Der Kunstmarkt dreht endgültig durch: Ein Kommentar zum Rekordpreis von 110,5 Millionen Dollar für Jean-Michel Basquiat
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Dass die Preistreiberei um die zeitgenössische Kunst schon längst nichts mehr mit dem Wert der Werke zu tun hat, die ihnen die unbestechliche Selektion der Kunstgeschichte einmal zubilligen wird, das weiß wohl jeder, der im Kunstbetrieb noch einigermaßen klar denken kann. Aber trotzdem hält die Spirale nach oben nicht an, sondern bringt immer neue Rekordmarken hervor. Nun also 110,5 Millionen Dollar (mit Aufgeld) für ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat. Hundertzehn Millionen! Der japanische Milliardär Yusaku Maezawa hat es – mit einem anderen Verrückten – gestern bei Sotheby’s in New York so weit emporgesteigert. Jetzt brüstet er sich damit auf Instagram. Verrückt? Ein böses Wort, ist es nicht Kunstleidenschaft, wenn man ein Gemälde um jeden Preis besitzen will? Nein, das hat mit Passion für die hehre Kunst nichts mehr zu tun. Und wenn Passion nur noch mit viel Geld zu tun hat, dann läuft irgendwas absolut schief.
Das tut es ja schon seit Jahren; längst ist der größeren Öffentlichkeit kaum noch zu vermitteln, dass es am Kunstmarkt um mehr geht als nur eine durchgedrehte Jagd nach Rekordpreisen. Und dem Kunstmarkt selbst schaden diese Preishöhen letztlich viel mehr als dass sie ihm nützen. Sammler, Besitzer, Einlieferer, überhaupt jeder Kunstfreund – ihnen allen wird ein völlig falsches Wertgefüge vorgegaukelt. Zahlen sind messbar und vermeintlich objektiv, darum wird die Wertschätzung von Basquiat künftig vor allem an der Tatsache gemessen werden, dass er der teuerste Gegenwartskünstler ist. Dass er 1988 mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin starb, ist dieser Verklärung nur dienlich. Immerhin ist er damit in der berühmten Reihe der im gleichen Alter unter ähnlichen Umständen gestorbenen Popstars wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain oder zuletzt Amy Winehouse. Das ist tragisch und angesichts all der großen Talente (das war auch Basquiat zweifellos) sehr zu bedauern. Aber es betäubt auch die Wahrnehmung des eigentlichen Werks beträchtlich – wie eben die Preisrekorde.
Bei allem Respekt vor Basquiat: Ein solcher Preis hat mit seiner Bedeutung als Maler nichts mehr zu tun. Er war Teil der weltweiten neoexpressionistischen Strömung der Achtzigerjahre und dabei gewiss eine wichtige Gestalt. Aber ob ihm ein so epochaler Rang gebührt, wie ihn der enorme Preis jetzt suggeriert, ist doch mehr als fraglich. Es gab viele andere Künstler, die das Geschehen in den Achtzigern prägten. Basquiat als einsamer Solitär, noch vor Warhol, der nun wirklich der bedeutendste, innovativste und einflussreichste aller Nachkriegskünstler war? Das Wertesystem am Kunstmarkt und die kunsthistorische Kanonbildung entfernen sich immer mehr voneinander. Eine fatale Schere, die falsche Werte vorgaukelt. Denn am Ende ist die Geschichte doch gnadenlos und unbestechlich. Und eines steht fest: Spätestens in einigen Jahrzehnten (womöglich schon viel früher) werden sich die geldbenebelten Wahrnehmungsschwaden um Basquiat lichten und man kann ihn im größeren Maßstab einordnen und bewerten. Dort, wo er hingehört. Wo genau, darüber lässt sich heute noch streiten und orakeln. Dann jedenfalls – so viel müssen die aufgeputschten Käufer von heute befürchten – werden seine Werke am Markt nur noch ein Bruchteil vom gestrigen Preis wert sein.
Auf nach Karlsruhe: Im ZKM bietet eine denkwürdige Ausstellung einen völlig neuen Blick auf die europäische Nachkriegskunst beiderseits des Eisernen Vorhangs
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Mehr als 25 Jahren sind seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vergangen, aber immer noch haben die Europäer (und wohl nicht nur sie), die unselige Zweiteilung des Kontinents fest in ihrem bewussten wie unbewussten Bildungsreservoir eingebrannt. Westeuropa und Osteuropa, oder pauschaler noch: der Westen und der Osten – das ist immer noch ein Dualismus, der tief unser Verständnis der politischen und vor allem auch kulturellen Mächteverteilung prägt. In der Kunst hat sich das besonders hartnäckig gehalten. Nicht nur in den deutsch-deutschen Bilderstreitereien nach der Wiedervereinigung, als der lange noch rheinisch dominierte Markt- und Museumsbetrieb rücksichtslos die Ostdeutschen aus dem Geschehen fernhielt und sie meist undifferenziert als „Staatskünstler“ eines autoritären Regimes diffamierte.
Mit der Kunst in den anderen osteuropäischen Ländern war (und ist) es im Grunde nicht anders. Im totalitären Sozialismus habe einfach keine freie Avantgarde aufblühen können, lautet bis heute das hartnäckige Verdikt. Gute Kunst brauche Freiheit und Demokratie und (meist unausgesprochen) die Heilsbotschaften der amerikanischen Kultur nach 1945. Dass die Wahrheit anders aussah, wissen etwa diejenigen, die nach Polen reisen und in den dortigen Museen bestaunen, was für eine weltoffene Kunst dort neben dem sozialistischen Realismus entstand.
Zum Glück gibt es Freigeister unter den Kunstkennern und Kuratoren, die statt Schwarz und Weiß die Grauzonen und Nischen, die ober- und untergründigen Kulturströme über alle Grenzen untersuchen und ein ganz anderes Bild von der Kunstgeschichte entwerfen. Einer von ihnen ist der Berliner Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher Eckhart Gillen. In zahlreichen Projekten hat er die Kunstplantagen in Ost und West intensiv durchforstet, hat unerwartete Parallelen und Verbindungslinien zwischen Ost- und Westkunst aufgezeigt, ohne die ideologischen Gegensätze wie die äthetischen Antagonismen zu verhüllen. Er hat Klischees entlarvt, vielfältige Verbindungen zwischen Ost und West während des Kalten Krieges aufgezeigt und Entdeckungen großartiger Künstler befördert. Für ein enormes trinationales Ausstellungsprojekt, das hierzulande viel zu wenig Beachtung gefunden hat und dessen deutsche Station am 29. Januar zu Ende geht, hat Gillen sich mit Peter Weibel zusammen getan, dem umtriebigen Chef des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM). Ganz lapidar „Kunst in Europa 1945–1968“ heißt die gewaltige Schau, mit 500 Objekten von über 200 Künstlern ein Epochenpanorama, wie man es noch nie erleben konnte.
Gillen und Weibel haben die Schau, die zuvor im Bozar in Brüssel zu sehen war und danach ins Moskauer Puschkin-Museum wandert, im Grunde schlagend einfach konzipiert: Sie zeigen die Kunst Europas in grenzenloser Gesamtheit vom Atlantik bis nach Russland, einträchtig nebeneinander, als hätte es die brutalen und menschenverachtenden Demarkationslinie nicht gegeben. Die Machtblöcke werden nicht voneinander getrennt, aber es wird auch nichts verharmlost. In ausführlichen Wandtafeln kann man sich über die so unterschiedlichen Kultursysteme in Ost und West informieren, während die Kunstwerke einträchtig nebeneinander platziert sind und so die oft verblüffende Nähe demonstrieren. Mit 500 Objekten von über 200 Künstlern ist die Schau schier unerschöpflich. Immer wieder reibt man sich fassungslos die Augen, was man hier entdecken kann.
Das beginnt mit einem großen Kapitel zu einer Kunst, die 1944/45 und in den Jahren danach das entsetzliche Grauen des Weltkriegs beklagte. Ossip Zadkine, Picasso, Beckmann, Hannah Höch, Karl Hofer steigern sich ebenso in eine pathetische, oft grenzenlos verzweifelte Trauerästhetik wie der schillernde Sowjetkünstler Alexander Deineka, der mit bewegenden Ruinenbildern aus Berlin vertreten ist. Die traumatischen Erinnerungen sind, folgt man der Ausstellungen, bis in die Sechzigerjahre ein wesentlicher Impuls der Künstler in beiden Machtblöcken. Selbst der von den kommunistischen Regimes verordnete Realismus mit seinem oft hohlen Optimismus vermochte das nicht zu verhindern. Übrigens ebenso wenig wie der gern als frei und demokratische „International Style“ einer gegenstandslosen Kunst im Westen. Die Kriegserlebnisse, der Terror von Hitler und Stalin, die Albträume, die blieben – all das sind in der Ausstellung die roten Fäden während der Vierziger und Fünfziger.
Dabei sind aufregende Entdeckungen zu machen, etwa die Kunstwerke der Ausstellung „Gegen den Krieg – gegen den Faschismus“, die 1955 im Arsenal in Warschau stattfand. Sie trotzte dem Staatsrealismus und dem Trauerverbot, und es ist eine der Sensationen dieser Schau, dass sich im polnischen Gorzów (Landsberg an der Warthe) ein Großteil der bewegenden Bilder von Stefan Gierowski, Teresa Mellerowicz-Galla und anderen im Museum fanden. Und sieht man das morbide Stillleben „Schädel und offenes Buch“ des Russen Wladimir Tatlin, dann wird einem klar, dass selbst Stalin die melancholische, oft auch depressive Erinnerungskunst nicht verhindern konnte.
Doch nicht nur die gemeinsame Schreckensgeschichte verband die Künstler in Ost und West, auch der Drang, neue Formen zu entwickeln, den Kunstbegriff zu erweitern und innovativer Weise zu erweitern. Fotografie, Performance, bald auch Film und Video wurden erprobt. Die amerikanischen Impulse von Konzeptkunst, Minimal oder Pop-Art stießen – auch wenn die Informationswege nach Osteuropa oft mühselig waren – überall auf fruchtbaren Boden. Der Wille zur Avantgarde war in allen Staatssystem groß. Die Sechzigerjahre waren künstlerisch überall eine große Aufbruchszeit, auch trotz empfindlicher Rückschläge wie 1968 die Niederschlagung des Prager Frühlings. Ob Paris oder Düsseldorf, Bratislava oder Warschau, Helsinki oder Budapest: Die Künstler schauten über die Grenzen, vernetzten sich und setzten dem Mainstream die Ideale, Utopien, oft auch subversiven Strategien ihrer neuen Ansätze entgegen.
Die Ausstellung bietet nicht weniger als ein gewaltiges Panorama der europäischen Kunst bis zum Epochenjahr 1968. Die relevante Westkunst von Picasso bis Gerhard Richter und unzähligen anderen ist mit Hauptwerken vertreten – allein das schon ein großes Erlebnis. Und dann aber all die uns kaum bekannten, nicht weniger bedeutenden Künstler! Ich könnte jetzt lange schwärmen von dem atemberaubenden Polen Andrzej Wróblewski, von den rätselhaften Skulpturen des Russen Vadim Sidur, von der Budapester Avantgarde um Laszló Lakner oder Ilona Keserü, von dem konzeptuellen Slowaken Stano Filko und vielen anderen. Stattdessen will ich Sie lieber nachdrücklich ermuntern: Nutzen Sie die einmalige Gelegenheit, buchen Sie sofort ein Ticket und fahren Sie nach Karlsruhe. Ihnen werden die Augen aufgehen.
„Kunst in Europa 1945–1968“, ZKM, Karlsruhe, bis 29. Januar
Bis Sonntag, 8. Januar, waren in Berlin-Dahlem noch die herrlichen Museen für außereuropäische Kunst zu erleben. Ein Wiedersehen wird es im Humboldt Forum im teilrekonstruierten Schloss geben. Doch das kann noch lange dauern
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Selbst viele Berliner machen sich dieser Tage nicht klar, dass am Sonntagabend einer der bedeutendensten Museumskomplexe Europas ein für alle Mal schließen wird. In Dahlem, weit weg vom Zentrum im Süden der Stadt gelegen, beenden das Ethnologische Museum mit seinen berühmten Afrika- und Altamerika-Sammlungen sowie das Asiatische Museum endgültig ein jahrzehntelanges Kapitel ihrer Geschichte. Es sind Häuser, die für ihre Konzepte aus den frühen Siebzigern in aller Welt bewundert wurden und im alten, ummauerten West-Berlin als Epizentrum der Kunst ihre Strahlkraft entwickelten. Dahlem, das war gleichbedeutend mit Rembrandts „Mann mit dem Goldhelm“, dem einst populärsten Gemälde der Stadt, das die Experten in den Achtzigerjahren als Werkstattbild entlarvten; aber auch mit der tollen Halle der Südseeboote, einer hochbedeutenden Altamerikasammlung, dem grandiosen Bestand an afrikanischer Kunst oder den kostbaren Werken aus China, Japan, Korea und Indien.
Das alles war hier Saal an Saal zu erleben: von Jan van Eyck bis zu den japanischen Holzschnitten, von Rubens bis zu Indianermasken, von Riemenschneider bis zur Azteken-Figur oder den aufregenden Benin-Bronzen – ein überbordendes Schatzhaus der Weltkulturen, wie es unter einem Dach sonst allenfalls im Metropolitan Museum in New York zu erleben ist. Seit dem Auszug der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung in den späten Neunzigern fehlte Europa in diesem Kunstkosmos, der vor der Wiedervereinigung ein Fixpunkt jedes Berlin-Touristen war. Dadurch ebbten die Besucherströme drastisch ab, die großen Kunstattraktionen waren nun im Stadtzentrum. Dahlem wurde zum Stiefkind der Berliner Museen, oft streifte man allein durch die Hallen mit ihren aufregenden Sammlungen. Daran änderte auch nichts, dass 2002 der Trakt der asiatischen Kunst eine höchst elegante Neugestaltung erhielt. Seit dem Bundestagsbeschluss von 2002, das Berliner Schloss als Teilrekonstruktion wieder erstehen zu lassen und im dort entstehenden Humboldt Forum die außereuropäische Kunst unterzubringen, arbeiten die Museen am Stadtrand auf Abruf. Jetzt schließen sie endgültig ihre Pforten.
Eingefleischte West-Berliner werden sentimental, wenn sie an die Dahlemer Museen denken. Hier sind sie an die Kunst herangeführt worden, wehte ihnen womöglich in jungen Jahren zum ersten Mal der Geist der fernen und exotischen Kulturen entgegen, während sie gleich nebenan die europäischen Altmeister auf höchstem Niveau bewundern konnten. Doch auch viele Kunstfreunde pilgerten von weit her nach Dahlem, um dieses einzigartige Gipfeltreffen der Weltkulturen zu erleben.
Mit all dem wird am Wochenende endgültig Schluss sein. Die Gemäldegalerie hat seit 1998 ihren Neubau am Kulturforum, die Skulpturensammlung bezog 2006 das sanierte Bode-Museum, die beliebte Südsee-Abteilung ist seit mehreren Monaten geschlossen, und jetzt werden auch die letzten Galerien geschlossen. Nur das Museum Europäischer Kulturen soll hier als einsames Stiefkind bleiben (wer allerdings wird sich dann noch hierher verirren?).
Voller Wehmut läuft man durch die lichten Hallen im transparenten Stil der frühen Siebziger, bewundert die idealistische Museumsdidaktik, erfreut sich an der spirituellen Ruhe in den Asien-Sälen. Ich bin vor allem immer wieder begeistert von der stimmungsvollen Inszenierung der afrikanischen Kunst. In schwarzen Räumen glühen die unglaublichen Ife-Köpfe des 13. bis 15. Jahrhundert, die der griechischen Klassik oder der italienischen Renaissance nicht nachstehen, verbreiten die rituellen Figuren der Luba, Chokwe oder Fang ihre magische Ausstrahlung. Seit die Dauerausstellung 2005 eingerichtet wurde, ist es einer meiner liebsten Museumsorte in Berlin. Die Präsentation konzentriert sich ganz auf den Kunstcharakter der Stücke, was in Ethnologenkreisen heftig umstritten ist und – nach allem, was man bislang darüber weiß – im Humboldt Forum einer eher kontextualisierenden Präsentation weichen soll. Hoffen wir, dass auf ästhetische Inszenierung nicht vollkommen zugunsten des postkolonialen Diskurses verzichtet wird.
Nach offizieller Version soll das Humboldt Forum Ende 2019 eröffnen, also in drei Jahren. Doch wer in Berlin mit seinen unglaublichen Bauverzögerungen will diesem Termin ernsthaft Glauben schenken? Eher werden wir uns auf fünf oder sieben (oder gar zehn?) Jahre der Abwesenheit der außereuropäischen Kunst einstellen müssen. Warum bleiben die Häuser nicht einige Jahre länger geöffnet? Warum mutet man dem Publikum neben der absurden und ebenfalls langjährigen Schließung des Pergamonmuseums nun auch diesen Kunstentzug zu?
Gewiss, hunderttausende Objekte müssen in Dahlem für Umzug vorbereitet und in vielen Fällen aufwändig restauriert werden. Die Depots vor Ort sind sehr eng, darum brauchen die Kustoden und Restauratoren auch die Schauräume für ihre Arbeit an den Objekten. Das ist ein triftiger Grund, aber dass so hervorragende Museen dem Publikum auf Jahre versperrt bleiben, ist nicht hinzunehmen. Es ist ein Skandal, aber in Berlin mit seinen vielen Fehlplanungen regt sich darüber leider kaum jemand mehr ernsthaft auf.
An den letzten drei Tagen, 6. bis 8. Januar, sind die Museen in Dahlem von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Die Direktoren und Kustoden aus allen drei Häusern geben in 30-minütigen Streifzügen Einblicke in die Umzugsvorbereitungen, die zukünftigen Planungen oder sprechen über ihre Lieblingsstücke. Mehr zum genauen Programm erfahren Sie hier.
Museumsansicht oben (Foto: Staatliche Museen zu Berlin/Achim Kleuker)
Philipp Demandt, der Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin, wird Museumsgeneral in Frankfurt am Main
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Es ist eine überraschende und auch mutige, ja man könnte fast sagen: eine ziemlich coole Entscheidung, die das Städel bei der Wahl seines künftigen Chefs getroffen hat. Philipp Demandt hatte selbst im eng verflochtenen Kunstbetriebs niemand auf der Rechnung, als es um die Nachfolge des allseits bewunderten und gepriesenen Max Hollein ging. Nach fünfzehn segensreichen Jahren in Frankfurt – erst als Schirn-Direktor, seit 2006 auch als Chef des Städel und der Skulpturensammlung im Liebieghaus. Er sorgte für ein wahres Kunstwunder in der Stadt am Main, aktivierte das brachliegende Mäzenatentum und sorgte für einen Ausstellungscoup nach dem anderen.
Frankfurt wusste und würdigte sehr wohl, wem allein es den neuen Kunstglanz verdankte. Entsprechend verkatert und erst einmal ratlos war man, als Hollein im März seinen schon baldigen Weggang ans Fine Arts Museum in San Francisco verkündigte. Die Drähte der Headhunter müssen heißgelaufen sein. Einer der ersten, der ersten gefragt wurde, war angeblich Sam Keller von der Fondation Beyeler in Basel. Doch der winkte ab. Auch mit den anderen bekannten Figuren auf dem ziemlich ausgedünnten Karrussell der deutschen Museumsspitzenkräfte wurde man offenbar nicht einig. Vielleicht ist das Städel, ist Frankfurt nicht attraktiv genug für Möchtegern-Museumsgenerale, die nach München, Berlin oder ins Ausland schielen.
Das alles ist Spekulation, denn es sickerte nur wenig durch von der Findung des neuen Frankfurter Museumspapstes, der in der Bankenstadt natürlich auch ein schneidiger Manager sein soll. Fakt ist, dass die Städel-Administration offenbar recht bald begann, sich kreativ und unvoreingenommen unter jüngeren Museumskustoden umzuschauen. Nach jemandem, der noch keinen der typischen Sprungbrett-Direktorenthrone besetzte. So hatte man es schließlich auch schon getan, als man den damals erst 32-jährigen Hollein gewann. Es zeugt von der Klugheit und Offenheit der Frankfurter, dass sie bei Philipp Demandt landeten. Denn er ist kein Mann der Gegenwartskunst, die heute in allen Museen das Geschehen bestimmt. Und der 45-Jährige ist ein Quereinsteiger, der nach einer viel gelobten Doktorarbeit über die künstlerische Verehrung der preußischen Königin Luise und einer Tätigkeit am Berliner Bröhan-Museum zur Kulturstiftung der Länder ging und dort als Referent jahrelang erfolgreich Museen mit Hilfe bei Neuerwerbungen beglückte.
Kulturpolitische Funktionäre bekommen selten die Gelegenheit, in die Museumspraxis überzuwechseln. Demandt gelang es, berufen von einem ebenso unkonventionellen Quereinsteiger, dem ehemaligen Augenoptiker Udo Kittelmann, der es als höchst unkonventionellen Kurator bis zum Herr über die sechs Häuser der Berliner Nationalgalerie geschafft hatte. Sein Gespür für Demandts verborgene Qualitäten im Umgang mit der Kunst trog nicht. Seit Januar 2012 setzte Demandt als Sammlungsleiter der Alten Nationalgalerie verblüffend neue Akzente, holte lange verbannte Werke wieder aus dem Depot, begeisterte das Publikum wieder für Künstler der Belle Époque, die im Schatten der Avantgarden in Verdamnis geraten waren. Er krempelte die Sammlung nicht brachial um, sondern zeigte mit Fingerspitzengefühl und qualitätvollen Einzelwerken, wie man die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts und der Umbruchszeit um 1900 behutsam umschreiben und dabei auch der akademischen Salonmalerei wieder etwas abgewinnen kann. Zum großen Ausstellungserfolg wurde der Tierbildhauer Rembrandt Bugatti, mit einem Depotbild des Orientalisten Osman Hamdi Bey holte Demandt in Scharen ein türkisches Publikum ins Haus.
Diesem intelligenten, mutigen und ungewöhnlich agierenden Museumsmann hat man nun das Frankfurter Städel mit weltberühmten Werken von Jan van Eyck bis Rembrandt und vielen Höhepunkten in der Moderne übertragen; zudem mit dem Liebieghaus eine hervorragende Skulpturensammlung von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Es deutet sich an, dass ihm (wie Hollein) auch noch die städtische Kunsthalle Schirn in Personalunion übertragen wird – wenn deren Aufsichtsrat zustimmt. Gleichsam über Nacht wird aus dem genüsslichen Kenner, aus dem Kustoden des 19. Jahrhunderts einer der großen deutschen Direktoren in Deutschland, Herr über ein ganzes Museumskonsortium, über Kunstschätze aller Epochen, sowie der Verantwortliche für die Blockbuster-Ausstellungen; er wird eine Schlüsselstelle im Frankfurter Kulturleben besetzen.
Den Manager, den Finanzjongleur, auch den Umgarner der Banker und der Frankfurter Gesellschaftsdamen – das muss Demandt jetzt alles in sich entdecken. Wer ihn kennt, der zweifelt nicht daran, dass es ihm gelingen wird. Langeweile wird mit ihm in Frankfurt gewiss nicht aufkommen.
Nach der landeseigenen Spielbank in Aachen versilbert jetzt auch der WDR seine Kunstschätze. Bis Freitag sind die Werke bei Sotheby’s in Köln zu sehen. Eine lehrreiche Schau für alle Steuer- und Gebührenzahler
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Es lohnt sich, dieser Tage die Kölner Sotheby’s-Dependance aufzusuchen. Denn dort wird dem Bürger anschaulich wie selten vor Augen geführt, wie das von ihm mit finanzierte Eigentum der öffentlichen Hand unverblümt privatisiert wird. Ein letztes Mal kann er sich bedeutende Kunstwerke anschauen, die seit Jahrzehnten im Kölner Stammsitz des Westdeutschen Rundfunks hingen und einst mit Steuergeldsubventionen und Rundfunkgebühren bezahlt wurden. Trotz zahlreicher Proteste und trotz all dem unschönen Getöse um die Warhol-Bilder aus der Aachener Spielbank versilbert jetzt auch der Westdeutsche Rundfunk seine Kunstsammlung, um seine maroden Finanzen zu sanieren. Der Intendant Tom Buhrow hatte das schon bei seinem Amtsantritt 2013 verkündet und mit der maroden Finanzlage des Senders begründet. Das Haushaltsdefizit betrug damals rund 100 Millionen Euro.
Nach dem Aufschrei der Empörung, den 2014 der Aachener Kunstverkauf quer durch die Republik ausgelöst hatte, glaubte (oder besser: hoffte) man, dass die rot-grüne Regierung von Nordrhein-Westfalen es so schnell nicht noch einmal zu solch einem Kunstdebakel kommen lassen würden. Doch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat offenbar kein Problem damit, dass NRW, dieses traditionsreiche Kunstland mit all seinen bedeutenden Museen und einer immer noch höchst aktiven Sammlerschicht, zum Vorreiter der mangelnden Kunstliebe, ja des Banausentums wird.
Der WDR könnte die 150 Millionen Dollar, die 2014 die beiden Aachener Warhols bei Christie’s in New York erzielten, gut gebrauchen. Doch werden die rund 600 Kunstwerke bei Weitem nicht so ertragreich sein. Es sind viele Papierarbeiten aus dem niedrigen Preissegment dabei. Tom Buhrow gab seinerzeit den Gesamtwert mit rund drei Millionen an, doch war das wiederum wohl zu tief gegriffen. Jetzt wird Sotheby’s im Lauf des Jahres in London und Paris 48 Werke versteigern – zu einer Gesamttaxe von „mehr als 2,4 Millionen“, wie das Auktionshaus verkündet. So steht jetzt schon fest, dass der ideelle Schaden für den WDR und NRW weit größer ist als der materielle Gewinn.
Als erstes Konvolut kommen am 21./22. Juni in London 37 Bilder unter den Hammer. Rund 20 davon sind ab heute, 27. April, bis Freitag in der Kölner Sotheby’s-Niederlassung zu sehen (Mozartstraße 1). Diese denkwürdige Ausstellung kreist vor allem um die beiden Spitzenlose: Max Beckmanns düster-anspielungsreiche „Möwen im Sturm“ von 1942, taxiert auf 700.000 bis eine Million Pfund, sowie Ernst Ludwig Kirchners schweizerische Berglandschaft „Alpweg“ von 1921, Schätzwert 600.000 bis 800.000 Pfund. Daneben werden Bilder von Pechstein, Hofer, Räderscheidt, Heckel, Rohlfs, Nay bis zu Antes gezeigt, viele auf Papier.
Sotheby’s ist für die Vorbesichtigung im Rheinland kein Vorwurf zu machen. Auch die beiden Kölner Häuser (zweifellos Lempertz und Van Ham) und die zwei anderen deutschen Versteigerer (wahrscheinlich Grisebach und Ketterer), die sich nach Auskunft des WDR um den Deal bewarben, hätten diese Form des Marketings nicht verstreichen lassen. Das ist Teil ihres Geschäfts. Degoutant handeln allein der WDR und die Landesregierung, die ausgerechnet in Köln selbst den Ausverkauf des öffentlichen Besitzes dem Publikum vorführen, um möglichst noch finanzkräftige rheinische Käufer zu animieren. Warum die NRW-Autoritäten nicht wenigstens eines der einheimischen Häuser mit der Versteigerung betreut, bleibt ihr Geheimnis. Bei Verkäufen in dieser Größenordnung können auch Christie’s und Sotheby’s keine Wunder vollbringen.
Die ehemalige, bis Oktober 2015 amtierende Kulturministerin Ute Schäfer hatte noch ein Verfahren eingeleitet, wenigstens die wichtigsten Werke auf die Liste geschützten Kulturguts zu setzen und so vor der Ausfuhr zu schützen. Dabei ging es vor allem um die beiden Gemälde von Beckmann und Kirchner. Doch das zuständige Sachverständigengremium sah in den Werken keine nationale Bedeutung, so stellte die neue Ministerin Christina Kampmann die Prozedur ein.
Für Kulturstaatsministerin Monika Grütters (die übrigens aus Nordrhein-Westfalen stammt) ist der Fall gleich ein doppelter Affront. Sie hatte den Verkauf der Warhols scharf kritisiert und jetzt auch für den Verbleib der WDR-Stücke interveniert. Vor allem wirft die Aktion ein grelles, ungutes Licht auf ihr geplantes Kulturgutgesetz. Warum der ganze Aufwand, wenn sich die Experten nicht einmal bei diesen beiden hochkarätigen Bildern um die Abwanderung sorgen? Was wird am Ende überhaupt auf die nationale Liste gesetzt werden? Lohnen für die wenigen Werke, dies es womöglich am Ende nur sind, der ganze Ärger, der Schaden für den deutschen Kunstmarkt und die Verunsicherung der Sammler.
Für Walter Vitt ist der Kölner Kunstausverkauf eine persönliche Katastrophe. Der ehemalige Politikredakteur im WDR, Kunstschriftsteller und langjährige Präsident des Kritikerverbandes AICA, hatte sich als ehrenamtlicher Kunstbeauftragter maßgeblich um den Aufbau der Sammlung gekümmert. „Wir wollten ein Haus mit zeitgenössischer Ästhetik und Ambiente“, erklärte der 79-Jährige im letzten Jahr, als die Wogen über den Verkauf hochkochten. Beim WDR habe das ungeschriebene Gesetz gegolten, dass statt Familienfotos Kunst in den Büros der Redaktion für eine kreative Atmosphäre sorgen sollte. So hing Kirchners „Alpweg“, einst für nur 600 D-Mark gekauft und jetzt auf mindestens 600.000 Euro geschätzt, jahrelang im Büro des Intendanten Fritz Pleitgen. Entsetzt über den Ausverkauf der Sammlung, erinnert Vitt daran, dass es mit den Erwerbungen der Expressionisten auch darum gegangen sei, ein Zeichen gegen den Kunstterror der Nazis gegangen sei. Das alles zählt offenbar nichts im WDR. Bleibt nur eine Frage: Wie kann ich es anstellen, dass dieser Sender nichts mehr von meinen Rundfunkbühren bekommt?
Martin Roth, Hartwig Fischer, Max Hollein und viele mehr: Spitzenkräfte aus deutschen Museen sind begehrt und immer mehr gehen ins Ausland. Wenn es so weiter geht, wird Deutschland bald eine Personalkrise für die hohen Museumsämter haben
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Überrascht hat es eigentlich niemanden, als vor Kurzem Max Holleins Weggang aus Frankfurt bekannt wurde. Wer sein glanzvolles, segensreiches Wirken als Superdirektor von Städel, Schirn und Liebieghaus verfolgt hat, der fragte sich schon seit Jahren nicht mehr, ob er bleibt, sondern nur noch, wann er die Stadt am Main denn verlassen wird? Und: Wird es das MoMA, das Centre Pompidou oder die Tate? In Deutschland, aber auch weit darüber hinaus, wurde der Österreicher wie ein Wundermann bestaunt, der einer mittelgroßen Kulturstadt zu einer nie abreißenden Parade von spektakulären Ausstellungen verholfen hat. Frankfurt wurde wieder festes Reiseziel für Kunstfreunde aus aller Welt. Hollein holte und förderte hervorragende Kuratoren. Er ermunterte sie zu Höchstleistungen, überließ ihnen die fachliche Souveränität und sorgte für den Zustrom förderwilliger Bürger und Firmen. Bei Ankäufen bewies er Mut, auch wenn es um einen strittigen Raffael ging, und für den Anbau eines unterirdischen Gegenwartstraktes wie für viele andere Projekte begeisterte er Tausende von Frankfurtern, das Städel als ihr Museum zu begreifen und sich auch mit kleinen Beträgen zu beteiligen.
Nun geht Hollein, schon im Juni, ans Fine Arts Museum in San Francisco. Er wird dort beste Bedingungen ausgehandelt haben. Seine Fußstapfen in Frankfurt sind groß, und es dürfte der Stadt kaum gelingen, einen ähnlich charismatischen, energiereichen und kreativen Museumsorganisator zu bekommen. Man wird von dem, was er geschaffen hat, erst einmal zehren müssen. Denn der Pool der potentiellen Spitzenkräfte in der deutschen Museumswelt ist ziemlich leer. Fähige Frauen und Männer für die großen Ämter fallen nicht vom Himmel, sie müssen heranreifen und neben der fachlichen Qualifikation auch an die kunstfremden Aufgaben des Museumswesens herangeführt werden. Mit 35 kann man noch nicht Louvre-Chef oder Museumsgeneral in Berlin werden. Da braucht es Erfahrung, eine gereifte Persönlichkeit und kulturpolitisches Geschick; so etwas muss heranwachsen. Die Förderung der jungen Führungstalente wird aber in den deutschen Museen sträflich vernachlässigt. Oft liegt es am übergroßen Ego der Chefs, oder die Arbeitsbedingungen in unterfinanzierten Häusern sind so prekär, dass begabte Kustoden ihre Talente nicht zur Geltung bringen können.
Jedenfalls ist bei der Nachwuchsförderung in den letzten zehn, zwanzig Jahren einiges schief gelaufen. Jetzt haben die deutschen Museen ein ausgewachsenes Personalproblem; und dies paradoxerweise bei verbreiteter Arbeitslosigkeit unter Kunsthistorikern und massenhaften Bewerbungen für die wenigen frei werdenden Museumsstellen. Doch geht es um die Chefposten in den großen Häusern oder gar um die Lenker der Museumstanker in Berlin, München oder Dresden, dann wird die Luft dünn. München hat es gerade noch einmal geschafft, mit Bernhard Maaz (vorher Dresden) einen hervorragenden Mann – sehr guter Ausstellungsmacher, universaler Kenner, Intellektueller, erfahrener Bauorganisator und Diplomat in einem – für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu finden. Doch was passiert in Dresden, wo der Museumsgeneral Hartwig Fischer nach nur vier Jahren ans British Museum in London wechselt? Dort trifft er auf seinen Dresdner Vorgänger Martin Roth – auch er ein brillanter Kandidat für höchste Museumsaufgaben, der ins Ausland auswich und jetzt mit viel Fortüne das Victoria and Albert Museum führt. In Dresden ist derweil noch völlig unklar, wie die Lücke an der Spitze zu schließen ist, während Hamburg erst nach einem quälend langen Prozess mit Christoph Vogtherr endlich einen geeigneten neuen Direktor gefunden hat.
Vogtherr, noch leitet er die Wallace Collection in London, ist einer der wenigen Rückkehrer nach Deutschland. Der Migrationsstrom der Direktoren indes geht eindeutig die Gegenrichtung. Nicht nur London profitiert davon, auch in Zürich ist man sehr froh über den Schwaben Christoph Becker, der im Kunsthaus viel bewegt hat und dem man törichterweise die Generaldirektion der Berliner Museen nicht geben wollte – die Schweizer haben den gescheiterten Wechsel dankbar zur Kenntnis genommen. Auch Christoph Heinrich, der jahrelang die Gegenwartsabteilung der Hamburger Kunsthalle leitete und dort mit legendären Ausstellung in bester Erinnerung ist, wurde von deutschen Kulturdezernenten in seinem Potential verkannt und zog schließlich ans Art Museum in Denver. Dort ist er mittlerweile zum allseits beliebten Chef des Hauses aufgestiegen. Wie es heißt, verspürt er keinerlei Neigung, nach Deutschland zurückzukehren.
Ist Deutschland nicht mehr attraktiv genug für ehrgeizige Museumsleute? Bietet das Ausland bessere Möglichkeiten für eine Direktorenkarriere als die reiche Bundesrepublik mit ihrer unvergleichlich dichten Museumslandschaft? Man kann es sich eigentlich kaum vorstellen, aber der Eindruck drängt sich auf, wenn man allein die Postenbesetzungen der letzten zwei Jahre verfolgt hat. Nicht nur London mit Fischer und San Francisco mit Hollein, auch Florenz hat mit Eike Schmidt und Cecilie Holberg zwei Deutsche für die Chefsessel der Uffizien und der Accademia (Heimstatt von Michelangelos „David“) gewonnen. Julia Nauhaus, die trotz gewichtiger Proteste von ignoranten Lokalpolitikern aus dem Lindenau-Museum in Altenburg vertrieben wurde, hat in der Gemäldegalerie der Wiener Akademie dankbare neue Arbeitgeber gefunden. In die Donaumetropole zog es auch Stefan Weppelmann, der als Kustos der Berliner Gemäldegalerie für frischen Wind sorgte und Publikumsmagneten wie „Gesichter der Renaissance“ oder die jüngste Botticelli-Ausstellung konzipierte. Er leitet jetzt die weltberühmte Bildersammlung des Kunsthistorischen Museums – während die Berliner Gemäldegalerie den freiwerdenden Direktorenposten gar nicht erst neu besetzt, sondern der bislang nicht sehr energetische Museumsgeneral Michael Eissenhauer das Museum in Personalunion mit übernehmen wird: keine sehr kühne Entscheidung für die deutsche Hauptstadt. Eine tolle Museumsfrau, der man jedes Amt bedenkenlos zutrauen würde, ist Nina Zimmer, die am Basler Kunstmuseum rasch zur Vizedirektorin aufstieg. Jetzt wird die Deutsche das Kunstmuseum und das Paul-Klee-Zentrum in Bern übernehmen – und damit auch das heikle Erbe von Cornelius Gurlitt.
Bitte nicht falsch verstehen: Es geht hier keineswegs um einen Museumsnationalismus, schon gar nicht um eine Forderung nach Deutschen in deutschen Museen. Das wäre mehr als dumm, so international wie die Kunstwelt ausgerichtet ist. Da gehören Direktorenwanderungen ganz selbstverständlich dazu. Trotzdem muss es zu denken geben, wenn eine so ansehnliche Riege von Spitzenkräften das Ausland als Arbeitsplatz vorzieht. Woran liegt es? Fördern Bürokratie, kulturlose Politiker und Sparzwänge den Strom ins Ausland? Sicher liegt es auch an der kunsthistorischen Ausbildung, die hierzulande auch ohne Privatschulen und teure Eliteuniversitäten immer noch sehr gut ist; ein lohnendes Reservoir für ausländische Personalchefs. Die deutschen Museen arbeiten sehr international, sind also gute Schulen für künftige Weltenbummler. Vielleicht auch ein Grund: Als Kulturland zieht Deutschland weithin die Blicke auf sich; da interessiert man sich zwangsläufig in aller Welt auch für die hiesigen Museumsleute. Jeder der Emigranten wird zudem seine ganz persönlichen Gründe für den Umzug ins Ausland haben. Und dennoch: Fatal wäre es, sollte Deutschland für ehrgeizige Museumsdirektoren nicht mehr attraktiv genug sein.
Liebe Leser, mit diesem Artikel beginne ich meinen Blog auf unserer neuen WELTKUNST-Webseite. Künftig werde ich an dieser Stelle aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in der Kunstwelt kommentieren. Auch der Kunstmarkt wird natürlich eine Rolle spielen. Die Texte sollen in lockerer, unregelmäßiger Folge erscheinen. Und keine Bange, die wenigstens werden so lang sein wie dieser.