Im Herzen von Paris, zwischen dem Centre Pompidou und dem Musée Picasso, hat die Fondation Henri Cartier-Bresson einen neuen Standort gefunden. Ein Gespräch mit dem Leiter des Museums Clément Chéroux
ShareWas mich an der Arbeit in den USA besonders fasziniert, ist, dass man bereits weit im Voraus über den Prozess einer Ausstellung nachdenkt. Wie entwickelt man eine Ausstellung, wie soll die Hängung aussehen, wie soll über die Ausstellung kommuniziert werden. In Europa arbeitet man hingegen viel intuitiver.
Nein, das hat sich durch die Pandemie so ergeben. Der Zeitpunkt, an dem ich angefangen habe, fiel genau auf den Ausbruch von Covid. Als die Fondation Henri Cartier-Bresson mir dann die Stelle als Direktor angeboten hat, habe ich angenommen, weil ich dachte, es wäre an der Zeit für mich, zurück nach Frankreich zu gehen.
Paris ist wirklich in außergewöhnlich guter Form. In der Kunstwelt ist ein richtiges Aufbrausen zu spüren. Viele Initiativen der letzten Jahre haben die Stadt verändert. Für die Fotografie war Paris weltweit immer eine der Hauptstädte. Das ist heute umso mehr Wirklichkeit.
Ja, wir haben den neuen Standort mitten im Marais im Jahr 2018 bezogen. Mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Gelbwestenbewegung, der Pandemie und den letzten Bauarbeiten am Haus hatten wir einen etwas holprigen Anfang. Aber seit zwei Jahren finden wir so langsam unser Reisetempo. Jahr für Jahr zählen wir mehr Besucherinnen und Besucher.
Für mich gibt es drei wichtige Aspekte. Es ist das einzige Fotografie-Museum in Paris, das auf dem Lebenswerk eines einzelnen Fotografen beruht. Deshalb ist es mir wichtig, weiterhin diese großartige Arbeit zu verteidigen. Für mich ist das Werk von Henri Cartier-Bresson eine Sprache, die lebendig bleiben soll. Das bedeutet immer neue Blicke auf das Werk zuzulassen, weiterhin das Archiv zu pflegen. Ein anderer Punkt ist der Ort. Wie gesagt, er ist neu, wir entwickeln hier ein sehr abwechslungsreiches Programm, gerade starten wir eine Veranstaltungsreihe zum Thema Fotobuch. Ein dritter Aspekt ist die Vermittlung. Wir wollen das Potential einer Verzauberung durch die Fotografie weiter in die Welt tragen.
Es war für mich sehr wichtig, das Werk von Weegee in einem so breiten Umfang wie möglich zu zeigen. Die Ausstellung konzentriert sich nicht auf den bekanntesten Aspekt seiner Arbeit, auf das New York der 30er und 40er Jahre mit den Aufnahmen der Unfälle und Morde, sondern geht auch über diese Zeit hinaus, bis in seine Hollywood-Phase. Die Bilder der Ausstellung stammen aus sechs verschiedenen Sammlungen, darunter sind auch dreißig Abzüge der Sammlung von Eric Berinson, dessen Galerie in Berlin eine der wichtigsten in Europa ist.
Da muss ich an eine Aufnahme von Weegee denken, die relativ typisch für ihn ist: Vier Personen werden gerade von der Polizei festgenommen. Das Bild ist aus einer leichten Froschperspektive aufgenommen, so dass auch die anderen Fotografen, die vor Ort sind, zu sehen sind. Dazu ist im Hintergrund ein Fotogeschäft zu sehen, das „Metaphoto” heißt. Solche Spielchen hat er wirklich geliebt. Es ist Teil seiner Praxis als Fotograf, dass er auch immer mit einem Augenzwinkern über seinen Beruf nachdenkt. Es ist auch das, was ihn so besonders macht gegenüber seinen Zeitgenossen.
Ja, wir werden demnächst eine Retrospektive des Werkes von Stephen Shore von seinen Anfängen in den 60er-Jahren bis heute zeigen. Unser Schwerpunkt liegt auf Bildern, die er aus Fahrzeugen aufgenommen hat, zum Beispiel aus Autos, Flugzeugen, Zügen oder wie vor kurzem aus der Luft mit Drohnen.
„Weegee“ und „Alessandra Sanguinetti“
Fondation Henri Cartier-Bresson, Paris
bis 19. Mai. Ab dem 1 Juni, „Stephen Shore. Vehicular & Vernacular“