Das Mauritshuis in Den Haag widmet dem innovativen Landschaftsmaler Roelant Savery derzeit eine konzentrierte Ausstellung
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10.04.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 225
Kaiser Rudolf II. wusste, warum er den jungen Maler bei sich haben wollte. Er hatte offenbar aus der Ferne sein Talent erkannt, im Winter 1603/04 holte er den jungen Niederländer an seinen Hof in Prag. In Rudolfs Residenz tauchte Roelant Savery in eine Welt voller Kunstschätze ein, er bestaunte die Muscheln, Korallen, Mineralien und ausgestopften Geschöpfe in der Kunst- und Wunderkammer, in den Menagerien und Gärten konnte er seltene, von weit her gebrachte Tiere und Pflanzen studieren. Außerdem schickte ihn der Kaiser nach Tirol, wo er zum ersten Mal das Hochgebirge erlebte.
Das alles saugte Savery in sich auf und verschmolz es mit dem, was er aus seiner Heimat mitbrachte. Er wurde 1578 in Kortrijk in Westflandern geboren und musste als Kind im Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier mit seiner mennonitischen Familie in den protestantischen Norden der Niederlande fliehen. Nach seiner Rückkehr aus Prag 1615 ließ er sich als angesehener Maler in Utrecht nieder, wo er 1639 starb. Die flämische Landschaftsmalerei mit ihren fantastischen Szenerien, auch die frühen Stillleben dort und die Bauernszenen Bruegels d. Ä. hatte er durch die Ausbildung bei seinem älteren Bruder Jacob mit auf den Weg bekommen.
Das Mauritshuis in Den Haag widmet Roelant Savery derzeit eine sehr schöne, konzentrierte Ausstellung. Die 44 Gemälde und Zeichnungen sind nur ein Bruchteil des bekannten Werks, aber sie sind so gut ausgewählt und kommentiert, dass die Bedeutung des Malers anschaulich wird. Am bekanntesten ist er heute vor allem für seine Landschaften, dicht bevölkert von Tieren, die in Frieden miteinander leben. Der Mensch ist in diesen Paradieswelten oft nur ganz klein am Rand zu sehen, er richtet wie Adam und Eva mit ihrer Ursünde ohnehin nur Unheil an.
Selbst ein Rindermarkt wird bei Savery zu einer verwunschenen Landschaft mit Ruinen und gespenstischem Himmel, unter dem die Kühe frei umherlaufen und selbst wissen, was zu tun ist. Der Maler liebte Tiere, die er prachtvoll und fantasievoll, aber immer auch sehr lebensnah darstellte. Exotische Arten wie Löwen, Elefanten, Kamele, Nashörner oder seltene Vögel stachelten ihn besonders an. So malte Savery, wohl nach einer Taxidermie in Besitz Rudolfs, als Erster den Dodo, einen großen Vogel, gedrungen mit kräftigem Schnabel und verkümmerten Flügeln. Ansässig auf Mauritius, wurde er seit der Ankunft der holländischen Seefahrer durch die importierten Ratten, Katzen und Schweine ausgerottet.
Nicht nur Saverys Tierlandschaften waren innovativ. Im Jahr 1603 malte er eines der frühesten Blumenstillleben, nach seinem Tirol-Aufenthalt ließ er als Erster in seinen bizarren Felslandschaften Wasserfälle herabrauschen. Er war ein exzellenter Zeichner, das stellt die Ausstellung heraus. Gerne mischte er sich unter die Leute, beobachtete arme Bauern, Bettler, Betende in der Prager Synagoge oder einen schlafenden Mann und zeichnete sie, ohne dass sie es merkten. „Nart het leven“ („nach dem Leben“) schrieb er ausdrücklich auf die Blätter. Auch hier war Savery ein Pionier, der noch Jahrzehnte später Rembrandt beeinflusste. Man könnte ihn einen Vorläufer der modernen Street Photography nennen.
„Roelant Saverys wundersame Welt“,
Mauritshuis, Den Haag,
bis 20. Mai