London

Als die Eighties zu sich fanden

Eine farbenfrohe Ausstellung in der National Portrait Gallery in London feiert das Jugendkultur- und Stilmagazin The Face

Von Claudius Seidl
26.02.2025

Die Achtzigerjahre begannen um das Jahr 1977 herum: mit dem Versprechen der Punks, dass alles neu und anders werden könnte, wenn man nur alles Alte niederrisse und zerstöre, bis nichts als der Satz „There is no future“ stehen bliebe.

Die Achtzigerjahre endeten im Herbst 1989, als sich ein ganz anderes Versprechen erfüllte und der Eiserne Vorhang aufgerissen wurde, weil er dem Hunger der Menschen nach Pop, Konsum und Hedonismus nicht mehr standhalten konnte.

Dazwischen ereignete sich jenes Jahrzehnt, nach dem sich keiner zurückzusehnen braucht. In der politischen Wirklichkeit jener Jahre standen die zwei Militärblöcke einander gegenüber, unbeweglich und tödlich bewaffnet. Im Alltag trugen die alten Langweiler jetzt nur neue Kleider, sogenannte Karottenjeans, bunte Pullover, und auf den Köpfen hatten sie halblange Haare mit Löckchen darin. Es sah so aus, als hätten die Achtziger nur als Versprechen der späten Siebziger existiert, als Hoffnung, als Fiktion. Und als sie dann da waren, hätten sie nichts als Schulterpolster und hässliche Frisuren gebracht.

Girls on Bikes (Sarf Coastin’), styled by Polly Banks, December 1997. © Elaine Constantine.
Girls on Bikes (Sarf Coastin’), styled by Polly Banks, December 1997. © Elaine Constantine.

In dieser Lage war das Magazin The Face der beste Beweis, dass es die Achtziger tatsächlich gab. Dass sie neu waren, dass sie einen Look hatten, einen Stil, eine Bedeutung. Und dass all das erreichbar war, zugänglich für jeden, der in seiner Stadt einen anständigen Zeitschriftenladen hatte. Man kaufte The Face und legte es erst einmal gut sichtbar auf den Tisch. Das reichte schon als Beleg dafür, dass die eigene Ankunft in den Eighties vollzogen und geglückt war.

Die erste Ausgabe erschien pünktlich, im Mai 1980, mit Jerry Dammers von den Specials auf dem Cover. Begründet hatte das Magazin der Journalist Nick Logan, mit nur siebentausend Pfund als Startkapital. Ein Jahr später stieß Neville Brody dazu, der Artdirector, der dann das eigenwillige, unverwechselbare und bald berühmte Design entwarf: die schönen Köpfe moderner Menschen auf dem Cover. Darüber, groß und in Versalbuchstaben, der Schriftzug The Face. Daneben das schwarz-rote Quadrat, das das Logo der Zeitschrift war. Drinnen im Heft eine neue, nie gesehene Typografie, mit Schriften für Titel und Vorspänne, die Brody selbst entworfen hatte, verspielt und manchmal nicht ganz leicht zu entziffern. Und doch kraftvoll genug, um eine Ansage zu formulieren. Eine neue Schrift für jede Ausgabe, manchmal sogar für jede neue Story. Die Botschaft war, dass, wenn man wirklich Stil zeigen wollte, sich die Sprache dem Zugriff des Designs nicht entziehen könnte. Und das Design sich nicht dem Zugriff der Sprache. Eine Aussage war im Recht, wenn sie so schön, schick und neu war wie ein Anzug von Katharine Hamnett oder eine Bluse von Yohji Yamamoto.

Winter Sports, styled by Ray Petri, January 1984. © Photography Jamie Morgan
Winter Sports, styled by Ray Petri, January 1984. © Photography Jamie Morgan

Man musste als deutscher Käufer nicht jede Story lesen. Manches, die Restaurant- oder Ausstellungstipps, war Londoner Stadtzeitung, mit Abstechern nach New York. Vieles war gut geschrieben, subjektiver und lässiger, als das in deutschen Magazinen erlaubt war. Und manches ist unvergessen – die Filmkritik zu „Die Unbestechlichen“ etwa, in der es über den Regisseur Brian De Palma hieß: „He jackson-pollocks blood and brains on a white tablecloth.“

Man musste The Face aber anschauen, fast jedes Foto, lustvoll und genau, und die wichtigste Botschaft war fast immer schon die Titelseite. Im Dezember 1985 konnte man da den Kopf einer jungen, schönen Chinesin sehen. Daneben stand, dass sie Chinas Topmodel sei. Dass sie fünfzig Pfund im Monat verdiene. Und dass sie zehn Jahre zuvor ins Gefängnis gekommen wäre.

So waren die Achtziger, wie The Face sie entwarf: Politisches Engagement heißt, für das Recht auf Stil und Schönheit zu kämpfen. Und für genug Geld, damit man sich die Schuhe von Galliano und die Hosen von Yamamoto auch leisten konnte.

Neville Brody hat The Face damals das bestangezogene Magazin der Welt genannt. Am liebsten trug es die Slogan-T-Shirts von Katharine Hamnett, auf denen „Vote“stand oder „Stop pollution“. Oder auch  „No more fashion victims“.

Service

AUSSTELLUNG

 „The Face Magazine: Culture Shift“,

National Portrait Gallery, London

bis 18. Mai 2025

npg.org.uk

Zur Startseite