Das Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück erinnert an die polnische Malerin Felka Platek, die im KZ Auschwitz ermordet wurde
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02.10.2024
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 232
„Hass ist keine Meinung“: Dieser Satz ist nur wenige Schritte jenseits des Bahnhofsportals auf einem Werbewürfel zu lesen, mit dem das Museumsquartier Osnabrück die Reisenden daran erinnert, dass es derzeit wieder ein paar grundsätzliche Wahrheiten zu bedenken gibt. Zum Beispiel, dass rassistische Anfeindungen in Deutschland keinesfalls in den Bereich der Meinungsfreiheit fallen – und dass die Neuen Rechten schlicht lügen, wenn sie in ihren wehleidigen Rechtfertigungen eine Zensur insinuieren. Mit seinem Willkommenswürfel weist das Museumsquartier Osnabrück geschickt auf sein neuestes Ausstellungshaus hin: Auf den Namen „Die Villa“ getauft, ist das sanierte Gründerzeitgebäude seit Mitte September als neues Forum für Erinnerungskultur und Zeitgeschichte geöffnet. Hier können die Besucherinnen und Besucher auf spielerische Weise den eigenen moralischen Kompass erproben. So erfahren sie auch, wie sehr sie bereit sind, die eigenen Werte und die Demokratie mit ihrem Handeln zu verteidigen.
Warum der Hass nie wieder die Oberhand gewinnen darf, zeigt dann das benachbarte Felix-Nussbaum-Haus, das dem ermordeten deutschen Maler mit jüdischen Wurzeln gewidmet ist. Der Besuch dieses 1998 eingeweihten Gebäudes, das vom Architekten Daniel Libeskind auf die Gemälde Nussbaums hin konzipiert wurde, lohnt aktuell auch wegen einer weiteren, ganz besonderen Ausstellung: Denn „Felka Platek – Eine Künstlerin im Exil“ fokussiert zum ersten Mal auf jene Malerin, mit der Felix Nussbaum verheiratet war und die mit ihm zusammen 1944 aus ihrem Wohnungsversteck in Brüssel ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde. Beide wurden dort von den Nationalsozialisten umgebracht.
Mit 28 Arbeiten bewahrt das Osnabrücker Museumsquartier den größten Bestand an Bildern Plateks. Vom Frühwerk der gebürtigen Polin, die 1924/1925 bei Ludwig Meidner studierte, blieb nach einem Brand im Jahr 1932 wenig übrig. Zwei erhaltene Frauenporträts der Berliner Zeit lassen erkennen, dass die junge Malerin weniger dem markanten Expressionismus ihres Lehrers folgte und eher einen expressiven Naturalismus bevorzugte, wie man ihn auch aus den zahmeren Porträtbildern von Edvard Munch kennt. Dieser Wirklichkeitsbezug passte hervorragend zum neusachlichen Zeitgeist. Die Kurzhaarfrisuren der abgebildeten Protagonistinnen belegen zudem das Interesse am Typus der „Neuen Frau“. Nach den freiheitlichen Zwanzigerjahren kam 1933 die Machtergreifung der Nationalsozialisten, von der Platek und Nussbaum während eines zweijährigen Italienaufenthaltes überrascht wurden. Auf der Suche nach einer neuen Heimat zogen sie nach Belgien.
Eine Begegnung mit dem Maler James Ensor, der sich für ihre Aufenthaltserlaubnis einsetzte, führte zum „Stillleben mit Rochen“ (1935), in dem Platek ein Ensor-Motiv wie eine Widmung zitiert. Doch können ihre Stillleben, die in dieser Zeit entstanden sind, genauso als Hinweis auf die Wichtigkeit von Lebensmitteln im kargen Exil verstanden werden und auf die Beschränkung besonders von Exilantinnen auf die häusliche Sphäre. Eine Situation, die sich 1940 mit der Besatzung Belgiens durch die Deutschen noch verschärfte: Nussbaum und Platek mussten nun jederzeit eine Entdeckung und Verhaftung fürchten. Im eigentlich leuchtend farbigen „Selbstporträt am offenen Fenster“ aus demselben Jahr malt sich Platek einen auffälligen Schatten über ihr gesamtes Gesicht. Das Bild wirkt wie eine Vorahnung ihres Schicksals. Man verlässt diese Ausstellung mit einem Gefühl der Trauer – und der Wut über den Hass der Deutschen, der so viel zerstörte.
„Felka Platek – Eine Künstlerin im Exil“
im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück
bis 11.Mai 2025