Sebastian Preuss

ist stellvertretender Chefredakteur der WELTKUNST und von KUNST UND AUKTIONEN. Er kommentiert, was ihn aufregt oder erfreut im Kunstbetrieb.

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Tillmann Prüfer

ist Style Director des ZEITmagazin. Er stellt jeden Monat herausragende Leistungen der Handwerkskunst vor.

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Annegret Erhard

Annegret Erhard ist ehemalige Chefredakteurin von KUNST UND AUKTIONEN. Den Markt beobachtet sie seit vielen Jahren.

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Klug gewählt: Der neue Städel-Direktor

Philipp Demandt, der Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin, wird Museumsgeneral in Frankfurt am Main

Von Sebastian Preuss
27.06.2016

Es ist eine überraschende und auch mutige, ja man könnte fast sagen: eine ziemlich coole Entscheidung, die das Städel bei der Wahl seines künftigen Chefs getroffen hat. Philipp Demandt hatte selbst im eng verflochtenen Kunstbetriebs niemand auf der Rechnung, als es um die Nachfolge des allseits bewunderten und gepriesenen Max Hollein ging. Nach fünfzehn segensreichen Jahren in Frankfurt – erst als Schirn-Direktor, seit 2006 auch als Chef des Städel und der Skulpturensammlung im Liebieghaus. Er sorgte für ein wahres Kunstwunder in der Stadt am Main, aktivierte das brachliegende Mäzenatentum und sorgte für einen Ausstellungscoup nach dem anderen.

Frankfurt wusste und würdigte sehr wohl, wem allein es den neuen Kunstglanz verdankte. Entsprechend verkatert und erst einmal ratlos war man, als Hollein im März seinen schon baldigen Weggang ans Fine Arts Museum in San Francisco verkündigte. Die Drähte der Headhunter müssen heißgelaufen sein. Einer der ersten, der ersten gefragt wurde, war angeblich Sam Keller von der Fondation Beyeler in Basel. Doch der winkte ab. Auch mit den anderen bekannten Figuren auf dem ziemlich ausgedünnten Karrussell der deutschen Museumsspitzenkräfte wurde man offenbar nicht einig. Vielleicht ist das Städel, ist Frankfurt nicht attraktiv genug für Möchtegern-Museumsgenerale, die nach München, Berlin oder ins Ausland schielen.

Das alles ist Spekulation, denn es sickerte nur wenig durch von der Findung des neuen Frankfurter Museumspapstes, der in der Bankenstadt natürlich auch ein schneidiger Manager sein soll. Fakt ist, dass die Städel-Administration offenbar recht bald begann, sich kreativ und unvoreingenommen unter jüngeren Museumskustoden umzuschauen. Nach jemandem, der noch keinen der typischen Sprungbrett-Direktorenthrone besetzte. So hatte man es schließlich auch schon getan, als man den damals erst 32-jährigen Hollein gewann. Es zeugt von der Klugheit und Offenheit der Frankfurter, dass sie bei Philipp Demandt landeten. Denn er ist kein Mann der Gegenwartskunst, die heute in allen Museen das Geschehen bestimmt. Und der 45-Jährige ist ein Quereinsteiger, der nach einer viel gelobten Doktorarbeit über die künstlerische Verehrung der preußischen Königin Luise und einer Tätigkeit am Berliner Bröhan-Museum zur Kulturstiftung der Länder ging und dort als Referent jahrelang erfolgreich Museen mit Hilfe bei Neuerwerbungen beglückte.

Kulturpolitische Funktionäre bekommen selten die Gelegenheit, in die Museumspraxis überzuwechseln. Demandt gelang es, berufen von einem ebenso unkonventionellen Quereinsteiger, dem ehemaligen Augenoptiker Udo Kittelmann, der es als höchst unkonventionellen Kurator bis zum Herr über die sechs Häuser der Berliner Nationalgalerie geschafft hatte. Sein Gespür für Demandts verborgene Qualitäten im Umgang mit der Kunst trog nicht. Seit Januar 2012 setzte Demandt als Sammlungsleiter der Alten Nationalgalerie verblüffend neue Akzente, holte lange verbannte Werke wieder aus dem Depot, begeisterte das Publikum wieder für Künstler der Belle Époque, die im Schatten der Avantgarden in Verdamnis geraten waren. Er krempelte die Sammlung nicht brachial um, sondern zeigte mit Fingerspitzengefühl und qualitätvollen Einzelwerken, wie man die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts und der Umbruchszeit um 1900 behutsam umschreiben und dabei auch der akademischen Salonmalerei wieder etwas abgewinnen kann. Zum großen Ausstellungserfolg wurde der Tierbildhauer Rembrandt Bugatti, mit einem Depotbild des Orientalisten Osman Hamdi Bey holte Demandt in Scharen ein türkisches Publikum ins Haus.

Diesem intelligenten, mutigen und ungewöhnlich agierenden Museumsmann hat man nun das Frankfurter Städel mit weltberühmten Werken von Jan van Eyck bis Rembrandt und vielen Höhepunkten in der Moderne übertragen; zudem mit dem Liebieghaus eine hervorragende Skulpturensammlung von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Es deutet sich an, dass ihm (wie Hollein) auch noch die städtische Kunsthalle Schirn in Personalunion übertragen wird – wenn deren Aufsichtsrat zustimmt. Gleichsam über Nacht wird aus dem genüsslichen Kenner, aus dem Kustoden des 19. Jahrhunderts einer der großen deutschen Direktoren in Deutschland, Herr über ein ganzes Museumskonsortium, über Kunstschätze aller Epochen, sowie der Verantwortliche für die Blockbuster-Ausstellungen; er wird eine Schlüsselstelle im Frankfurter Kulturleben besetzen.

Den Manager, den Finanzjongleur, auch den Umgarner der Banker und der Frankfurter Gesellschaftsdamen – das muss Demandt jetzt alles in sich entdecken. Wer ihn kennt, der zweifelt nicht daran, dass es ihm gelingen wird. Langeweile wird mit ihm in Frankfurt gewiss nicht aufkommen.

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Aura, Wert und Ersatz

Nehmen Kunstwerke Schaden, treten meist Versicherungen auf den Plan. Doch wie lässt sich eine Wertminderung vernünftig feststellen?

Von Susanne Schreiber
01.06.2016

Kaum ein Privatsammler, der nicht eine Geschichte zum Thema unglückliche Ausleihe parat hätte. Wohl dem, der nur eine auf den Kopf gestellte Abbildung seines abstrakten Gemäldes im Katalog zu beklagen hat. Richtig schlecht dran sind jene Geber, die ihr Werk beschädigt von der leihnehmenden Institution zurückbekommen. Transportschäden machen 15 Prozent aller Regulierungen aus, Beschädigungen durch Dritte 20 Prozent, berichtete der Fine Art Insurance Broker Stephan Zilkens auf dem 5. Kölner Versicherungsgespräch während der Art Cologne. Dort wurde deutlich, wie wenig Parameter es gibt, um die Wertminderung eines Kunstwerks zu fassen, und wie unbestimmt die Rechtslage ist. Zunächst ist bei Schäden die Restaurierung zu klären, danach geht es um einen Ausgleich für den Eingriff an der Originalsubstanz. Dabei hätten Sammler oft überzogene finanzielle Erwartungen, heißt es von Versicherungsseite. Da Kunst in der Regel unikat ist, gibt es keinerlei Vergleichsmöglichkeiten, was die Klärung erschwert.
Privater Kunstbesitz ist oft nicht ver­sichert, im Handel hingegen soll die Versicherungsquote bei 80 Prozent liegen. Bei Museen­ greift die Staatshaftung. So war Wertminderung für das Rijksmuseum 1975 kein Thema, als Rembrandts „Nachtwache“ mit acht Messerstichen attackiert und schwer beschädigt wurde. Die teure Restaurierung erhielt der Nachwelt das Meisterwerk.
Der Typus des Sammlers hat sich inzwischen geändert, weg vom Liebhaber hin zum Kunstinvestor. Und auch die Kunst hat ihre Erscheinungsform gewandelt. Sie setzt vermehrt auf Oberflächenglanz. „Makellosigkeit hat heute Bedeutung. Aber sie ist eine Schimäre“, kritisierte der Designsammler Sebas­tian Jacobi, selbst Restaurator, beim Kölner Kunstgespräch. Jacobi beobachtet, dass es bei der Schadensregulierung allein darum geht, möglichst viel herauszuschlagen. „Bei der Kunst geht es aber um Inhalt. Die hört nicht da auf, wo der Schaden beginnt.“
Bei Kunstwerken liegt die obere Grenze einer Wertminderung bei 30 Prozent; darüber geht es – etwa bei Feuereinwirkung – um Totalschäden. Zahlt die Versicherung diese 30 Prozent aus, darf sie das Kunstwerk an sich nehmen. Das bedeutet, dass sich in den Sammlungen der Versicherungen einige solcher „zufällig“ erworbenen Werke befinden dürften. Insidern ist ein weiteres Paradox bekannt: Ein um 30 Prozent wertgemindertes, aber restauriertes Kunstwerk kann dennoch mehrere Millionen Dollar erzielen!
Der Privatsammler muss sich also vor der Leihgabe überlegen, wie er es mit der Gretchenfrage der Beschädigung hält. Zählt er sich zu den Sammlern, die wie Investmentbanker denken und die Liste der Ausstellungsbeteiligungen ihrer Objekte verlängern wollen? Dann wird er den Schadensfall als Risiko einkalkulieren. Oder gehört er zur Gruppe der Bewahrer, die um die Fragilität von Kunstwerken wissen? Dann wird er auf so manche Ausleihe verzichten.
Nix für ungut, Ihre Marktfrau.

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Ausverkauf in Nordrhein-Westfalen

Nach der landeseigenen Spielbank in Aachen versilbert jetzt auch der WDR seine Kunstschätze. Bis Freitag sind die Werke bei Sotheby’s in Köln zu sehen. Eine lehrreiche Schau für alle Steuer- und Gebührenzahler

Von Sebastian Preuss
27.04.2016

Es lohnt sich, dieser Tage die Kölner Sotheby’s-Dependance aufzusuchen. Denn dort wird dem Bürger anschaulich wie selten vor Augen geführt, wie das von ihm mit finanzierte Eigentum der öffentlichen Hand unverblümt privatisiert wird. Ein letztes Mal kann er sich bedeutende Kunstwerke anschauen, die seit Jahrzehnten im Kölner Stammsitz des Westdeutschen Rundfunks hingen und einst mit Steuergeldsubventionen und Rundfunkgebühren bezahlt wurden. Trotz zahlreicher Proteste und trotz all dem unschönen Getöse um die Warhol-Bilder aus der Aachener Spielbank versilbert jetzt auch der Westdeutsche Rundfunk seine Kunstsammlung, um seine maroden Finanzen zu sanieren. Der Intendant Tom Buhrow hatte das schon bei seinem Amtsantritt 2013 verkündet und mit der maroden Finanzlage des Senders begründet. Das Haushaltsdefizit betrug damals rund 100 Millionen Euro.

Nach dem Aufschrei der Empörung, den 2014 der Aachener Kunstverkauf quer durch die Republik ausgelöst hatte, glaubte (oder besser: hoffte) man, dass die rot-grüne Regierung von Nordrhein-Westfalen es so schnell nicht noch einmal zu solch einem Kunstdebakel kommen lassen würden. Doch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat offenbar kein Problem damit, dass NRW, dieses traditionsreiche Kunstland mit all seinen bedeutenden Museen und einer immer noch höchst aktiven Sammlerschicht, zum Vorreiter der mangelnden Kunstliebe, ja des Banausentums wird.

Der WDR könnte die 150 Millionen Dollar, die 2014 die beiden Aachener Warhols bei Christie’s in New York erzielten, gut gebrauchen. Doch werden die rund 600 Kunstwerke bei Weitem nicht so ertragreich sein. Es sind viele Papierarbeiten aus dem niedrigen Preissegment dabei. Tom Buhrow gab seinerzeit den Gesamtwert mit rund drei Millionen an, doch war das wiederum wohl zu tief gegriffen. Jetzt wird Sotheby’s im Lauf des Jahres in London und Paris 48 Werke versteigern – zu einer Gesamttaxe von „mehr als 2,4 Millionen“, wie das Auktionshaus verkündet. So steht jetzt schon fest, dass der ideelle Schaden für den WDR und NRW weit größer ist als der materielle Gewinn.

Als erstes Konvolut kommen am 21./22. Juni in London 37 Bilder unter den Hammer. Rund 20 davon sind ab heute, 27. April, bis Freitag in der Kölner Sotheby’s-Niederlassung zu sehen (Mozartstraße 1). Diese denkwürdige Ausstellung kreist vor allem um die beiden Spitzenlose: Max Beckmanns düster-anspielungsreiche „Möwen im Sturm“ von 1942, taxiert auf 700.000 bis eine Million Pfund, sowie Ernst Ludwig Kirchners schweizerische Berglandschaft „Alpweg“ von 1921, Schätzwert 600.000 bis 800.000 Pfund. Daneben werden Bilder von Pechstein, Hofer, Räderscheidt, Heckel, Rohlfs, Nay bis zu Antes gezeigt, viele auf Papier.

Sotheby’s ist für die Vorbesichtigung im Rheinland kein Vorwurf zu machen. Auch die beiden Kölner Häuser (zweifellos Lempertz und Van Ham) und die zwei anderen deutschen Versteigerer (wahrscheinlich Grisebach und Ketterer), die sich nach Auskunft des WDR um den Deal bewarben, hätten diese Form des Marketings nicht verstreichen lassen. Das ist Teil ihres Geschäfts. Degoutant handeln allein der WDR und die Landesregierung, die ausgerechnet in Köln selbst den Ausverkauf des öffentlichen Besitzes dem Publikum vorführen, um möglichst noch finanzkräftige rheinische Käufer zu animieren. Warum die NRW-Autoritäten nicht wenigstens eines der einheimischen Häuser mit der Versteigerung betreut, bleibt ihr Geheimnis. Bei Verkäufen in dieser Größenordnung können auch Christie’s und Sotheby’s keine Wunder vollbringen.

Die ehemalige, bis Oktober 2015 amtierende Kulturministerin Ute Schäfer hatte noch ein Verfahren eingeleitet, wenigstens die wichtigsten Werke auf die Liste geschützten Kulturguts zu setzen und so vor der Ausfuhr zu schützen. Dabei ging es vor allem um die beiden Gemälde von Beckmann und Kirchner. Doch das zuständige Sachverständigengremium sah in den Werken keine nationale Bedeutung, so stellte die neue Ministerin Christina Kampmann die Prozedur ein.

Für Kulturstaatsministerin Monika Grütters (die übrigens aus Nordrhein-Westfalen stammt) ist der Fall gleich ein doppelter Affront. Sie hatte den Verkauf der Warhols scharf kritisiert und jetzt auch für den Verbleib der WDR-Stücke interveniert. Vor allem wirft die Aktion ein grelles, ungutes Licht auf ihr geplantes Kulturgutgesetz. Warum der ganze Aufwand, wenn sich die Experten nicht einmal bei diesen beiden hochkarätigen Bildern um die Abwanderung sorgen? Was wird am Ende überhaupt auf die nationale Liste gesetzt werden? Lohnen für die wenigen Werke, dies es womöglich am Ende nur sind, der ganze Ärger, der Schaden für den deutschen Kunstmarkt und die Verunsicherung der Sammler.

Für Walter Vitt ist der Kölner Kunstausverkauf eine persönliche Katastrophe. Der ehemalige Politikredakteur im WDR, Kunstschriftsteller und langjährige Präsident des Kritikerverbandes AICA, hatte sich als ehrenamtlicher Kunstbeauftragter maßgeblich um den Aufbau der Sammlung gekümmert. „Wir wollten ein Haus mit zeitgenössischer Ästhetik und Ambiente“, erklärte der 79-Jährige im letzten Jahr, als die Wogen über den Verkauf hochkochten. Beim WDR habe das ungeschriebene Gesetz gegolten, dass statt Familienfotos Kunst in den Büros der Redaktion für eine kreative Atmosphäre sorgen sollte. So hing Kirchners „Alpweg“, einst für nur 600 D-Mark gekauft und jetzt auf mindestens 600.000 Euro geschätzt, jahrelang im Büro des Intendanten Fritz Pleitgen. Entsetzt über den Ausverkauf der Sammlung, erinnert Vitt daran, dass es mit den Erwerbungen der Expressionisten auch darum gegangen sei, ein Zeichen gegen den Kunstterror der Nazis gegangen sei. Das alles zählt offenbar nichts im WDR. Bleibt nur eine Frage: Wie kann ich es anstellen, dass dieser Sender nichts mehr von meinen Rundfunkbühren bekommt?

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Die Kluft geht auseinander

Derer High-End-Bereich boomt, doch das mittlere Segment profitiert kaum davon: Das zeigen die neuen Zahlen des Tefaf-Reports 2016

Von Susanne Schreiber
26.04.2016

Wie sieht die Welt der Kunst in schnöden Zahlen aus? Die Antwort gibt wie jedes Jahr der Tefaf-Report. An der Spitze der umsatzstärksten Kunstnationen liegen 2015 unverändert die USA mit 43 Prozent am Gesamtanteil, dahinter folgen Großbritannien und China mit 21 bzw. 19 Prozent. Der weltweite Umsatz mit Kunst ist um 7 Prozent zurückgegangen auf 63,8 Milliarden Dollar nach 68,2 Milliarden Dollar im Rekordjahr 2014. So weit, so wenig überraschend. Spannender wird es, wenn man etwas tiefer in die Datenmengen eintaucht, die das Team um die ­Dubliner Kunstökonomin Clare McAndrew zusammengestellt hat. Sie zeigen, wie polarisiert der Kunstmarkt tatsächlich ist.
Kurz zusammengefasst lautet ihre Diagnose: In der Spitze boomt der Markt, im Mittelmarkt herrschen dagegen Stagnation oder Rückgang. „In den letzten zehn Jahren schlagen die Ultra-High-End-Verkäufe (also Preise über 10 Millionen Dollar pro Werk) mit einem Wertzuwachs von über 1000 Prozent zu Buche“, bilanziert McAndrew den Wettbewerb um Trophy Art. Es sind diese wenigen prestigeträchtigen Superpreise, die weltweit für Schlagzeilen sorgen und unser Bewusstsein bestimmen, wie es um den Markt steht. Diese Rekordpreise bringen den Auktionshäusern zwar Prestige, aber oft keine Einnahmen, weil aus Wettbewerbsgründen gern darauf verzichtet wird, auch vom Verkäufer eine Gebühr zu verlangen. McAndrew hat zudem ermittelt, dass winzige 0,1 Prozent der Transaktionen (Verkäufe) sagenhafte 28 Pro­zent zum Gesamtumsatz beitragen. Auf der anderen Seite erzielen 90 Prozent der Wer­ke in Kunstauktionen Preise unter 50.000 Dollar und tragen damit nur magere 12 Prozent zum Gesamtumsatz bei.
Wen beim Blättern in den Katalogen der Abendauktionen von Christie’s oder ­Sotheby’s das große Gähnen überkommt, weil es ja immer die gleichen Künstler sind, die dort aufgerufen werden, der findet im Tefaf-Report dafür die Bestätigung: Von nur einem Prozent der Künstler stammen Werke, die 57 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Und noch ein weiterer Vergleichswert aus dem Report: Bei der klassischen Moderne liegt der Durchschnittsauktionspreis für ein Werk in Deutschland bei umgerechnet 14.271 Dollar, in den USA sind es 108.231 Dollar und in Großbritannien gar 124.132 Dollar. Wer zahlenhörig ist, könnte schlussfolgern, der beste Auktionsplatz für deutsche Expressionisten sei London. Das stimmt nicht zwangsläufig. Die Erfolgsbilanz deutscher Häuser lehrt, dass sich gerade die Kunst der Brücke und des Blauen Reiter in der Breite besser in Deutschland als in London versteigern lässt.
McAndrews Daten sind aber dennoch nützlich, weil es keine anderen weltweit aggregierten gibt. Der Tefaf-Report entsteht im Auftrag der Maastrichter Messe, die naturgemäß ein Interesse am Hochpreismarkt der zeitgenössischen, modernen und impressionistischen Kunst hat. Der Boom bezieht sich auf das oberste Segment. Im polarisierten Gesamtmarkt aber performen viele Teilmärkte wesentlich schwächer. Da sollte der kaufwillige Kunstfreund genau differenzieren.

Nix für ungut, Ihre Marktfrau.

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Die Geduld des Knüpfers bei Bagherpur

Teppiche sind empfindlich, ihre Restaurierung gehört in fachkundige Hände. Bei Bagherpur hat man sich auf Problemfälle spezialisiert.

Von Tillmann Prüfer
25.04.2016

Welch hohen Wert Menschen schon immer Teppichen beimaßen, erkennt man zuweilen in der Kunst. Etwa auf der sogenannten Darmstädter Madonna, die Hans Holbein der Jüngere 1526 für den Basler Bürgermeister gemalt hat. Der Bürgermeister kniet darauf vor der Gottesmutter auf einem prächtigen Teppich mit geometrischen Mustern. Ein Sinnbild für Zeitlosigkeit, aber auch Vergänglichkeit des geknüpften Teppichs. Denn die Teppiche aus dem 16. Jahrhundert können wir fast nur noch in Fragmenten bewundern.
Teppiche bestehen aus organischen Materialien, die nach und nach verwittern. Auch bei guter Pflege werden sie selten älter als 400 Jahre. Und auf dem Weg dahin müssen etliche Schäden ausgebessert werden. Mit die beste Adresse dafür ist die Firma ­Bagherpur in Aschaffenburg. Der aus dem Iran stammende Ingenieur Kasem Bagherpur hatte sie 1971 zunächst als Teppichhandel gegründet, als er sah, wie stark das Interesse der Deutschen an Orienteppichen war. Bagherpur wurde aber auch eine Instanz für die Konservierung und Restaurierung von Teppichen. Es gibt kaum einen Schaden, der hier nicht behoben werden kann. Vorausgesetzt, man investiert das nötige Geld – und vor allem die nötige Zeit.

Ein antiker chinesischer Seidenteppich war ein besonders schwerer Fall. Das tragende Gewebe war brüchig geworden. Um das Teil zu retten, mussten die Knüpfer alle Kett- und Schussfäden austauschen. Kettfäden sind die längs verlaufenden Fäden. Dazwischen wird der Flor, der das eigentliche ­Motiv abbildet, geknüpft. Anderthalb Jahre wurde an der Wiederherstellung dieses Seidenteppichs gearbeitet.
Wird ein Teppich eingeliefert, ist zuerst die Frage, welcher der 50 Bagherpur-Knüpfer die Reparatur übernehmen soll. Denn je nachdem, ob der Teppich aus dem Kaukasus, aus Turkmenistan oder China kommt, sind die Knüpftechniken verschieden. Anschließend werden die Materialeigenschaften bestimmt: Welche Wolle muss verwendet werden, muss der Zwirn links- oder rechtsgedreht sein. Dann werden die Farben für die zu reparierende Stelle ausgesucht – zur Wahl stehen etwa 25 000 Farbtöne.

Häufig sind Teppiche an Stellen beschädigt, wo Abrieb durch Schuhe oder Möbel entstand. In diesen Fällen schneidet der Knüpfer das beschädigte Material heraus und spannt die zu reparierende Stelle in einen Webrahmen ein. Ist das neue Grundgewebe fertig, beginnt das Knüpfen der Knoten des Flors. Ein erfahrener Knüpfer schafft circa 6000 Knoten am Tag. Das klingt viel – ein fein gewebter Teppich kann jedoch bis zu einer Million Knoten pro Quadratmeter haben. Am Ende wird die Florhöhe mit dem Rest des Teppichs abgeglichen. Der Geschäftsführer Daniel Bagherpur empfiehlt, besonders schöne und schonungsbedürftige Teppiche auf ­einen Rahmen zu spannen und wie ein Bild an die Wand zu hängen. Das ist dann fast so schön wie die Holbein-Madonna.

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Exodus der Museumsdirektoren

Martin Roth, Hartwig Fischer, Max Hollein und viele mehr: Spitzenkräfte aus deutschen Museen sind begehrt und immer mehr gehen ins Ausland. Wenn es so weiter geht, wird Deutschland bald eine Personalkrise für die hohen Museumsämter haben

 

Von Sebastian Preuss
03.04.2016

Überrascht hat es eigentlich niemanden, als vor Kurzem Max Holleins Weggang aus Frankfurt bekannt wurde. Wer sein glanzvolles, segensreiches Wirken als Superdirektor von Städel, Schirn und Liebieghaus verfolgt hat, der fragte sich schon seit Jahren nicht mehr, ob er bleibt, sondern nur noch, wann er die Stadt am Main denn verlassen wird? Und: Wird es das MoMA, das Centre Pompidou oder die Tate? In Deutschland, aber auch weit darüber hinaus, wurde der Österreicher wie ein Wundermann bestaunt, der einer mittelgroßen Kulturstadt zu einer nie abreißenden Parade von spektakulären Ausstellungen verholfen hat. Frankfurt wurde wieder festes Reiseziel für Kunstfreunde aus aller Welt. Hollein holte und förderte hervorragende Kuratoren. Er ermunterte sie zu Höchstleistungen, überließ ihnen die fachliche Souveränität und sorgte für den Zustrom förderwilliger Bürger und Firmen. Bei Ankäufen bewies er Mut, auch wenn es um einen strittigen Raffael ging, und für den Anbau eines unterirdischen Gegenwartstraktes wie für viele andere Projekte begeisterte er Tausende von Frankfurtern, das Städel als ihr Museum zu begreifen und sich auch mit kleinen Beträgen zu beteiligen.

Nun geht Hollein, schon im Juni, ans Fine Arts Museum in San Francisco. Er wird dort beste Bedingungen ausgehandelt haben. Seine Fußstapfen in Frankfurt sind groß, und es dürfte der Stadt kaum gelingen, einen ähnlich charismatischen, energiereichen und kreativen Museumsorganisator zu bekommen. Man wird von dem, was er geschaffen hat, erst einmal zehren müssen. Denn der Pool der potentiellen Spitzenkräfte in der deutschen Museumswelt ist ziemlich leer. Fähige Frauen und Männer für die großen Ämter fallen nicht vom Himmel, sie müssen heranreifen und neben der fachlichen Qualifikation auch an die kunstfremden Aufgaben des Museumswesens herangeführt werden. Mit 35 kann man noch nicht Louvre-Chef oder Museumsgeneral in Berlin werden. Da braucht es Erfahrung, eine gereifte Persönlichkeit und kulturpolitisches Geschick; so etwas muss heranwachsen. Die Förderung der jungen Führungstalente wird aber in den deutschen Museen sträflich vernachlässigt. Oft liegt es am übergroßen Ego der Chefs, oder die Arbeitsbedingungen in unterfinanzierten Häusern sind so prekär, dass begabte Kustoden ihre Talente nicht zur Geltung bringen können.

Jedenfalls ist bei der Nachwuchsförderung in den letzten zehn, zwanzig Jahren einiges schief gelaufen. Jetzt haben die deutschen Museen ein ausgewachsenes Personalproblem; und dies paradoxerweise bei verbreiteter Arbeitslosigkeit unter Kunsthistorikern und massenhaften Bewerbungen für die wenigen frei werdenden Museumsstellen. Doch geht es um die Chefposten in den großen Häusern oder gar um die Lenker der Museumstanker in Berlin, München oder Dresden, dann wird die Luft dünn. München hat es gerade noch einmal geschafft, mit Bernhard Maaz (vorher Dresden) einen hervorragenden Mann – sehr guter Ausstellungsmacher, universaler Kenner, Intellektueller, erfahrener Bauorganisator und Diplomat in einem – für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu finden. Doch was passiert in Dresden, wo der Museumsgeneral Hartwig Fischer nach nur vier Jahren ans British Museum in London wechselt? Dort trifft er auf seinen Dresdner Vorgänger Martin Roth – auch er ein brillanter Kandidat für höchste Museumsaufgaben, der ins Ausland auswich und jetzt mit viel Fortüne das Victoria and Albert Museum führt. In Dresden ist derweil noch völlig unklar, wie die Lücke an der Spitze zu schließen ist, während Hamburg erst nach einem quälend langen Prozess mit Christoph Vogtherr endlich einen geeigneten neuen Direktor gefunden hat.

Vogtherr, noch leitet er die Wallace Collection in London, ist einer der wenigen Rückkehrer nach Deutschland. Der Migrationsstrom der Direktoren indes geht eindeutig die Gegenrichtung. Nicht nur London profitiert davon, auch in Zürich ist man sehr froh über den Schwaben Christoph Becker, der im Kunsthaus viel bewegt hat und dem man törichterweise die Generaldirektion der Berliner Museen nicht geben wollte – die Schweizer haben den gescheiterten Wechsel dankbar zur Kenntnis genommen. Auch Christoph Heinrich, der jahrelang die Gegenwartsabteilung der Hamburger Kunsthalle leitete und dort mit legendären Ausstellung in bester Erinnerung ist, wurde von deutschen Kulturdezernenten in seinem Potential verkannt und zog schließlich ans Art Museum in Denver. Dort ist er mittlerweile zum allseits beliebten Chef des Hauses aufgestiegen. Wie es heißt, verspürt er keinerlei Neigung, nach Deutschland zurückzukehren.

Ist Deutschland nicht mehr attraktiv genug für ehrgeizige Museumsleute? Bietet das Ausland bessere Möglichkeiten für eine Direktorenkarriere als die reiche Bundesrepublik mit ihrer unvergleichlich dichten Museumslandschaft? Man kann es sich eigentlich kaum vorstellen, aber der Eindruck drängt sich auf, wenn man allein die Postenbesetzungen der letzten zwei Jahre verfolgt hat. Nicht nur London mit Fischer und San Francisco mit Hollein, auch Florenz hat mit Eike Schmidt und Cecilie Holberg zwei Deutsche für die Chefsessel der Uffizien und der Accademia (Heimstatt von Michelangelos „David“) gewonnen. Julia Nauhaus, die trotz gewichtiger Proteste von ignoranten Lokalpolitikern aus dem Lindenau-Museum in Altenburg vertrieben wurde, hat in der Gemäldegalerie der Wiener Akademie dankbare neue Arbeitgeber gefunden. In die Donaumetropole zog es auch Stefan Weppelmann, der als Kustos der Berliner Gemäldegalerie für frischen Wind sorgte und Publikumsmagneten wie „Gesichter der Renaissance“ oder die jüngste Botticelli-Ausstellung konzipierte. Er leitet jetzt die weltberühmte Bildersammlung des Kunsthistorischen Museums – während die Berliner Gemäldegalerie den freiwerdenden Direktorenposten gar nicht erst neu besetzt, sondern der bislang nicht sehr energetische Museumsgeneral Michael Eissenhauer das Museum in Personalunion mit übernehmen wird: keine sehr kühne Entscheidung für die deutsche Hauptstadt. Eine tolle Museumsfrau, der man jedes Amt bedenkenlos zutrauen würde, ist Nina Zimmer, die am Basler Kunstmuseum rasch zur Vizedirektorin aufstieg. Jetzt wird die Deutsche das Kunstmuseum und das Paul-Klee-Zentrum in Bern übernehmen – und damit auch das heikle Erbe von Cornelius Gurlitt.

Bitte nicht falsch verstehen: Es geht hier keineswegs um einen Museumsnationalismus, schon gar nicht um eine Forderung nach Deutschen in deutschen Museen. Das wäre mehr als dumm, so international wie die Kunstwelt ausgerichtet ist. Da gehören Direktorenwanderungen ganz selbstverständlich dazu. Trotzdem muss es zu denken geben, wenn eine so ansehnliche Riege von Spitzenkräften das Ausland als Arbeitsplatz vorzieht. Woran liegt es? Fördern Bürokratie, kulturlose Politiker und Sparzwänge den Strom ins Ausland? Sicher liegt es auch an der kunsthistorischen Ausbildung, die hierzulande auch ohne Privatschulen und teure Eliteuniversitäten immer noch sehr gut ist; ein lohnendes Reservoir für ausländische Personalchefs. Die deutschen Museen arbeiten sehr international, sind also gute Schulen für künftige Weltenbummler. Vielleicht auch ein Grund: Als Kulturland zieht Deutschland weithin die Blicke auf sich; da interessiert man sich zwangsläufig in aller Welt auch für die hiesigen Museumsleute. Jeder der Emigranten wird zudem seine ganz persönlichen Gründe für den Umzug ins Ausland haben. Und dennoch: Fatal wäre es, sollte Deutschland für ehrgeizige Museumsdirektoren nicht mehr attraktiv genug sein.

Liebe Leser, mit diesem Artikel beginne ich meinen Blog auf unserer neuen WELTKUNST-Webseite. Künftig werde ich an dieser Stelle aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in der Kunstwelt kommentieren. Auch der Kunstmarkt wird natürlich eine Rolle spielen. Die Texte sollen in lockerer, unregelmäßiger Folge erscheinen. Und keine Bange, die wenigstens werden so lang sein wie dieser.

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