In Prag kommt erstmalig die umfassende Familiensammlung der Mucha Foundation zusammen – im restaurierten Barockpalast Savarin im Herzen der Altstadt
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18.03.2025
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 238
Umwoben von ornamentalen Ranken und stilisierten Blumen schauen die Frauen selbstbewusst auf uns herab. „Gismonda“ von 1895, Alfons Muchas erstes Plakat für Sarah Bernhardt, stellt die französische Schauspielerin und Kultfigur wie eine Heilige dar, in einer Nische, hinter ihr ein byzantinisches Kreuz. Die himmlische Bernhardt, die Mucha in einem weiteren Plakat, „Médée“ von 1898, in einer ihrer berühmten Rollen zeigt, und andere verträumte Kompositionen mit liebevoll von Stoff umschlungenen Frauen bilden die Basis für das, was als le style Mucha die Welt eroberte. Der Künstler, der von 1860 bis 1939 lebte, wurde zu einem der wichtigsten Vertreter des Art nouveau. Häufig bezog er byzantinische Symbole und Elemente einer slawischen Ikonografie ein, die er mit den Jugendstil-typisch organischen Figuren und einem gewissen Mystizismus verschränkte.
In bestens erhaltener Druckqualität, so leuchtend wie einst auf den Straßen von Paris, wo er viele Jahre verbrachte, präsentiert sich sein Œuvre im neuen Mucha Museum in Prag. Erstmalig kommt die umfassende Familiensammlung der Mucha Foundation zusammen – im restaurierten Barockpalast Savarin im Herzen der Altstadt, das am 24. Februar eröffnet hat. Unter den verspielten barocken Deckenmalereien und pompösen Kronleuchtern führt das Museum seine Besucherinnen und Besucher zurück in die Zeit der Belle Époque. Alfons Muchas Schaffensphasen sind chronologisch präsentiert. Zwischen den Werken des Autodidakten finden sich biografisch bedeutsame Objekte und Autografen, wie das Original eines handgeschriebenen Briefes von Sarah Bernhardt an den Künstler vom 1. Februar 1897.
Im Zentrum seines Ausstellungsplakats für den „Salon des Cent“ von 1897 in Paris prangt ein Lindenblatt: In der Hand eines tschechischen Mädchens mit mährischer Volksmütze und Gänseblümchenkrone ragt auf weißem Karton jeweils ein Dornen-, Blumen-, und Früchtekranz hervor, die das herzförmige Blatt umrahmen. „Das Lindenblatt“, erklärt Marcus Mucha, Urenkel des Künstlers und Direktor des neuen Museums in Prag, „war für ihn ein universelles Symbol der slawischen Kultur.“ Alfons Muchas Panslawismus bildete sich spätestens in dem Jahr 1900 heraus, als er für die Weltausstellung in Paris den Pavillon für Bosnien und Herzegowina entwarf, die in dieser Zeit als Provinzen noch unter der Herrschaft von Österreich-Ungarn standen.
Mucha wollte seine Kunst möglichst breit zugänglich machen, er produzierte nicht nur für die Salons, seine Plakate hingen auf der Straße. So sollten alle Menschen in den Genuss der schönen Künste kommen. Die gedankliche Grundlage dafür fand er sowohl in seinem slawischen Patriotismus als auch bei den Freimaurern, denen er sich 1898 in Paris angeschlossen hatte. Beides bildete das Gerüst seiner Weltsicht. Die Kunst wurde für Mucha so zu einem Werkzeug, das die slawischen Nationen vereinen und seine philosophischen Ideen verbreiten sollte.
Als letztes Werk und Opus magnum schuf er in mehr als 14 Jahren das „Slovanská Epopej“ („Slawische Epos“), sein Denkmal für die slawische Einheit. Zwar vermachte Mucha den Gemäldezyklus nach Fertigstellung 1928 der Stadt Prag, doch hängen die 20 Leinwände aktuell im Südosten Tschechiens, im Schloss von Moravský Krumlov in der Nähe seines Geburtsorts. Das neue Mucha Museum zeigt aus dem Zyklus vier Repliken, die jährlich rotieren sollen. Man hofft, in Zukunft die Originale in einem Bau im Hinterhof des Savarin-Palais ausstellen zu dürfen, der sich noch im Umbau befindet. Jede Szene des „Epos“ widmet sich einem Schlüsselmoment der slawischen Geschichte, die mit der „Apotheose“ ihr Ende findet, Muchas Vision des slawischen Triumphs.