Derer High-End-Bereich boomt, doch das mittlere Segment profitiert kaum davon: Das zeigen die neuen Zahlen des Tefaf-Reports 2016
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26.04.2016
Wie sieht die Welt der Kunst in schnöden Zahlen aus? Die Antwort gibt wie jedes Jahr der Tefaf-Report. An der Spitze der umsatzstärksten Kunstnationen liegen 2015 unverändert die USA mit 43 Prozent am Gesamtanteil, dahinter folgen Großbritannien und China mit 21 bzw. 19 Prozent. Der weltweite Umsatz mit Kunst ist um 7 Prozent zurückgegangen auf 63,8 Milliarden Dollar nach 68,2 Milliarden Dollar im Rekordjahr 2014. So weit, so wenig überraschend. Spannender wird es, wenn man etwas tiefer in die Datenmengen eintaucht, die das Team um die Dubliner Kunstökonomin Clare McAndrew zusammengestellt hat. Sie zeigen, wie polarisiert der Kunstmarkt tatsächlich ist.
Kurz zusammengefasst lautet ihre Diagnose: In der Spitze boomt der Markt, im Mittelmarkt herrschen dagegen Stagnation oder Rückgang. „In den letzten zehn Jahren schlagen die Ultra-High-End-Verkäufe (also Preise über 10 Millionen Dollar pro Werk) mit einem Wertzuwachs von über 1000 Prozent zu Buche“, bilanziert McAndrew den Wettbewerb um Trophy Art. Es sind diese wenigen prestigeträchtigen Superpreise, die weltweit für Schlagzeilen sorgen und unser Bewusstsein bestimmen, wie es um den Markt steht. Diese Rekordpreise bringen den Auktionshäusern zwar Prestige, aber oft keine Einnahmen, weil aus Wettbewerbsgründen gern darauf verzichtet wird, auch vom Verkäufer eine Gebühr zu verlangen. McAndrew hat zudem ermittelt, dass winzige 0,1 Prozent der Transaktionen (Verkäufe) sagenhafte 28 Prozent zum Gesamtumsatz beitragen. Auf der anderen Seite erzielen 90 Prozent der Werke in Kunstauktionen Preise unter 50.000 Dollar und tragen damit nur magere 12 Prozent zum Gesamtumsatz bei.
Wen beim Blättern in den Katalogen der Abendauktionen von Christie’s oder Sotheby’s das große Gähnen überkommt, weil es ja immer die gleichen Künstler sind, die dort aufgerufen werden, der findet im Tefaf-Report dafür die Bestätigung: Von nur einem Prozent der Künstler stammen Werke, die 57 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Und noch ein weiterer Vergleichswert aus dem Report: Bei der klassischen Moderne liegt der Durchschnittsauktionspreis für ein Werk in Deutschland bei umgerechnet 14.271 Dollar, in den USA sind es 108.231 Dollar und in Großbritannien gar 124.132 Dollar. Wer zahlenhörig ist, könnte schlussfolgern, der beste Auktionsplatz für deutsche Expressionisten sei London. Das stimmt nicht zwangsläufig. Die Erfolgsbilanz deutscher Häuser lehrt, dass sich gerade die Kunst der Brücke und des Blauen Reiter in der Breite besser in Deutschland als in London versteigern lässt.
McAndrews Daten sind aber dennoch nützlich, weil es keine anderen weltweit aggregierten gibt. Der Tefaf-Report entsteht im Auftrag der Maastrichter Messe, die naturgemäß ein Interesse am Hochpreismarkt der zeitgenössischen, modernen und impressionistischen Kunst hat. Der Boom bezieht sich auf das oberste Segment. Im polarisierten Gesamtmarkt aber performen viele Teilmärkte wesentlich schwächer. Da sollte der kaufwillige Kunstfreund genau differenzieren.
Nix für ungut, Ihre Marktfrau.