Werner Murrer tauchte erst in die Geheimnisse der Renaissance ein, bevor er der „Sixtinischen Madonna“ einen neuen Rahmen baute
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01.09.2016
Für den Maler Georg Baselitz ist Raffaels „Sixtinische Madonna“ sein „meistgehasstes“ Bild, viel zu „süßlich“ sei es. Andere, wie Sachsens König August der Starke, setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um es zu erwerben. Und auch die siegreiche Sowjetunion wollte es nach dem Zweiten Weltkrieg unbedingt in ihrem Besitz haben. Als die Madonna dann in den 1950er-Jahren zurück nach Dresden kam, hatte sie keinen schönen Rahmen mehr. Erst zum 500. Geburtstag des Bildes vor vier Jahren bekam sie einen solchen nachgebaut – von Werner Murrer. Er beschäftigt in seiner Werkstatt in München 15 Mitarbeiter und ist Spezialist für historische Rahmen.
Auf der Suche nach einer Vorlage musste Murrer lange recherchieren und Italien bereisen. In einer Kirche in Bologna wurde er schließlich fündig. Dort fand er einen vergoldeten Renaissance-Rahmen mit einem Raffael-Bild, das die gleichen Maße hatte wie die Madonna. Der ähnliche Rahmen wurde zuerst bis ins Detail untersucht. Neben dem Aussehen ist es wichtig, wie der Rahmen hergestellt wurde. Denn nur, wenn man ihn auf die gleiche Weise baut, wirkt er später authentisch – und nicht kitschig. Bei Renaissance-Rahmen muss man dabei erst mal eine gewisse Schlampigkeit erlernen. Die italienischen Rahmenbauer waren auf Effizienz und äußere Wirkung bedacht, weniger auf Haltbarkeit. So wurde der Grundrahmen aus billigem Pappelholz gebaut, von hinten war das Holz kaum bearbeitet. Solche Inperfektion müsse man nachempfinden, sagt Werner Murrer, sonst fehle dem Rahmen nachher der Charme. Zunächst wurde ein Grundrahmen aus Tölzer Pappelholz gebaut, anschließend wurden die auseinandernehmbaren Eckteile mit Holzdübeln verbunden. Wenn diese altern, bieten sie ein charakteristisches Bild, wie man es auch von alten Kleiderschränken kennt. Das erst bringt die richtige Spannung in die Konstruktion, sagt Murrer.
Später wurden darauf die mit festem Lindenholz geschnitzten floralen Ornamente angepinnt und aufgeleimt. Vor der Vergoldung muss erst ein Kreidegrund aufgetragen werden, dem ein Anstrich mit Tonerde folgt. Dann werden hauchdünne Goldblätter geschnitten und auf die Oberfläche aufgearbeitet. Diese wird mit einem Achat poliert, um den nötigen Glanz zu erreichen. Anschließend wird punziert. Dabei werden mit einem Hämmerchen und einem Eisen Effekte in die Goldoberfläche gedellt. Beim Rahmen der Madonna wurde dafür ein Punziereisen mit sieben Enden benutzt. Das sparte Zeit – zügig konnten so mehr als eine Million Punzierungen aufgebracht werden. Verschiedene Lasuren und Patinas vervollständigten das Werk, an manchen Stellen wurde die Goldschicht etwas abgerieben. So sieht der fünf Meter hohe Rahmen heute aus, als würde er schon seit Hunderten Jahren in der Gemäldegalerie hängen. Käme Baselitz vorbei, müsste er anerkennen, dass immerhin der Rahmen eine große künstlerische Leistung ist.