“, tja, das möchte man in Zeiten digitaler Gerüchteküchen namens Social Media mehr denn je in die öffentlichen Räume rufen.

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