Ein zweifelhafter Sieg – das umstrittene Kulturgutschutzgesetz ist beschlossen. Kunstmarkt und Sammler sind verunsichert, und auch die Museen fürchten die Folgen
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Noch vor der Sommerpause haben der Bundestag und am 8. Juli auch der Bundesrat dem Kulturgutschutzgesetz (KGSG) zugestimmt. Selten hat ein Gesetzesvorhaben die kulturinteressierte Gesellschaft so entzweit. Für ein Gesetz, das in Österreich auf ein paar Seiten abgehandelt wird, erarbeitete der Stab von Staatsministerin Monika Grütters (CDU) ein 180-Seiten-Regelwerk. Es geht um dreierlei: Anpassung an EU-Recht, erleichterte Rückführung von Antiken aus Raubgrabungen in Krisengebieten, schließlich der Schutz von national wertvollem Kulturgut. Expertengremien haben künftig in den Ländern darüber zu entscheiden, ob Kunst, die älter als 75 Jahre und deren Wert über 300.000 Euro liegt, als national wertvoll und „identitätsstiftend für Deutschland“ zu gelten hat. Trifft das zu, dann darf sie nicht mehr ins Ausland verbracht werden. Ist aber nur ein Inlandspreis zu erzielen, dann kann der Staat günstig für seine Museen einkaufen. Das war stets ein Anliegen der Novelle.
Gegen diese Bevormundung sind Sammler und Händler Sturm gelaufen, mancher sprach gar von „Enteignung“. Mit dem KGSG hat Monika Grütters ihre eigene Klientel gegen sich aufgebracht. Deren Reaktion: Seit einem Jahr verlagern Sammler Kunst ins Ausland, um weiterhin frei darüber zu verfügen. Als Reaktion auf massiven Protest wurde im Juni nachgebessert. Jetzt sollen die Sachverständigenausschüsse bei Kunst, die nicht exportiert werden darf, einen fairen Preis vorschlagen. Da wüsste man gern, wie Beamte den ermitteln wollen. Und der Handel, der seit der gescheiterten Differenzbesteuerung die volle Mehrwertsteuer zu schultern hat, sieht sich abermals einseitig belastet. Denn nur den Galeristen und Auktionatoren, nicht aber den Museen, erlegt das KGSG strenge Sorgfaltspflichten auf. Wer dem entgehen will, stärkt seine Zweigstellen in Brüssel und Zürich, oder er baut eine Auslandsdependance auf. Jüngst hat die Galerie Beck & Eggeling Räume in Wien bezogen.
Beobachter, die sich im Frühsommer 2016 die Mühe machten, mit Politikern zu sprechen und etwa die Anhörung im Landtag von Nordrhein-Westfalen zu besuchen, stellten erschreckt fest: Die Ignoranz in Sachen KGSG ist riesig, und unverbrüchlich gilt die Parteidisziplin. Es gab kritische Einwände gegen die Novelle, aber im CDU-Lager wollte man die Parteifreundin mit der Nähe zur Kanzlerin nicht demontieren. Einen Offenbarungseid leistete sich ein SPD-Abgeordneter, als er, um seine Haltung gefragt, um „Handlungsanweisungen“ bat!
Was politisch wie ein Sieg aussieht, könnte ein Pyrrhussieg werden. Wie beim antiken König von Epirus, der seinen Sieg über die Römer mit dem Tod zu vieler Soldaten bezahlte, wird Deutschland auf lange Sicht wegen des KGSG arge Verluste zu verzeichnen haben. Nur zwei seien herausgegriffen: Die Museen verlieren mit den verprellten Privatsammlern ihre wichtigste Stütze, was Leihgaben und anderes Engagement betrifft. Und als juristischer Indikator für den Scheinsieg könnten sich die in Vorbereitung befindlichen Verfassungsklagen erweisen.
Nix für ungut, Ihre Marktfrau.