Zum Start der Kunstmesse Art Basel Paris präsentieren wir die spannendsten Ausstellungen in der französischen Hauptstadt, die Sie diesen Herbst nicht verpassen sollten
Von
16.10.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 229
Centre Pompidou, bis 13. Januar 2025
Vor 100 Jahren verfasste André Breton sein surrealistisches Manifest und begründete eine künstlerische Bewegung. In seinem Manifest lobte er die „Schonungslosigkeit“ der Fantasie und glaubte an eine „künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität. Sein originales Manuskript, das sonst von der Bibliotheque Nationale de Paris gehütet wird, bildet den Kern der Schau im Centre Pompidou. Max Ernst, der 1922 nach Paris zog und sich den Surrealisten anschloss, verstand seinen zerstörerischen „Hausengel“ als Reaktion auf den Spanischen Bürgerkrieg.
Institute du Monde arabe, bis 27. Oktober
Unter dem Titel „Arabofuturs. Science-Fiction et nouvelles imaginaires“ präsentiert das Institute du Monde arabe eine neue Generation dynamischer Kunstschaffender wie Sara Sadik, geboren 1994 in Bordeaux, mit ihrer Videoarbeit „13or“. Die ausgewählten Kreativen der arabischen Welt und ihrer Diaspora nennt Institutsdirektor Jack Lang „Pfadfinder einer neuen Bewegung“, die nichts mit Ikarus, aber alles mit Prometheus verbinde.
Centre Pompidou, bis 4. November
Die Ausstellung „Corto Maltese. Une vie romanesque“ lenkt im Centre Pompidou den Fokus auf die beliebte Comicfigur und ihre literarischen Quellen von Herman Melville über Joseph Conrad bis zu Jack London. 1967 von Hugo Pratt ins Leben gerufen, lässt sich die Entstehung von Corto Maltese und seinen Abenteuern nun anhand von Notizen, Zeichnungen, Fotografien und Storyboards nachvollziehen, die Skizze „La ballade de la mer salée“ von 1976. Die Schau ist Teil eines Themenschwerpunkts, der die Kunstform Comic bis 4. November in mehreren Ausstellungen auf allen Etagen feiert. Danach wird das gesamte Centre Pompidou schließen. Die notwendige Generalsanierung ist auf fünf Jahre veranschlagt.
Palais de Tokyo, bis 5. Januar 2025
Die Künstlerin Malala Andrialavidrazana, geboren 1971 in Madagaskar, bespielt mit ihren Bildern der neuen Serie „Figures“ das Palais de Tokyo. Als Ausgangspunkt dienen ihr Landkarten, die sie wie eine Collage mit Fotografien, Zeichnungen, Motiven von Briefmarken, Banknoten und Text bearbeitet. So entsteht ein dichtes, erzählerisches Geflecht, das Historien von Individuen und Gesellschaften verwebt. „Figures, 1905, Magnetic Parallels“, entstanden 2022.
Bourse de Commerce, bis 27. Januar 2025
Vor drei Jahren eröffnete die Pinault Collection ihr jüngstes, bombastisches Schaufenster: die von Tadao Ando umgebaute Bourse de Commerce. Hier können die Ausstellungen aus der mehr als 10.000 Werke umfassenden Privatsammlung schöpfen. Carolyn Christov-Bakargiev kuratiert einen Überblick über die Arte povera mit vielen Leihgaben aus Italien, darunter Werke von Alighiero Boetti und Mario Merz.
Jeu de Paume, bis 19. Januar 2025
Erstklassige Fotografie-Ausstellungen inszeniert regelmäßig das Jeu de Paume. Unter dem Titel „Family Ties“ wird im Herbst das Werk der amerikanischen Fotografin Tina Barney untersucht: Sie ist eine Meisterin in der Darstellung von gesellschaftlichen Ritualen, von Statussymbolen und der unterschwelligen Dynamik zwischen den Generationen („The Daughters“, 2002).
LE BAL, bis 17. November
Seit seiner Gründung 2010 hat der 350 Quadratmeter große Projektraum LE BAL sich der Ausstellung und Vermittlung von Fotografie, Videokunst und neuen Medien verschrieben, inklusive Verlag und Café. Bis 17. November wird der hierzulande noch viel zu wenig bekannte Fotograf Yasuhiro Ishimoto vorgestellt, der in Japan ebenso zu Hause war wie in den USA. Zu seinen Vintage-Prints zählt „Tokyo Town“, um 1957.
Musée du Luxembourg, bis 5. Februar
In Brasilien ist sie allseits bekannt und bewundert. In Europa dagegen ist die Malerin Tarsila do Amaral (1886–1973) leider noch viel zu wenig bekannt. Außerhalb ihres Landes waren ihre Bilder nur selten zu sehen. Nun lässt sich im Musée du Luxembourg ihr Schaffen in einer großen Retrospektive in allen Facetten verfolgen. Rund 150 Werke werden aufgeboten. Die Künstlerin wurde zunächst von den Avantgardisten geprägt, die sie während ihrer Aufenthalte in Paris kennenlernte, etwa Fernand Léger. Doch die europäischen Formverfremdungen nutzte sie, um daraus eine eigene Bildsprache zu entwickeln, mit der sie die Kultur Brasiliens selbstbewusst als einen tropischen Schmelztiegel propagierte. Bilder wie „Cartão-postal“ („Postkarte“) von 1929 sind herrlich sinnliche Manifeste gegen den Eurozentrismus.