Bild des Tages

Die Frau, die verschwinden wollte

Die National Portrait Gallery in London widmet sich mit Francesca Woodman einer der wichtigsten Fotokünstlerinnen des späten 20. Jahrhunderts

Von Simone Sondermann
15.03.2024

Die Kunstgeschichte ist reich an tragischen Geschichten, und die von Francesca Woodman ist eine der traurigsten. Mit nur 22 Jahren nahm sie sich mit einem Sprung aus ihrem New Yorker Loft das Leben. Den Blick auf ihr künstlerisches Werk beeinflusst dies bis heute stark, damit kann man diesem wie so oft nicht gerecht werden. Aus den wenigen Jahren ihres Schaffens bis zum ihrem Tod 1981 hinterließ Woodman ein umfangreiches fotografisches Œuevre von mehr als 800 Abzügen und noch weitaus mehr Negativen. Vieles davon entstand in ihrer Zeit als Studierende an der Kunsthochschule von Rhode Island. Woodman arbeitete vor allem mit sich selbst, nahm Rollen ein, setzte ihren Körper in Szene und in Bezug zum Raum, fast immer in Schwarz-Weiß. Mithilfe von Langzeitbelichtungen und Doppelbelichtungen werden die Körpergrenzen oft aufgehoben, ihre mitunter engelhafte Gestalt verdoppelt sich, verschwimmt, verschwindet im Dunkel oder in der Wand. Der Surrealismus stand hier ebenso Pate wie der bis heute populäre Neo-Gothic-Stil kahler Wände, verfallener Häuser und geisterhafter Düsternis.

Fotografie „Untitled, from the Angels series“ von Francesca Woodman, 1977. Courtesy Woodman Family Foundation
„Untitled, from the Angels series“ von Francesca Woodman, 1977. Courtesy Woodman Family Foundation © Woodman Family Foundation / DACS, London

Dass sie nicht vergessen wurde, verdankt Woodman auch ihren Eltern, die, ebenfalls Künstler, sich intensiv um ihren Nachlass kümmerten. Mittlerweile ist ihr ein bleibender Platz in der Fotografie- und Kunstgeschichte sicher. 2012 widmete ihr das Guggenheim Museum in New York Woodman eine Retrospektive, 2020 gab es eine große Schau ihrer meist kleinformatigen Bilder im C/O Berlin. Nun folgt, als vorläufiger Höhepunkt ihrer Würdigung, eine große Ausstellung in der National Portrait Gallery in London und parallel eine Galerieausstellung bei Gagosian in New York. In London bringt man sie mit einer anderen Vorreiterin der Fotografie zusammen, Julia Margaret Cameron. Zwischen beiden Künstlerinnen liegt ein ganzes Jahrhundert, beide haben die Möglichkeiten und Grenzen der künstlerischen Fotografie erkundet und erweitert.

Übrigens: „Francesca Woodman and Julia Margaret Cameron: Portraits to Dream In“ läuft vom 23. März bis 16. Juni in der National Portrait Gallery in London

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