Sammlung Torlonia

Besuch aus Rom

Der Louvre präsentiert die famosen Skulpturen der Sammlung Torlonia. Nie zuvor waren sie außerhalb Italiens zu bewundern

Von Lisa Zeitz
13.08.2024
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 230

Grund zum Staunen gibt es vielfach: Da ist die berühmte Antikensammlung der fürstlichen Familie Torlonia. Ihr wird in den frisch restaurierten Gemächern der Anna von Österreich ein königlicher Empfang bereitet. Schon seit dem 18. Jahrhundert werden hier im Louvre Skulpturen der Antike gezeigt: Mit ihnen treten die römischen Gäste nun in Dialog. Wenn man sich der Fantasie hingibt, dass nachts im Museum, wenn das Licht aus ist und keine Menschen mehr in den Sälen unterwegs sind, Gespräche zwischen den steinernen Figuren stattfinden, wird das ein oder andere von Wiedersehensfreude handeln. Denn einige der Werke zählten vor Jahrhunderten, bevor sie im Louvre oder im Besitz der Torlonia landeten, zu den Schätzen der Borghese, Giustiniani oder Albani. Andere Skulpturen kennen sich sogar schon seit Jahrtausenden, denn sie wurden, wenn auch zu verschiedenen Zeiten, an denselben Stätten ausgegraben, etwa entlang der Via Appia Antica oder in der römischen Villa des Herodes Atticus, eines kunstsinnigen Atheners des 2. Jahrhunderts.

Möglich gemacht wird die Ausstellung durch die Fondazione Bulgari, die sich mit großem Engagement dem Erhalt und der Präsentation des römischen Kulturerbes widmet – und auch die Restaurierung der Torlonia-Antiken finanziert hat. Gerade das griechisch-römische Erbe liegt Bulgari am Herzen, war es doch ein griechischer Silberschmied, der die Maison 1884 in Rom gründete.

Bronzestatue des Germanicus im Louvre
Auch die Bronzestatue des Germanicus stammt aus einer Ausgrabung im 19. Jahrhundert. © Fondazione Torlonia

Die Kometen auf dem Wappen der Familie Torlonia stehen symbolisch für die Geschichte der Familie, der jüngsten im italienischen Hochadel. Was die Rothschilds im Frankreich des 19. Jahrhunderts waren, das waren die Torlonia in Italien, die als Bankiers Reichtümer und Adelstitel anhäuften und große Summen in Kunst und Kultur investierten. Mit einem ausgeprägten Geschmack für Skulpturen der Antike schufen sie eine Sammlung, die heute als größte private Antikensammlung gilt. Sie erwarben ganze Kollektionen, veranlassten aber auch Ausgrabungen auf ihren eigenen Ländereien. Dabei kam zum Beispiel das Relief zutage, das Archäologinnen und Archäologen bisher nur aus Bildern bekannt war. Denn viele Jahrzehnte war die Sammlung Torlonia nicht zugänglich, bis sie erstmals 2020 in Rom und 2022 in Mailand öffentlich ausgestellt war – und nun erstmals überhaupt außerhalb von Italien zu sehen ist.

Wie ein Wimmelbild wirkt etwa das Relief, das wahrscheinlich während der Herrschaft von Kaiser Commodus im 2. Jahrhundert entstanden ist. Es handelt sich wohl um eine Votivgabe der Kapitänsgilde in Portus, einer der antiken Hafenstädte von Rom. Die Details sind noch nicht vollständig enträtselt, doch in der Mitte ist der nackte Gott Neptun mit seinem Dreizack zu erkennen und über ihm eine von Elefanten gezogene Quadriga. Rund um die Schiffe sind kleine Figuren mit dem Raffen der Segel, dem Vertäuen und der Entladung des Schiffs beschäftigt. Wer ganz genau hinschaut, erkennt sogar die figürlichen Stickereien auf den Segeln der Schiffe: Sie stellen den Mythos aus der Gründungsgeschichte von Rom dar, die Wölfin säugt Romulus und Remus. Auch sonst treffen in der Ausstellung Darstellungen des römischen Alltags wie ein Relief mit einer Metzgereiszene auf die Welt der Helden, Herrscher und Göttinnen. Die Skulptur eines lagernden Ziegenbocks, einst Teil der Sammlung Giustiniani, wurde als Fragment ausgegraben. Seinen struppig gelockten Kopf mit den wachen Augen ergänzte wohl kein Geringerer als Gianlorenzo Bernini.

Torlonia-Mädchen Louvre
Das sogenannte Torlonia-Mädchen, ca. 50 v. Chr., war einst Teil der Sammlung Albani. © Fondazione Torlonia

Unter den vielen römischen Porträts ist für heutige Augen das sogenannte Torlonia-Mädchen aus Vulci besonders frappierend. Makellos schön (bis auf die Tatsache, dass ihre Nase verloren gegangen ist), wirkt sie fast wie eine Schaufensterpuppe aus den Twenties, entrückt und doch modern. In der Antike war ihr Haar sogar mit Gold und Edelsteinen verziert.

Service

AUSSTELLUNG

„Meisterwerke der Sammlung Torlonia“

Louvre, Paris

bis 11. November

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