ist stellvertretender Chefredakteur der WELTKUNST und von KUNST UND AUKTIONEN. Er kommentiert, was ihn aufregt oder erfreut im Kunstbetrieb.
Zum Blogist Chefredakteur des ZEITmagazins und Herausgeber von WELTKUNST und KUNST UND AUKTIONEN. Jeden Monat befragt er den Kurator Hans Ulrich Obrist nach seinen Entdeckungen.
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Zum BlogAnnegret Erhard ist ehemalige Chefredakteurin von KUNST UND AUKTIONEN. Den Markt beobachtet sie seit vielen Jahren.
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Monopolisten pflügen eine Schneise der Verwüstung durch den Kunstmarkt, ob im Messe- oder Galeriegeschäft
Von
10.08.2017
Wer dachte, dass der Kunstbetrieb in diesem Jahr mit zusätzlichem venezianischem und Kassler Rummel endgültig überstrapaziert wäre, wer mit besorgtem Blick etwas von Messeüberdruss murmelte oder auf die rückläufigen Verkaufszahlen in den großen Auktionshäusern verwies, hat sich bei aller raunenden Zustimmung der Auguren des Markts und des Zeitgeists mächtig getäuscht. Sie lieben es. Sammler, Künstler, Händler, Vermittler, Kuratoren und Beflissene rauschen von hier nach dort, saugen begierig die An- und Aufregungen des weltweiten Kunstspektakels auf. Man inszeniert sich zu gern in einem permanent gesteigerten Lebensgefühl, das Kunstgenuss (und vielmehr noch den Kunstkauf) zum Elixier einer extrem beschleunigten Existenz macht. Mechanische Erschöpfung und Wiederholungsmüdigkeit sind stets rasch überwunden. Mag sein, dass dieses Phänomen – zusammen mit dem anhaltend mager bestückten Investitionssektor, der nur wenig Lukratives zu bieten hat – bislang jede Krise zum Intermezzo gemacht hat.
Die Art Basel lief wieder einmal blendend. Das Zugpferd der unersättlichen MCH Group, Spezialist für Großveranstaltungen der Luxusgüterbranche, ist mit seinen Dependancen Art Basel Miami und Art Basel Hongkong weltweit strategisch ausgezeichnet vertreten. Mehr von diesen Riesentankern müssen es gar nicht sein, um sich an der Spitze zu behaupten. Ein schönes Monopol lässt sich auch elegant etablieren, indem man sich regionale Messen einverleibt. Jüngster Coup der Basler ist die Beteiligung an der Art Fair International in Köln, der die Art Düsseldorf mit der Tochterschau Bloom gehört.
Daniel Hug, Direktor der Art Cologne, der Urmutter aller Kunstmessen, sprach bei so viel bedrohlicher Nähe prompt von Kolonialismus und verwerflichem Machtstreben. Das ist insofern schon interessant, weil er selbst gerade mit seiner Messe die alljährlich im Herbst stattfindende, in vielerlei Hinsicht überholungsbedürftige abc in Berlin unter die Fittiche genommen hat und damit eigenes Expansionsinteresse signalisiert. Hugs unverblümte, überraschend ethisch unterfütterte Kritik richtet sich wohl auch gegen die frisch aufgelegte Initiative „Art Basel Cities“. Sollte diese zum Erfolgsprojekt werden, könnte das daraus resultierende engmaschige Netzwerk die Konkurrenten langsam, aber sicher strangulieren. Geplant sind herausragende Kunstevents, die von der Art Basel das ganze Jahr über in ausgewählten Metropolen temporär installiert werden und die digital gesteuerte Karawane nicht zur Ruhe kommen lassen. Buenos Aires empfängt als erste Station die Kunstfreunde und ihre Marketender und erhofft sich Profit auch in anderen Luxussparten.
Innovation ist wichtig, doch dieses Rollkommando birgt ungute Nebenwirkungen. Eine Art-Basel-Paranoia wäre noch die geringste Irritation. Aber eine derartige Monopolisierung mit ihren unweigerlichen Begleiterscheinungen – Selektion der Aussteller, wettbewerbsfeindliche Preisgestaltung für die Teilnehmer, ein Angebot ausschließlich im hochpreisigen, gängigen Rahmen des sattsam Bekannten – macht die inspirierende Vielfalt der Messelandschaft kaputt. Wirtschaftswissenschaftler sehen in einer Zunahme der Monopolbildung ein Alarmzeichen des Niedergangs nach einer hypertrophen Hochphase. Hat man die Konkurrenz ausgeschaltet, steht man wahrscheinlich irgendwann allein auf weiter, allerdings leer gefegter Flur.
Ohne Messeauftritte – unerlässlich für Umsatz und die Akquise von neuen Kunden – sind die mittleren und kleinen Galerien aufgeschmissen. Können sie dem monopolistischen Kostendiktat nicht mehr folgen, sind sie eines lebenswichtigen Forums beraubt. Das ist ein wesentlicher Grund für das allerorten zu beobachtende Galeriensterben. Wer die Nerven behält, wirkt weiter als Art Consultant, und für die paar treuen Sammler muss man kein teures Etablissement unterhalten.
Hinzu kommt, dass die Großgaleristen Gagosian, Hauser & Wirth oder Zwirner inzwischen ein Gruppenmonopol bilden und mühelos alles, auch die internationale Museums- und Ausstellungspolitik, dominieren. Diese Stellung festigen sie, indem sie sich vielversprechende Nachlässe sichern und so den Markt für möglichst viele wichtige Künstler kontrollieren. Sie streuen die Werke, wie und wann sie es für richtig halten. Beileibe nicht jedem verkauft Hauser & Wirth eine Arbeit von Arshile Gorky oder Eva Hesse, sie diktieren Angebot und Preis, verknappen künstlich und bekommen, wie jetzt auf der Art Basel, 15 Millionen Dollar für ein Gemälde von Philip Guston.
Monopolisten pflügen, egal ob im Messe- oder im Galeriegeschäft, eine Schneise der Verwüstung durch den Markt – das ist keine Übertreibung. Auf der Strecke bleiben diejenigen, die in der Ökonomie der Aufmerksamkeit keinen einigermaßen komfortablen Nischenplatz ergattert haben. Doch ohne sie funktioniert es auf Dauer nicht.
Aus dem verregneten London blickt Hans Ulrich Obrist zurück nach Münster
Von
31.07.2017
Hallo zunächst aber aus dem verregneten London! Während wir hier gerade miteinander telefonieren, sehe ich, wie der Regen vom Dach des diesjährigen Sommerpavillons abfließt auf den grünen Rasen der Kensington Gardens um ihn herum. Ein herrliches Bild. Den Pavillon 2017 hat Diébédo Francis Kéré gebaut, ein Architekt, der in Burkina Faso geboren ist und in Berlin studiert hat, wo er bis heute lebt. In unserer Sackler Gallery werden parallel Filme des amerikanischen Regisseurs Arthur Jafa gezeigt, es ist seine erste Ausstellung in Großbritannien. Viele kennen seine Videos für den Rapper Jay-Z und für die Sängerin Solange, der Schwester von Beyoncé, die im vergangenen Jahr ein fantastisches Album veröffentlicht hat.
lch schaue mir den Pavillon gerade auf Bildern an. Er wirkt wie ein Baum, unter den sich die Besucher schützend stellen können …
… und trocken bleiben! In der Serpentine Gallery zeigen wir übrigens noch bis zum 10. September gerade unter dem Titel „The Most Popular Art Exhibition Ever!“ Arbeiten von Grayson Perry.
Was für ein Sommer, nicht nur das Wetter spielt total verrückt, auch in Hamburg sind Sie in einen heftigen Trubel gekommen.
Ja, ich komme gerade aus Hamburg zurück, das nach dem G20-Gipfel auch noch sehr aufgewühlt wirkte. Ich war dort zu einem Vortrag an der Hochschule für Bildende Künste eingeladen.
Was war der Anlass für die Einladung?
Michael Diers und Wim Wenders haben dort gemeinsam ihren Abschied als Professoren gefeiert. Wenders hat seit 2002 an der Hochschule Film unterrichtet, Diers seit 2004 Kunstgeschichte. Und beide haben sich zu ihrem Abschied jeweils einen speziellen Gast ausgesucht. Laurie Anderson wurde von Wim Wenders eingeladen, ich von Michael Diers. Ich mochte es sehr dort, das Niveau des Fachbereichs Kunstgeschichte ist in Hamburg traditionellerweise hoch, und Diers und Wenders haben als Lehrer dort einen großen Einfluss ausgeübt. Aber ich wollte ja noch über eine andere Stadt reden, über Münster und die Skulptur Projekte.
Viele sagen, diese Großausstellung sei in diesem Jahr die bessere Documenta.
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich bislang nicht in Kassel war. Von der Documenta in Athen haben wir ja schon gesprochen.
Also zurück nach Münster.
Was für eine fantastische Idee, die der Kurator Kasper König vor vierzig Jahren ins Leben gerufen hat …
… und die immer alle zehn Jahre parallel zur Documenta läuft.
Ja, eine Ausstellung, die sich über die ganze Stadt verteilt, an öffentlichen Plätzen, ohne Eintrittskarten, jeder ist willkommen. Sie lädt die Besucher ein, zu verweilen.
Nach vierzig Jahren wurde sie erstmals wieder von Kasper König kuratiert, gemeinsam mit Britta Peters und Marianne Wagner.
Es ist einfach wunderbar, sich überraschen zu lassen. Als wir durch die Stadt spaziert sind, kam plötzlich eine Frau auf uns zu, gab uns die Hand, begrüßte uns, als ob wir uns seit Langem kennen.
Sie hatten keine Ahnung, wer sie ist?
Ich hatte sie noch nie gesehen. Dann stellte sich heraus, dass es eine der Performerinnen von Xavier Le Roy war. Dessen Arbeit in Münster besteht darin, lebende Skulpturen auftreten zu lassen, die einfach kommen und verschwinden. Als wären sie Gespenster.
Was haben Sie außerdem gesehen?
Fantastisch ist Hreinn Friðfinnssons Hausskelett aus Edelstahl, das auf einer Wiese im Sternbuschpark steht (Abb.). Durch die glatte Oberfläche des Edelstahls spiegelt sich der Wald darin – und das Objekt verschwindet nahezu. Er hat mir erzählt, dass er diesen perfekten Platz für das Haus gemeinsam mit den Kuratoren gefunden hat, eine echte Kollaboration also. Und Hito Steyerls Arbeit sollten wir unbedingt erwähnen, die komplexe Installation „Hell-Yeah-Fuck-We-Die“ in der Landesparkasse. Sie zitiert Wörter, die heutzutage sehr oft in Popsongs vorkommen.
Und was beschäftigt Sie derzeit außerhalb der Kunstwelt?
Ich lese immer noch die Gedichte von Friederike Mayröcker. Diese Frau verdient den Lite-raturnobelpreis! Lassen Sie uns das Gerücht, dass sie ihn dieses Jahr bekommt, weiter unauffällig in unserer Kolumne streuen.
Wiederentdeckte Künstler verheißen Gewinne, doch die derzeit so beliebte Nischenpflege erschöpft sich schnell
Von
02.06.2017
Der Blick über die Schulter, versonnen, die irritierende Gegenwart ausblendend, ist zweifellos eine ausgesprochen elegante, von Sehnsucht grundierte Haltung. In jeder Hinsicht. Dass sich der Kunstmarkt derzeit verstärkt der jüngeren Vergangenheit, den Jahrzehnten der Nachkriegszeit zuwendet, ist freilich eher Indiz einer fast kollektiven Übereinkunft, die Produktpalette neu zu sortieren. Das historische und kommerzielle Interesse am auszuschöpfenden Potenzial von (vermeintlich) Vergessenem und (schon seinerzeit zu Unrecht) Übersehenem ist überaus reizvoll. Nahezu alle Messen mit Gegenwartskunst haben spezielle Sektionen eingerichtet. „Rediscovery“ oder ähnlich heißen die Abteilungen aufmunternd mit leicht didaktischem Einschlag. Sie richten sich an eine Klientel, die sich nicht mit Pauken und Trompeten, aber in Teilen doch bereitwillig abkehrt von der bis vor Kurzem noch so berauschenden Szene der Gegenwartskunst.
Wer sich bisher die millionenschweren Blue Chips nicht leisten konnte oder wollte (das waren weit mehr als neunzig Prozent der Käufer), kaufte in niedrigeren Preissegmenten und setzte entschieden oder stillschweigend auf die Werke eines fantastischen Genies in den Mittzwanzigern. Das ging nicht immer gut, wie sich in etlichen, nach einer Zeit der Besinnung anstehenden Verkäufen zeigte, und raubte nicht nur finanzielle Ressourcen. Die in der jüngsten Vergangenheit oft himmelschreienden Gewissheiten des Kunstmarkts sind inzwischen arg ins Wanken geraten.
In Zeiten weltpolitischer Turbulenzen und allgemeiner Orientierungslosigkeit besinnt man sich gern und sehr barock auf eitlen Wahn und echte Werte. Man kramt in der jüngeren Kunstgeschichte, man pflegt (der Galerist) und betrachtet (der Kunstfreund) sorgfältig die Künstlernachlässe des 20. Jahrhunderts. Jeder Händler zeitgenössischer Kunst, der auf sich hält, hat mittlerweile mindestens eine solche Wiederentdeckung auf Lager. Diese Marktnischen werden dann fein ausstaffiert, der vorsichtige Sammler nähert sich schnuppernd, der Investor wittert Morgenluft. Die fast nie gesehenen, verschollen geglaubten, von Erben versteckten, von der Kritik nicht anerkannten, aber von Künstlerkollegen hochgeschätzten Werke aus der zweiten Riege der einstigen Avantgarde gelten heute allgemein als unterbewertet.
Das waren sie natürlich nicht, denn was auf dem Markt kaum gefragt oder gar nicht erst sichtbar war, kann schlicht keine spektakuläre Preisentwicklung vorweisen.
Doch kann sich die frisch installierte Nische bei guter internationaler Pflegestrategie (Presse, Marketing, solide Auftritte im richtigen Umfeld) zum Edelbrutkasten für satte Preise mausern? Da gibt es unterschiedliche Erfahrungen. Die „verschollene“ Generation der Zwischenkriegskünstler, seit Jahren schon gehegt und gepriesen, ist nie über ein paar Achtungserfolge hinausgekommen. Die Liebe zu den Zero-Künstlern explodierte dagegen vor einigen Jahren nach langem, lediglich regional vor sich hindümpelndem Interesse. Nun feierten Uecker, Mack, Piene, Scheggi, Castellani und Schoonhoven Triumphe. Die bisherigen Eigentümer verkauften und belieferten die Auktionen, als gäbe es kein Morgen. Die Preise stiegen exorbitant; aber auf höchstem Niveau angelangt, wird es schon wieder frostiger.
Wie sieht es auf dem Antiquitätenmarkt aus? Der facettenreiche, einst maßgeblich und weltumspannend agierende Handel mit kostbarem Kunsthandwerk schrumpft stetig und unaufhaltsam. Wohlfeiler Kulturpessimismus soll hier nicht gefeiert werde, an eine zukünftige Nischenposition wollen wir gar nicht denken, aber wer die wenigen maßgeblichen Messen mit feinen Antiquitäten vergangener Jahrhunderte besucht, begegnet nicht sonderlich vielen jungen Sammlern. Auf der Suche nach einem (meist tatsächlich nur einem) distinguierten Möbel – was sich leicht finden lässt, denn die Preise sind auf einem sehr moderaten Level gelandet – bewundern sie etwas ratlos die Altmeistergemälde und Tapisserien, Skulpturen und Aufsatzsekretäre. Neugierig inspizieren sie dagegen die Kojen mit den Kunstkammer-Arrangements. Und entscheiden sich für eines der gut dokumentierten Objekte: gefilterte Zeitzeugen vergangener Jahrhunderte, die ästhetisch und formal von Abenteuern, Menschen, Dingen und Verhältnissen erzählen, von Handwerkskunst und Prestige. Und die besonders geeignet sind, im häuslichen Ambiente Bildung, Humor und Weltläufigkeit zu demonstrieren. Nur selten wird daraus eine fokussierte Sammelleidenschaft. Der heutige Zeitgeist sieht das einfach nicht vor.
Der klassische Porzellan-, Silber- oder Glassammler hingegen ist betagt und erfahren. Er sucht in einem stark geschrumpften, qualitativ übrigens durchweg diametral gestiegenen Angebot nur noch das eine, das herausragende Stück, das seine Leidenschaft krönen könnte. Sein Blick über die Schulter ist wissend und melancholisch, eine Spur Optimismus blitzt aber auf in seinen Augen. Es sind die Augen des kundigen Bewahrers.
Kaffeegenuss in edelster Form – kunstvoll zubereitet mit dem Coffee Maker aus Paris.
Von
31.05.2017
Zur Kunst gehört die ständige Verfeinerung. Besonders beeindruckend war diese in den letzten Jahren beim Kaffee. Früher war dieses Heißgetränk eine simple Sache. Man gab das immer gleiche Pulver in einen Filter – und fertig. Mittlerweile muss man zumindest eine Siebträgermaschine und Bohnen aus kontrolliertem Anbau aufbieten, um nicht als Barbar zu gelten.
Die große Kunst der Kaffeezubereitung ist es, ihn mit einem Glaskolben zu brühen. Dabei wird Wasser in einem Gefäß mit einem Brenner zum Kochen gebracht, das über ein Röhrchen mit einem Glas verbunden ist. In dieses sprudelt das kochende Wasser hinein und wird dort mit dem Pulver vermischt. Anschließend wird der Brenner ausgeschaltet, die Luft kühlt ab und durch den Unterdruck wird der Kaffee in das Ursprungsgefäß gesaugt. Das Pulver bleibt zurück. Solcher Kaffee gilt als sehr wohlschmeckend, weil das Gebräu nicht vom Papiergeschmack des Filters kontaminiert ist.
Besonders raffiniert ist der Royal Coffee Maker, der in Paris von Hand gefertigt wird. Hier treffen Kaffee und Wasser bei der perfekten Temperatur aufeinander, damit die richtigen Öle und Aromen extrahiert werden. Das Wasser wird mit einem Spiritusbrenner erhitzt, steigt vom Messingkessel in einen Glaskolben. Wenn der Kessel leer ist, hebt er sich durch einen Gleichgewichtsmechanismus, eine Klappmechanik löscht die Flamme. Der Kaffee läuft durch den Unterdruck zurück in den Kessel, von wo er mit einen Hahn gezapft wird.
Diese Coffee Maker sind nach Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert gefertigt. Die Messingteile werden einzeln gegossenen und dann von Hand verfeinert. Der Kunde kann zwischen einem Gold-, Silber- oder Kupferfinish wählen. Jedes Metallteil wird poliert und anschließend auf eine Basis aus Obsidian, Malachit oder Azurit montiert.
Zum Schluss wird in die Royal-Maschine noch eine Seriennummer graviert. Hernach kann man den vielleicht besten Kaffee der Welt genießen. Im Kolben sorgt ein Goldfilter dafür, dass kein Kaffeepulver in den Messingkessel gelangt. Gold ist geschmacksneutral. Eigentlich schade. Nur zwei Nachteile hat der Royal-Coffeemaker. Man muss für ihn etwa 10 000 Euro ausgeben. Und anschließend wird einem jeder andere Kaffee schmecken, als hätten ihn Barbaren gebraut.
Die Venedig-Biennale mit interessanten Pavillons aus Antigua und des Irak sowie einer großartigen Ausstellung des Künstlers Wade Guyton im Madre Museum in Neapel.
Von
30.05.2017
Was haben Sie geehen, Herr Obrist?
Italien. Ich war auf Rundreise dort, habe Venedig, Neapel und Mailand besucht. Vielleicht fangen wir mit der Biennale in Venedig an, wobei ich sagen muss: Die beste Ausstellung ist in Neapel.
Ein guter Cliffhanger für das Ende dieses Gesprächs.
Ja. Es ist bereits viel über die Biennale berichtet worden, über die zentralen Pavillons innerhalb der vollen Giardini …
… etwa über die deutsche Gewinnerin des Goldenen Löwen, Anne Imhof …
… sodass ich dachte, wir reden über die Pavillons an der Peripherie, die nicht so im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Weil es innerhalb der Giardini so dicht ist, ist ja längst die ganze Stadt Venedig selbst zum Austragungsort geworden. Es kann ja auch niemand ernsthaft rechtfertigen, dass nur die wenigen Länder, die immer schon ihre Pavillons innerhalb der Giardini hatten, ausstellen dürfen.
Welche Pavillons haben Sie besonders begeistert?
Einer der interessanteste ist aus Antigua.
Das Land nimmt zum ersten Mal an der Biennale teil.
Viele haben den verpasst, aber der Besuch lohnt sich! Der Pavillon ist ganz klein, liegt auf einer ebenso kleinen Insel und zelebriert den vor acht Jahren verstorbenen Künstler Frank Walter. Er hat in extremer Armut gelebt, er war das Kind eines Sklavenbesitzers und einer Sklavin, eine zerrissene Identität. Er ist in den Fünfziger- und Sechzigerjahren viel nach Europa gereist, ist heftigem Rassismus begegnet und hat sich anschließend auf dem Land in Antigua intensiv mit Landwirtschaft und Fragen der Ökologie auseinandergesetzt. Er war ein Pionier. Und er hat über 5000 Bilder gemalt! Ein unglaubliches Werk, das bislang nicht zu sehen war. Er hat auch Gedichte geschrieben, fast alle Künste betrieben: Er war der Leonardo da Vinci von Antigua.
Die Ausstellung heißt passenderweise „The Last Universal Man“. Was haben Sie noch gesehen?
Von dort ging mein Spaziergang weiter zum Pavillon des Irak. Im Auftrag der Ruya Stiftung haben Tamara Chalabi und Paolo Colombo die Ausstellung „Archaic“ kuratiert, die vom Einfluss des alten Mesopotamien auf unsere Kunst heute erzählt. Sie präsentieren einerseits irakische Künstler der Moderne, die wegen der Kriege vergessen sind. Den einflussreichsten von allen, Jewad Selim, der von 1919 bis 1961 gelebt hat, und seinen Schüler Shakir Hassan Al Said, der 2004 gestorben ist. Andererseits ist die heutige Generation von irakischen Künstlern zu sehen, von denen viele durch die Kriege vertrieben mittlerweile in Europa leben, Sadik Kwaish Alfraji etwa in den Niederlanden, Nadine Hattom in Deutschland. Ein weiterer unglaublicher Pavillon war Taiwan: der Performance-Künstler Tehching Hsieh und seine Ausstellung „Doing Time“. Sein Werk hatte einen wichtigen Einfluss auf Marina Abramović. Seine Performances dauern oft ein ganzes Jahr, er ist wirklich radikal. Ach, und bevor wir über Neapel reden, noch ein Tipp: Die V-A-C Foundation zeigt in Venedig über 100 Arbeiten von russischen Avantgarde-Künstlern der Zwanziger- und Dreißigerjahre und stellt sie in einen Dialog mit Bildern von zeitgenössischen Künstlern wie Barbara Kruger und Wolfgang Tillmans.
Und zum Schluss: Neapel!
Das Madre Museum zeigt eine großartige Ausstellung des amerikanischen Künstlers Wade Guyton, geboren 1972, er lebt in New York. Guyton arbeitet nicht mit dem Pinsel, er malt, wenn man so will, mit Scannern und Druckern. Er stellt im dritten Stock des Museums Arbeiten aus, die während seiner Residency in Neapel entstanden sind. Schon jetzt eine der Ausstellungen des Jahres. Der Titel „Siamo Arrivati“, auf Deutsch: „Wir sind angekommen“, verwendet den Slogan, mit dem McDonald’s die Eröffnung neuer Restaurants beworben hat.
Und was beschäftigt Sie außerhalb der Kunstwelt?
Ich lese gerade „Climate of Hope“, geschrieben vom früheren New Yorker Bürgermeister und Unternehmer Michael Bloomberg und dem Umweltaktivisten Carl Pope. Die beiden erklären ganz konkret, wie wir das Klima retten können, was zu tun ist.
Der Kunstmarkt dreht endgültig durch: Ein Kommentar zum Rekordpreis von 110,5 Millionen Dollar für Jean-Michel Basquiat
Von
19.05.2017
Dass die Preistreiberei um die zeitgenössische Kunst schon längst nichts mehr mit dem Wert der Werke zu tun hat, die ihnen die unbestechliche Selektion der Kunstgeschichte einmal zubilligen wird, das weiß wohl jeder, der im Kunstbetrieb noch einigermaßen klar denken kann. Aber trotzdem hält die Spirale nach oben nicht an, sondern bringt immer neue Rekordmarken hervor. Nun also 110,5 Millionen Dollar (mit Aufgeld) für ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat. Hundertzehn Millionen! Der japanische Milliardär Yusaku Maezawa hat es – mit einem anderen Verrückten – gestern bei Sotheby’s in New York so weit emporgesteigert. Jetzt brüstet er sich damit auf Instagram. Verrückt? Ein böses Wort, ist es nicht Kunstleidenschaft, wenn man ein Gemälde um jeden Preis besitzen will? Nein, das hat mit Passion für die hehre Kunst nichts mehr zu tun. Und wenn Passion nur noch mit viel Geld zu tun hat, dann läuft irgendwas absolut schief.
Das tut es ja schon seit Jahren; längst ist der größeren Öffentlichkeit kaum noch zu vermitteln, dass es am Kunstmarkt um mehr geht als nur eine durchgedrehte Jagd nach Rekordpreisen. Und dem Kunstmarkt selbst schaden diese Preishöhen letztlich viel mehr als dass sie ihm nützen. Sammler, Besitzer, Einlieferer, überhaupt jeder Kunstfreund – ihnen allen wird ein völlig falsches Wertgefüge vorgegaukelt. Zahlen sind messbar und vermeintlich objektiv, darum wird die Wertschätzung von Basquiat künftig vor allem an der Tatsache gemessen werden, dass er der teuerste Gegenwartskünstler ist. Dass er 1988 mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin starb, ist dieser Verklärung nur dienlich. Immerhin ist er damit in der berühmten Reihe der im gleichen Alter unter ähnlichen Umständen gestorbenen Popstars wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain oder zuletzt Amy Winehouse. Das ist tragisch und angesichts all der großen Talente (das war auch Basquiat zweifellos) sehr zu bedauern. Aber es betäubt auch die Wahrnehmung des eigentlichen Werks beträchtlich – wie eben die Preisrekorde.
Bei allem Respekt vor Basquiat: Ein solcher Preis hat mit seiner Bedeutung als Maler nichts mehr zu tun. Er war Teil der weltweiten neoexpressionistischen Strömung der Achtzigerjahre und dabei gewiss eine wichtige Gestalt. Aber ob ihm ein so epochaler Rang gebührt, wie ihn der enorme Preis jetzt suggeriert, ist doch mehr als fraglich. Es gab viele andere Künstler, die das Geschehen in den Achtzigern prägten. Basquiat als einsamer Solitär, noch vor Warhol, der nun wirklich der bedeutendste, innovativste und einflussreichste aller Nachkriegskünstler war? Das Wertesystem am Kunstmarkt und die kunsthistorische Kanonbildung entfernen sich immer mehr voneinander. Eine fatale Schere, die falsche Werte vorgaukelt. Denn am Ende ist die Geschichte doch gnadenlos und unbestechlich. Und eines steht fest: Spätestens in einigen Jahrzehnten (womöglich schon viel früher) werden sich die geldbenebelten Wahrnehmungsschwaden um Basquiat lichten und man kann ihn im größeren Maßstab einordnen und bewerten. Dort, wo er hingehört. Wo genau, darüber lässt sich heute noch streiten und orakeln. Dann jedenfalls – so viel müssen die aufgeputschten Käufer von heute befürchten – werden seine Werke am Markt nur noch ein Bruchteil vom gestrigen Preis wert sein.