Gallery Weekend Berlin

Durch Charlottenburg mit Lena Winter

Der Kunsthandel im alten Westberlin blickt auf eine lange Tradition zurück. Doch auch junge Galerien präsentieren rund um den Ku’damm ihr ambitioniertes Programm. Von Anne Imhof bis zur Restauratorenwerkstatt gibt es viel zu sehen

Von Clara Zimmermann
28.04.2025
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 240

Sobald in Berlin die Temperaturen langsam nach oben klettern, erwacht der kleine George-Grosz-Platz zum Leben. Auf dem dreieckigen Areal am Kurfürstendamm richtet man die Stühle der Cafés in Richtung Sonne aus, sodass die Gäste auf der linken das prächtige Haus Cumberland und auf der rechten Seite das Treiben auf der Schlüterstraße genau im Blick haben. Hier treffen wir uns mit Lena Winter, um unseren Spaziergang durch Charlottenburg zu beginnen.

Lena Winter Gallery Weekend Berlin
Lena Winter vor der Galerie Robert Grunenberg. © Foto: Clara Zimmermann

Für den ersten Stopp geht es nach Westen, bis wir links in die Wielandstraße abbiegen. Die Galerie Société zeigt zum Gallery Weekend eine Soloausstellung mit Arbeiten der gebürtigen Londonerin und Wahl-Berlinern Marianna Simnett. „Das Programm von Société ist für Berliner Verhältnisse ziemlich international“, sagt Winter. „Außerdem zeigen sie hier immer ein gutes Mischverhältnis aus unterschiedlichen Medien.“ Zurück auf der großen Flaniermeile laufen wir nun ostwärts, bis wir in der Ferne die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche entdecken. Es geht weiter nach rechts auf die ruhige Fasanenstraße, wo sich Galerien, Auktionshäuser und Antiquitätenläden dicht aneinanderreihen. Wir kommen an der Villa Grisebach vorbei, wo Lena Winter neun Jahre lang als Expertin für zeitgenössische Kunst tätig war.

Marianna Simnett Gallery Weekend Berlin
Video Still, Marianna Simnett, „Leda Was a Swan“, 2024. © Courtesy Marianna Simnett and Société, Berlin

Die Galerie Buchholz befindet sich im ersten Stock eines typischen Charlottenburger Altbaus. Hier zeigt man zum Galerienwochenende Arbeiten von Anne Imhof. Auf der anderen Seite der Lietzenburger Straße am Fasanenplatz präsentiert die Galerie Friese den Maler Dieter Krieg und Mehdi Chouakri die beiden Künstlerinnen Sylvie Fleury und Charlotte Posenenske. Für unsere nächste Station geht es über die Fasanenstraße zurück auf den Ku’damm. Dort laufen wir bis zur Grolmannstraße, wo an der Kreuzung eine vasenförmige Skulptur von Gerhard Schultze-Seehof, die aus den Mosaiksteinen der Gedächtniskirche gestaltet wurde, an den Wiederaufbau der einst zerstörten Stadt erinnert.

„Hier ist alles so stilvoll, wie es nur geht“, meint Lena Winter, als wir über den schwarz lackierten Dielenboden bei CFA laufen. Die 1992 gegründete Galerie präsentiert ab dem 12. April Gemälde des Schweizer Künstlers Tobias Spichtig. „Mir gefällt, dass es die Galerie schon so lange gibt. Sie hat sich nie korrumpieren lassen und die Galerienszene in Deutschland jahrzehntelang mitgeprägt. Indem sie junge Malerei ausstellte, die noch nicht kanonisiert war, hat sie das Kunstverständnis völlig verändert.“

Nur einen Katzensprung entfernt liegt der Savignyplatz mit seinen in zwei Hälften geteilten Grünflächen, auf denen bunte Blumen sprießen. Im Else-Ury-Bogen an der Südwestseite des Platzes besuchen wir die Autorenbuchhandlung. Hier lässt es sich wunderbar stöbern, während über uns leise das Rattern der S-Bahn zu hören ist. „An diesem Ort erwartet man etwas von seinen Käuferinnen und Käufern – man traut ihnen etwas zu. Man spürt förmlich, wie viel Wissen in den Büchern steckt“ , sagt Spaziergängerin Winter. An der hinteren Wand leuchtet in Regenbogenfarben die Bibliothek des renommierten Suhrkamp Verlages im Regal.

Sonja Yakovleva Gallery Weekend Berlin
Sonja Yakovlevas Papierschnitt „Ocean of Fantasies“ bei Robert Grunenberg. © Courtesy the artist and Robert Grunenberg

Im Einstein Kaffee ein paar Meter weiter genehmigen wir uns einen Cappuccino und folgen dann der Kantstraße in östlicher Richtung, um die neuen Räume der Galerie von Robert Grunenberg anzuschauen. Direkt neben dem Schwarzen Café zeigt der junge Galerist zum Gallery Weekend Scherenschnitte von Sonja Yakovleva. Winter bewundert das mit viel Liebe und Freude zusammengestellte Ausstellungsprogramm: „Robert Grunenberg meint es ernst mit der Kunst und dem Kuratieren. Man bemerkt sofort, wie sehr er seine Künstlerinnen und Künstler schätzt.“

Die Galerie Wentrup in der Knesebeckstraße stellt Jenny Brosinski aus, und in der Niebuhrstraße besuchen wir die Galerie Michael Haas. Hier eröffnet am 30. April eine Ausstellung mit Arbeiten des 95-jährigen Arnulf Rainer. Die 1976 gegründete Galerie ist eine echte Institution in der City-West. „Michael Haas wird in der Szene als Profi wertgeschätzt“, erzählt Winter, während wir zwei Häuser weiter bei Frau Bünger in der Mittagssonne sitzen und eine Veggie-Bowl essen. In Nord-Charlottenburg, in der Nähe vom Mierendorffplatz, befindet sich das Kunstlager von Michael Haas, in dem seit Kurzem auch das Auktionshaus am Grunewald auf 400 Quadratmetern einen zusätzlichen Lagerort für seine Einlieferungen gefunden hat – parallel zum Gallery Weekend läuft hier die Vorbesichtigung für die kommende Auktion.

Arnulf Rainer Gallery Weekend Berlin
Michael Haas zeigt Übermalungen von Arnulf Rainer. © Lea Gryze

Als Nächstes statten wir der Galerie Haverkampf Leistenschneider in der Mommsenstraße einen Besuch ab. Seit 2020 präsentieren Philipp Haverkampf und Carolin Leistenschneider in einer hellen Hochparterre-Wohnung ihr abwechslungsreiches Programm. „Die beiden zeigen viele Künstlerinnen, ein vorbildliches Verhalten!“, findet Lena Winter. Zum Gallery Weekend werden hier die Arbeiten der Hamburgerin Anna Grath, Jahrgang 1983, und der Amerikanerin Lois Dodd zu sehen sein. Letztere ist stolze 97 Jahre alt und lebt abgelegen in einem kleinen Sommerhaus in New Jersey. „Toll, dass sie an so eine Grande Dame rangekommen sind“, freut sich die Auktionatorin.

Anna Grath Gallery Weekend Berlin
Das Häuschen an der Wand namens „Morn“ von Anna Grath, ausgestellt bei Haverkampf Leistenschneider. © Robert Schlossnickel/Courtesy Anna Grath & Haverkampf Leistenschneider, Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Wir spazieren nun weiter westwärts bis zum Stuttgarter Platz, wo wir das Programm vom Klick Kino studieren. Das originelle Ladenkino gibt es schon seit dem Jahr 1911 und ist ein Must-see für alle cinephilen Berlinerinnen und Berliner. Zum Schluss geht es unter den S-Bahnschienen hindurch in die Droysenstraße. Dort besuchen wir die Restauratorin Cornelia Laufer in ihrer Werkstatt – gerade ist sie dabei, einen vom Feuer beschädigten Tisch zu retten. In der gemütlichen Kiez-Kneipe Schelle lassen wir den Tag mit einer spritzigen Weinschorle ausklingen.

Service

LENA WINTER

Seit 2022 leitet die Kunsthistorikerin und Auktionatorin Lena Winter gemeinsam mit Sebastian Greber das Auktionshaus am Grunewald, das sich auf Kunst nach 1945 spezialisiert hat. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem niedrigpreisigen Segment. Vor der Gründung ihres eigenen Auktionshauses war Winter für die Messe Misa und die Villa Grisebach tätig.

GALLERY WEEKEND BERLIN

Öffnungszeiten:

2 Mai: 18-21 Uhr, 3 Mai: 11-19 Uhr, 4 Mai: 11-18 Uhr

gallery-weekend-berlin.de

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