ist stellvertretender Chefredakteur der WELTKUNST und von KUNST UND AUKTIONEN. Er kommentiert, was ihn aufregt oder erfreut im Kunstbetrieb.
Zum Blogist Style Director des ZEITmagazin. Er stellt jeden Monat herausragende Leistungen der Handwerkskunst vor.
Zum BlogAnnegret Erhard ist ehemalige Chefredakteurin von KUNST UND AUKTIONEN. Den Markt beobachtet sie seit vielen Jahren.
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Symbol der Ewigkeit: Seit vielen Jahrzehnten fertigt Bulgari aufwendige, kleine Schmuckechsen, die sich um das Handgelenk schmiegen
Von
08.11.2016
Der Mensch hatte schon immer ein eher gespaltenes Verhältnis zu den Tieren mit gespaltener Zunge. Einerseits bewunderte man die Eleganz der Schlange – andererseits fürchtete man die Echse, die ihre Opfer wahlweise erwürgt oder vergiftet und anschließend verschlingt. Die alten Ägypter verehrten die Kobra als Göttin der Ernte, in der griechischen Mythologie ist es die Unheil bringende Medusa, die Haar aus Schlangen hat. Und dann ist da noch die Schlange im Garten Eden, die Adam und Eva dazu verführt, die Früchte des Baumes der Weisheit zu kosten. Hernach waren Adam und Eva zwar so klug, dass sie das Gute und das Böse unterscheiden konnten. Der Herrgott aber war ihnen gram und warf sie aus dem Paradies. Seitdem müssen Menschen arbeiten.
Darunter leiden wir heute immer noch – und das alles wegen ein paar Bissen frischen Obstes. Nun sitzen wir auf Erden, können gut und schlecht unterscheiden, was uns immerhin in die Lage versetzt, Dinge zu schätzen, wie sie das Haus Bulgari fertigt.
Das Haus wurde 1884 von Sotirio Bulgari, einem Mann griechischer Abstammung, in Rom gegründet. So war Bulgari schon immer von der griechischen und römischen Kultur geprägt. Nachdem Bulgari mit der Herstellung von Silberwaren und Dekorationsartikeln begonnen hatte, entschied er sich 1905, Schmuck zu schmieden. Nach seinem Tod 1932 führten seine Söhne Giorgio und Constantino den Betrieb weiter. Sie hatten die Idee, sich den Schlangen zu widmen. Sowohl in der griechischen wie römischen Mythologie repräsentieren Schlangen positive Eigenschaften wie Wiedergeburt, Heilung, Schutz und Verführungskraft. Bei Plato symbolisiert die sich in den Schwanz beißende Schlange die Ewigkeit. Deshalb hat man sich bei Bulgari das Tier zu eigen gemacht. Seit den 1940er-Jahren stellt der italienische Juwelier die sogenannte Serpenti-Kollektion her: Schlangen, die sich als Schmuck um den Arm schlingen.
Die Technik, mit der die Schmuckschlangen hergestellt werden, heißt Tubogas. Der Name ist von Gasschläuchen inspiriert, die tatsächlich einige Ähnlichkeit mit den Stücken haben. Bei Tubogas greifen einzelne Glieder eines Schmuckstücks so ineinander, dass das Teil flexibel ist wie ein Schlauch – oder eben ein Schlangenkörper. Die Schmuckstücke sind sehr solide, obgleich die Glieder nicht fest miteinander verbunden sind. Das Tubogas-Verfahren erfordert viel Geduld und jahrelange Erfahrung. Dabei muss der Goldschmied zwei Metallstreifen mit abgehobenen Kanten um einen Metallkern aus Kupfer schmieden. Der Kern, der auch aus Holz sein kann, wird später wieder entfernt. Die einzelnen Glieder sind schließlich durch die ineinandergreifenden Enden verbunden und sehr flexibel. Dadurch entsteht der Eindruck, das Stück sei weich und organisch. Die Glieder der Serpenti-Schlange sind dabei nicht gleich, sondern verjüngen sich zum Schwanz hin. Manche Modelle der Serpenti werden aufwendig mit Diamanten und anderen Edelsteinen verziert. Aus dem Schlangenkopf leuchten dann rubinrote Augen. Bei einigen Stücken ist im Schlangenkopf sogar ein Uhrwerk im Maul der Schlange untergebracht.
Die Schlange aus dem Garten Eden wurde für die Verführung Evas übrigens ebenfalls bestraft. Gott befahl ihr, fortan auf dem Bauch zu kriechen. Er nahm ihr also die Beine. Für die Serpenti-Armreifen ist das wiederum ein Vorteil. Denn so ein Schmuckstück mit Beinen zu versehen, wäre unnötig kompliziert und auch wenig elegant. Sie würden nur stören. Von daher hat der Konflikt im Paradies auch etwas Gutes gehabt.
Zu ihrem zehnten Jubiläum hat sich die Edelobstbrennerei Stählemühle Flakons der Porzellanmanufaktur Nymphenburg gegönnt
Von
25.10.2016
Edelbrände und Weine werden in unserem Kulturkreis normalerweise in Glasflaschen gelagert. In Japan hingegen reift der Reiswein Sake in Porzellangefäßen. Das ist ein feiner Unterschied, das Porzellan hat größere Poren als das dichtere Glas, es kann ein besserer Mikroaustausch von Sauerstoff mit der Umwelt stattfinden. Trotzdem gibt es kaum Flakons aus Porzellan in der Welt des Alkohols.
Die Brennerei Stählemühle hat nun zu ihrem zehnten Jubiläum zusammen mit der Münchner Porzellanmanufaktur Nymphenburg eine besondere Jubiläumsedition von Bränden aus Kornelkirsche, sizilianischer Blutorange und Konstantinopler Apfelquitte geschaffen. Sie sind abgefüllt in Flakons aus handgefertigtem mattweißen Biskuitporzellan. Die Flakons tragen ein schwarzweißes Dekor historischer botanischer Darstellungen, das wie Tuschezeichnungen von Hand aufgemalt wird.
Die Ästhetik liegt Christoph Keller, dem Chef der Brennerei Stählemühle, im Blut. Schließlich war er vor seiner Karriere als Schnapsbrenner Kunstverleger. Er hatte 2004 das Anwesen „Stählemühle“ am Bodensee übernommen und dort ein altes Brennrecht vorgefunden, das er wiederbelebte. Schon wenige Jahre später wurde er vom Gault Millau zu einem der zehn besten Destillateure der Welt erklärt.
Eine gute Schnapsflasche aus Porzellan zu fertigen ist allerdings nicht leichter, als einen perfekten Schnaps zu machen. Die Porzellanmasse wird im Hause Nymphenburg aus Feldspat, Quarz und Caolin von Hand angerührt und kann erst nach einem langem Reifungsprozess verwendet werden. Von den Flaschen, die in diesem Fall sechseckig sind, mit einem hervorgehobenen Schriftzug Aqua Vitae, wird ein Modell gefertigt. Anhand des Modells werden wiederum Gußformen aus Gips hergestellt. In jene wird anschließend die Porzellanmasse eingegossen. Der Gips entzieht der sogenannten Schlickermasse das Wasser, sodass sich bald an den Wänden der Form eine feste Schicht ansetzt. Der Rest der Masse wird ausgegossen. Wenn die Porzellanmasse getrocknet ist, werden die Formen geöffnet.
Mehrere Brennvorgänge sind notwendig, um aus dem Rohling ein fertiges Produkt zu machen. Aus dem ersten Brennvorgang bei etwa 1000 Grad kommt der Rohling porös und beträchtlich geschrumpft heraus. Nach einem weiteren, noch heißeren Brennvorgang ist das Porzellan verdichtet. Beim letzten Brand wird die Lasur fixiert. Anschließend kann das schwarze Dekor auf die Flasche gemalt werden.
Die Schnapsflakons sind aus sogenanntem Biskuitporzellan, das nur dort, wo Dekor aufgetragen wird, glasiert werden muss und wegen seiner matten Struktur besonders edel aussieht. Die offene Oberfläche des Porzellans hat allerdings noch einen weiteren Vorteil. Wegen ihr kann der schlussendlich darin abgefüllte Edelbrand in den dreimal 32 Flakons der Sonderedition atmen und angenehm reifen. Über viele, viele Jahre hinweg. Allerdings sind die Brände der Stählemühle so begehrt, dass man ihnen kaum diese Zeit zugestehen dürfte.
Sammy Hart / Porzellanmanufaktur Nymphenburg
Erfolgreicher im Geldverdienen, mutiger im Geldausgeben: Wolfgang Ullrich analysiert das Zusammenspiel von Kunst-Superstars und Superreichen
Von
09.09.2016
Mit großer Leidenschaft und spitzer Feder seziert der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich fortdauernde Missstände im Hochpreissegment der zeitgenössischen Kunst. Der 160-Seiten-Essay „Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust“ (Verlag Klaus Wagenbach, 16,80 Euro) ist eine der anregendsten Neuerscheinungen des Jahres. Er befeuert die Diskussion über den Kunstbetrieb mit guten Argumenten.
Ullrich, Professor für Kunstgeschichte, der dem Universitätsbetrieb den Rücken gekehrt hat, um zu schreiben, liest nicht nur den Künstlern die Leviten, die leicht eingängige, aber exorbitant teure „Siegerkunst“ produzieren. Er kritisiert an dieser Kunst von Siegern für Sieger auch den Apparat, also die das Geschäft forcierenden Galeristen, Auktionatoren und Sammler. Die Superreichen suchen heute millionenschwere Kunst, mit der sie vor allem sich selbst repräsentieren können. Als perfekt auf diese Distinktionsbedürfnisse abgestimmt, führt Ullrich die Kunstkonfektion von Jeff Koons und Anselm Reyle vor, aber auch die Abstraktionen von Ólafur Elíasson, Katharina Grosse und Gerhard Richter. Ullrich geißelt, dass die Bedeutung von Kunst nur mehr über ihren astronomischen Preis entstehe und nicht mehr wie in der Moderne über den in der Komposition verdichteten Inhalt und seine Fähigkeit zur Transzendenz.
Die klassische Moderne hatte einst Kunst hervorgebracht, die weltverbessernd ideologisch war, Freiheit proklamierte, das Individuum meinte, auf Reinigung und Reflexion fixiert war. Heute aber fehlen Kritik und Tiefsinn, konstatiert Ullrich in seinem Abgesang auf die Moderne. Kunst habe keine ideelle Dimension mehr. Der Kunsthistoriker beobachtet sehr richtig, dass sie diese Leere mit dem Hang zum Superlativ kompensiert – etwa über teures Material, komplizierte Verarbeitung oder eben einen Weltrekordpreis im Auktionshaus. Die das Werk glorifizierende Katalogprosa aber entdeckt in der größten Banalität noch kritischen Geist. „Im Kauf von Siegerkunst kann der Superreiche also die Folgen seines kapitalistischen Agierens genießen und zugleich seine Unabhängigkeit von diesem beweisen, ja sich zum Kritiker von Profitstreben und Effizienzdenken stilisieren.“ In Ullrichs Gesellschaftsanalyse ist der Kauf von hochpreisiger Kunst dann eine doppelte Erhöhung. Er bringt es auf die schöne Formel: „Erfolgreicher als andere im Geldverdienen, mutiger als andere im Geldausgeben.“
Erfolgreiche Künstler verstehen sich heute als Marken, deren Image gehegt und gepflegt werden muss. Ullrich zeigt an den Beispielen von Gerhard Richter, Damien Hirst oder Takashi Murakami, wie diese Kritik und Rezeption peinlich genau steuern. Wie weit die Kontrolle geht, verdeutlicht auch Ullrichs Essay. Grau unterlegte Bildfelder markieren Werke, die abgebildet werden sollten, deren Rechteinhaber die Abdruckgenehmigung aber verweigerten. Da drängt sich dem Autor ein Vergleich der Siegerkunst mit Produkten der Luxusindustrie auf, bei denen die Marketingkosten die Herstellungskosten übersteigen.
Hart, aber viel zu kurz geht Ullrich mit den Museen ins Gericht. Denn die ehemaligen Gralshüter der Kunst hätten dem Paradigmenwechsel weg von kunsthistorischer Bedeutung hin zu finanzieller Potenz tatenlos zugesehen. Jenseits der Haltung des Lesers zu Ullrichs Thesen und seiner Marktschelte bleibt die große Frage, wie die Museen verlorenes Terrain zurückgewinnen können. Ob die einst kanonbildende Institution ihre alte Deutungsmacht wiedererlangen kann. In einer Epoche, in der Kunst nicht mehr eine Sache der Reflexion ist, sondern eine Frage des Geldes, ist das eine dringend nötige Diskussion.
Nix für ungut, Ihre Marktfrau.
Werner Murrer tauchte erst in die Geheimnisse der Renaissance ein, bevor er der „Sixtinischen Madonna“ einen neuen Rahmen baute
Von
01.09.2016
Für den Maler Georg Baselitz ist Raffaels „Sixtinische Madonna“ sein „meistgehasstes“ Bild, viel zu „süßlich“ sei es. Andere, wie Sachsens König August der Starke, setzten Himmel und Hölle in Bewegung, um es zu erwerben. Und auch die siegreiche Sowjetunion wollte es nach dem Zweiten Weltkrieg unbedingt in ihrem Besitz haben. Als die Madonna dann in den 1950er-Jahren zurück nach Dresden kam, hatte sie keinen schönen Rahmen mehr. Erst zum 500. Geburtstag des Bildes vor vier Jahren bekam sie einen solchen nachgebaut – von Werner Murrer. Er beschäftigt in seiner Werkstatt in München 15 Mitarbeiter und ist Spezialist für historische Rahmen.
Auf der Suche nach einer Vorlage musste Murrer lange recherchieren und Italien bereisen. In einer Kirche in Bologna wurde er schließlich fündig. Dort fand er einen vergoldeten Renaissance-Rahmen mit einem Raffael-Bild, das die gleichen Maße hatte wie die Madonna. Der ähnliche Rahmen wurde zuerst bis ins Detail untersucht. Neben dem Aussehen ist es wichtig, wie der Rahmen hergestellt wurde. Denn nur, wenn man ihn auf die gleiche Weise baut, wirkt er später authentisch – und nicht kitschig. Bei Renaissance-Rahmen muss man dabei erst mal eine gewisse Schlampigkeit erlernen. Die italienischen Rahmenbauer waren auf Effizienz und äußere Wirkung bedacht, weniger auf Haltbarkeit. So wurde der Grundrahmen aus billigem Pappelholz gebaut, von hinten war das Holz kaum bearbeitet. Solche Inperfektion müsse man nachempfinden, sagt Werner Murrer, sonst fehle dem Rahmen nachher der Charme. Zunächst wurde ein Grundrahmen aus Tölzer Pappelholz gebaut, anschließend wurden die auseinandernehmbaren Eckteile mit Holzdübeln verbunden. Wenn diese altern, bieten sie ein charakteristisches Bild, wie man es auch von alten Kleiderschränken kennt. Das erst bringt die richtige Spannung in die Konstruktion, sagt Murrer.
Später wurden darauf die mit festem Lindenholz geschnitzten floralen Ornamente angepinnt und aufgeleimt. Vor der Vergoldung muss erst ein Kreidegrund aufgetragen werden, dem ein Anstrich mit Tonerde folgt. Dann werden hauchdünne Goldblätter geschnitten und auf die Oberfläche aufgearbeitet. Diese wird mit einem Achat poliert, um den nötigen Glanz zu erreichen. Anschließend wird punziert. Dabei werden mit einem Hämmerchen und einem Eisen Effekte in die Goldoberfläche gedellt. Beim Rahmen der Madonna wurde dafür ein Punziereisen mit sieben Enden benutzt. Das sparte Zeit – zügig konnten so mehr als eine Million Punzierungen aufgebracht werden. Verschiedene Lasuren und Patinas vervollständigten das Werk, an manchen Stellen wurde die Goldschicht etwas abgerieben. So sieht der fünf Meter hohe Rahmen heute aus, als würde er schon seit Hunderten Jahren in der Gemäldegalerie hängen. Käme Baselitz vorbei, müsste er anerkennen, dass immerhin der Rahmen eine große künstlerische Leistung ist.
Das New Yorker Atelier Two Palms hat Maschinen entwickelt, mit denen zeitgenössische Künstler die Druckgrafik neu entdecken
Von
10.08.2016
Kunst wird heute oft für einen kleinen Kreis von Sammlern hergestellt, die sich anschließend das Werk bestenfalls an die eigene Wand hängen oder aber gleich im Tresor verschwinden lassen. In Zeiten, da künstlerisches Schaffen derart exklusiv gehalten wird, ist es schwer vorstellbar, dass Kunst einmal reine Kommunikation bedeutete – und Künstler sich mit Freuden auf die Möglichkeiten gestürzt haben, ihre Werke vielen Menschen zugänglich zu machen. Albrecht Dürer erreichte mit dem Holzschnitt und Kupferstich eine Breitenwirkung seiner Motive. Er war der Erste, der seine Schnitte und Stiche auch zu Büchern binden ließ.
Noch Joseph Beuys dachte ähnlich – er signierte massenhaft Drucke und Einladungskarten, um unzählige Kunstwerke zu schaffen. Hätte Beuys einen zukunftsorientierten Berater gehabt, hätte der ihm diese Flausen schnell ausgetrieben. Denn massenhafte Zugänglichkeit tut dem Marktwert nicht gut. Einen echten Beuys kann man heute in Form einer signierten Postkarte bei Ebay für 100 Euro kaufen.
Heutzutage geht nichts mehr ohne Verknappung. Die unbegrenzte Reproduktion wird in der Kunst nicht mehr als Chance, sondern als Problem gesehen. Das macht Druckgrafiken für viele Sammler unattraktiv. Außer man erfindet die Druckmaschine neu. Nicht als Werkzeug für Vervielfältigung, sondern um Originale zu schaffen. Das Ergebnis sind Monoprints. Monoprints sind etwa eine Spezialität des New Yorker Studios Two Palms. Um solch einen Druck herzustellen, wird eine Druckplatte mit verschiedenen Schichten von Farben bepinselt. Dort besitzt man eine Druckerpresse, die ein Medium mit 750 Tonnen Gewicht bearbeiten kann – und somit völlig neue Bearbeitungsformen erschließt.
Der Monoprint-Prozess wurde über zwanzig Jahre von David Lasry zusammen mit dem Künstler Mel Bochner entwickelt, der für seine typografischen Arbeiten bekannt ist. Beide interessieren sich für die extreme Körperlichkeit des Druckprozesses. Die Druckplatten werden mithilfe eines leistungsstarken Lasers produziert. Er brennt die Motive in die Druckplatten. Gedruckt wird im Tiefdruckverfahren: Die Farbe sammelt sich in Vertiefungen auf der Platte und wird mit hohem Anpressdruck auf das Papier übertragen.
Bei Two Palms wird ein eigens in Indien hergestelltes dickes Büttenpapier verwendet. Das Papier wird zusätzlich mit Pigmentfarbstoffen gefärbt. Für einen einzigen Druck mischt Bochner bis zu 8 Kilogramm Ölfarbe an, die auf die Druckplatte aufgetragen werden. Die großen Papierbögen werden auf die vorbereiteten Platten gelegt. Unter dem extremen Druck reagieren die Farben wegen der verschiedenen Viskositäten der Pigmente unvorhersehbar. Manche Pigmente zerspringen förmlich. Das Zusammenspiel der Platte mit der Papierbeschaffenheit und den Eigenschaften der Farbe schafft ein sehr individuelles Ergebnis. Und so passiert etwas, das in unserer durchdigitalisierten Welt nur noch selten passiert: Der Künstler wird von seinem Werk selbst überrascht. Schade nur, dass man es nicht wiederholen kann.
Ein zweifelhafter Sieg – das umstrittene Kulturgutschutzgesetz ist beschlossen. Kunstmarkt und Sammler sind verunsichert, und auch die Museen fürchten die Folgen
Von
26.07.2016
Noch vor der Sommerpause haben der Bundestag und am 8. Juli auch der Bundesrat dem Kulturgutschutzgesetz (KGSG) zugestimmt. Selten hat ein Gesetzesvorhaben die kulturinteressierte Gesellschaft so entzweit. Für ein Gesetz, das in Österreich auf ein paar Seiten abgehandelt wird, erarbeitete der Stab von Staatsministerin Monika Grütters (CDU) ein 180-Seiten-Regelwerk. Es geht um dreierlei: Anpassung an EU-Recht, erleichterte Rückführung von Antiken aus Raubgrabungen in Krisengebieten, schließlich der Schutz von national wertvollem Kulturgut. Expertengremien haben künftig in den Ländern darüber zu entscheiden, ob Kunst, die älter als 75 Jahre und deren Wert über 300.000 Euro liegt, als national wertvoll und „identitätsstiftend für Deutschland“ zu gelten hat. Trifft das zu, dann darf sie nicht mehr ins Ausland verbracht werden. Ist aber nur ein Inlandspreis zu erzielen, dann kann der Staat günstig für seine Museen einkaufen. Das war stets ein Anliegen der Novelle.
Gegen diese Bevormundung sind Sammler und Händler Sturm gelaufen, mancher sprach gar von „Enteignung“. Mit dem KGSG hat Monika Grütters ihre eigene Klientel gegen sich aufgebracht. Deren Reaktion: Seit einem Jahr verlagern Sammler Kunst ins Ausland, um weiterhin frei darüber zu verfügen. Als Reaktion auf massiven Protest wurde im Juni nachgebessert. Jetzt sollen die Sachverständigenausschüsse bei Kunst, die nicht exportiert werden darf, einen fairen Preis vorschlagen. Da wüsste man gern, wie Beamte den ermitteln wollen. Und der Handel, der seit der gescheiterten Differenzbesteuerung die volle Mehrwertsteuer zu schultern hat, sieht sich abermals einseitig belastet. Denn nur den Galeristen und Auktionatoren, nicht aber den Museen, erlegt das KGSG strenge Sorgfaltspflichten auf. Wer dem entgehen will, stärkt seine Zweigstellen in Brüssel und Zürich, oder er baut eine Auslandsdependance auf. Jüngst hat die Galerie Beck & Eggeling Räume in Wien bezogen.
Beobachter, die sich im Frühsommer 2016 die Mühe machten, mit Politikern zu sprechen und etwa die Anhörung im Landtag von Nordrhein-Westfalen zu besuchen, stellten erschreckt fest: Die Ignoranz in Sachen KGSG ist riesig, und unverbrüchlich gilt die Parteidisziplin. Es gab kritische Einwände gegen die Novelle, aber im CDU-Lager wollte man die Parteifreundin mit der Nähe zur Kanzlerin nicht demontieren. Einen Offenbarungseid leistete sich ein SPD-Abgeordneter, als er, um seine Haltung gefragt, um „Handlungsanweisungen“ bat!
Was politisch wie ein Sieg aussieht, könnte ein Pyrrhussieg werden. Wie beim antiken König von Epirus, der seinen Sieg über die Römer mit dem Tod zu vieler Soldaten bezahlte, wird Deutschland auf lange Sicht wegen des KGSG arge Verluste zu verzeichnen haben. Nur zwei seien herausgegriffen: Die Museen verlieren mit den verprellten Privatsammlern ihre wichtigste Stütze, was Leihgaben und anderes Engagement betrifft. Und als juristischer Indikator für den Scheinsieg könnten sich die in Vorbereitung befindlichen Verfassungsklagen erweisen.
Nix für ungut, Ihre Marktfrau.