Sammlung Elton John

Ewige Augenblicke

In einer großartigen Ausstellung des Victoria and Albert Museum in London zeigen Elton John und sein Partner David Furnish einen Teil ihrer Photography Collection. Über 300 Arbeiten erzählen die Geschichte der Fotografie ab 1950 anhand zahlreicher Meisterwerke

Von Christiane Meixner
17.06.2024
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 227

Für Liebhaber der Fotografie war es ein rarer Moment. Eine Auktion, zu der rund 300 hochkarätige Werke gehörten. Elton John und sein Mann, der Filmproduzent David Furnish, hatten ausgeräumt, um sich von ihrem großzügigen Penthouse in Atlanta zu trennen. Bühnenkostüme, Konzertflügel und die Kunst an den Wänden: All das wurde vergangenen Februar in der Auktion „Goodbye Peachtree Road“ bei Christie’s in New York angeboten.

Die Abzüge von Robert Frank, Cindy Sherman, Helmut Newton oder Richard Avedon fanden schnell ihre Abnehmer. Motive wie die nackte, auf dem Boden liegende Nastassja Kinski, über deren Körper sich ein dicker Python schlängelt, zählen zu den Inkunabeln der Porträtfotografie. Avedon hatte das Bild 1981 in Los Angeles gemacht, bei Christie’s kletterte der signierte und nummerierte Print auf über 151.000 US-Dollar. Shermans inzwischen museales „Untitled (Film Still #39)“ von 1979 brachte weit über das Doppelte, anders als die drei Silbergelatine-Prints von Norman Parkinson, die Elton John mit Anfang dreißig im Streifenanzug als Muttis Liebling mit einem Strauß Astern im Arm zeigen. Sie lagen bei gemäßigten 15.000 Dollar.

Von einem Teil seiner Sammlung trennte Elton John sich Anfang des Jahres und ließ sie bei Christie’s versteigern, darunter drei Porträts, die Norman Parkinson 1970 von ihm machte
Von einem Teil seiner Sammlung trennte Elton John sich Anfang des Jahres und ließ sie bei Christie’s versteigern, darunter drei Porträts, die Norman Parkinson 1970 von ihm machte. © Norman Parkinson /Christie's Images Ltd. 2024 / Iconic Images

Tatsächlich hat das Paar in seiner Sammlung bloß ein bisschen aussortiert. Die Sir Elton John and David Furnish Collection umfasst auch nach der Versteigerung noch immer die imposante Zahl von über 7000 Abzügen. Sie gilt als eine der größten privaten Kollektionen weltweit und versammelt nahezu alle Genres: Es gibt Porträts, Stillleben, Landschaften und dokumentarische Fotografie vorzugsweise US-amerikanischer Geschichte mit einem Fokus auf der politischen Black History. Vom Kampf gegen den täglichen Rassismus erzählen Impressionen wie „Black Panthers from Sacramento“, die Pirkle Jones 1968 laut protestierend und mit erhobenen Fäusten unter freiem Himmel festhielt. Und ebenso jene intime, in einem New Yorker Diner entstandene Szene von 1962: Während die schwarze Frau am Tresen selbstbewusst in die Kamera von Bruce Davidson schaut, rührt ihre weiße Sitznachbarin missmutig mit dem Strohhalm in ihrem Shake herum.

Modebilder und Porträts berühmter Persönlichkeiten unter der Sammlung

Beide Bilder sind Teil der großen Fotografie-Ausstellung „Fragile Beauty“ im Londoner Victoria and Albert Museum. Sie speist sich allein aus dem Fundus von John und Furnish und bündelt Zeitgeschichte in unvergesslichen Aufnahmen. Gezeigt werden Fotos ab den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart. Es gibt Modebilder von Richard Avedon, Herb Ritts, Irving Penn und Frank Horvat. Stars wie Billie Holiday, James Dean oder Marilyn Monroe werden von Fotografen inszeniert, die selbst zu Legenden ihres Metiers geworden sind: Bert Stern, Elliott Erwitt, Sid Avery. Aus den Siebzigerjahren stammen eindringliche Porträts von Francesca Woodman, Diane Arbus oder Peter Hujar, deren ästhetische Kriterien weit abseits von denen der Modefotografie siedeln.

Die Magnum-Fotografin Eve Arnold hielt den schwarzen Menschenrechtsaktivisten Malcolm X 1962 in einer legendären Aufnahme fest
Die Magnum-Fotografin Eve Arnold hielt den schwarzen Menschenrechtsaktivisten Malcolm X 1962 in einer legendären Aufnahme fest. © Eve Arnold / Magnum Photo

„Überbordend“ nennt Annette Kicken dieses visuelle Angebot, „wirklich Meisterwerk über Meisterwerk“. Als Expertin und Galeristin für künstlerische Fotografie hat sie internationale Kunden im Vorfeld der Auktion bei Christie’s beraten. In ihren Räumen in Berlin, wo aktuell eine Schau zum 50-jährigen Jubiläum der von Rudolf Kicken gegründeten Galerie zu sehen ist, stehen die Kataloge vorangegangener Präsentationen von Johns und Furnishs Sammlung. Es sind markante Stationen wie das High Museum in Atlanta oder 2016 das Londoner Museum Tate Modern, wo man sich auf fotografische Pioniere wie Man Ray, Tina Modotti oder Alfred Stieglitz konzentrierte.

Im Jahr zuvor beschlagnahmte die Polizei im nordenglischen Baltic Centre for Contemporary Art in Gateshead noch vor der Eröffnung der Schau mit rund 150 Bildern ein Aktbild. „Klara and Edda belly-dancing“, von Nan Goldin in den späten Neunzigerjahren in Berlin aufgenommen, galt nun als Kinderpornografie. Die Institution selbst hatte um den Einsatz gebeten, weil sie unsicher bei ihrer Einschätzung der Situation war. Auch dies ist ein Kapitel Fotogeschichte und demonstriert die neuen Sensibilitäten und Aufgeregtheiten im Umgang mit dem Medium.

In der New Yorker Clamp Gallery erstand Elton John das Porträt „Jonathan (Jack Pierson)“ von Tim Morrisroe, dessen Motive die Galerie bis heute anbietet
In der New Yorker Clamp Gallery erstand Elton John das Porträt „Jonathan (Jack Pierson)“ von Tim Morrisroe, dessen Motive die Galerie bis heute anbietet. © The Estate of Mark Morrisroe (Ringier Collection) at Fotomuseum Winterthur / Courtesy of CLAMP, New York

Die Sir Elton John and David Furnish Collection versammelt unberührt von solchen Phänomenen das Nackte, Schöne, Wichtige und manchmal gerade noch Zumutbare. Die Frage nach den Highlights der Sammlung beantwortet Annette Kicken sofort mit Man Rays surrealistischer Komposition „Noire et Blanche“, die 1926 in der Vogue erschien. Doch John besitzt auch Rays ebenso legendäre Fotografie „Tränen aus Glas“ und erzählt im Katalog von „Fragile Beauty“, er habe dafür eine unglaubliche Summe ausgegeben – weil der „Rocket Man“ nicht irgendeinen Abzug, sondern den vom Künstler in der Dunkelkammer entwickelten Vintage-Print besitzen wollte. Auf ein bestimmtes Motiv von Diane Arbus musste er Jahre warten, um das „mit den besten Kontrasten“ zu ergattern. Und für Avedons Aufnahme von „Dovima with Elephants“, das das Supermodel der Fünfzigerjahre im ersten von Yves Saint Laurent für Dior entworfenen Dress zeigt, habe er sogar Gott gedankt.

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