Die Festspiele finden auch im Jubiläumsjahr statt. Für die Museen, Galerien und den Kunsthandel der Stadt ist das eine gute Nachricht. So setzt sich die Tradition der künstlerischen Begleitung der Festspielzeit auch in diesem Sommer fort.
Das Jubiläum fällt wegen der Pandemie nicht ins Wasser. Auch im 100. Jahr ihres Bestehens finden die Salzburger Festspiele statt. Natürlich ganz anders als geplant: Wichtige Produktionen wie der „Don Giovanni“ oder „Die Zauberflöte“ werden ins nächste Jahr verschoben, dafür wird „Elektra“ gezeigt, mit überschaubarem Personal auf der Bühne. Statt 230 000 Karten gelangen nur 80 000 Karten in den Verkauf, die Anzahl der Spielstätten wird von 17 auf 8 reduziert, es wird keine Büfetts geben und auch keine Pausen. Aber es wird gespielt, musiziert und gesungen und Menschen kommen zusammen, um einer Musik zu lauschen oder einem Schauspiel zu folgen. Und auch Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, mit dem, in der Regie von Max Reinhardt am 22. August 1920 alles begann, gelangt traditionell auf dem Domplatz zur Aufführung.
Dafür mussten die Festspiele einiges an Kritik einstecken, ähnliche Veranstaltungen in Bayreuth oder Bregenz wurde wegen der unberechenbaren Infektionsgefahr abgesagt. Doch in Salzburg entschied man sich zu spielen - im Sinne von Karl Valentin: ‚Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist“, so Festspielintendant Markus Hinterhäuser in einem Zeitungsinterview. Die Rückbesinnung auf den Festivalgründer, den Berliner Theatermacher Max Reinhardt, mag dabei eine Rolle gespielt haben. Der hatte diese heute so erfolgreiche Veranstaltung in Zeiten politischer, sozialer und ökonomischer Not ins Leben gerufen, Erster Weltkrieg und die Spanische Grippe waren gerade erst überstanden und die Folgen verheerend. Doch Reinhardt liess sich nicht beirren in seinem Glauben an den utopischen Gegenentwurf der Kunst, als Gegenwelt der Schönheit und Leuchtfeuer der Hoffnung. Und er war überzeugt, dass sich diese Kraft erst im Austausch mit dem Publikum entfalten kann.
Im Salzburg-Museum in der prachtvoll renovierten Neuen Residenz am Mozartplatz wird diese Geschichte noch einmal aufgeblättert. Unter dem Titel „Großes Welttheater. 100 Jahre Salzburger Festspiele“ widmet sich ab dem 25. Juli eine Ausstellung diesem weltweit bedeutendsten Festival für klassische Musik und darstellende Kunst in all seinen Facetten. Es ist nicht nur ein historischer Parcours, der die Erfolge und Krisen, Persönlichkeiten und Schauplätze der Festspiele Revue passieren lässt. Partner wie die Wiener Philharmoniker, das Jüdische Museum, das Theatermuseum oder das Literaturarchiv der Universität Salzburg wurden ins Boot geholt, um ganz eigenständige Begegnungen und Dialoge zu ermöglichen. Eingeladen wurden auch fünf Künstlerinnen und Künstler, um aus ihrer Perspektive auf die Festspiele zu reagieren. So zeigt der österreichische Bildhauer Werner Feiersinger Modelle von nicht realisierten Salzburger Festspielhäusern und erzählt damit parallel eine Geschichte von Utopien und ihrem Scheitern. Die Spielstätten bilden auch bei dem aus der Schweiz stammenden Lionel Favre den Ausgangspunkt für seine künstlerische Intervention. In die historischen Architekturpläne der Felsenreitschule, des Großen Festspielhauses und des Hauses für Mozart zeichnet er Figuren und Momente der Festspielgeschichte ein und erweckt sie so fantasievoll zu theatralem Leben. Der Installationskünstler John Bock taucht in die Welt des Bühnenklassikers „Jedermann“. Er collagiert Figur, Text, Kostüm, Requisite und Bühnenbild zu einem neuen, aus Versatzstücken bestehenden Werk, das den Jedermann als Phänomen umkreist und dekonstruiert. Von Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“ lässt sich der britisch-nigerianische Künstler Yinka Shonibare inspirieren und versucht sich an einer metaphorischen Neuinterpretation des Vogelfängers Papageno. Bei Shonibare sind alle Vögel frei, sie sitzen außerhalb der geöffneten Käfige und laden ein, sich Gedanken zu machen über Themen wie Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch über das Verhältnis von europäischer Kultur und Kolonialismus. Mit der von der Bühne donnernden Sprachgewalt setzt sich die österreichische Künstlerin Eva Schlegel auseinander, die in ihrer Installation u.a. Texte und Zitate von Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek und Peter Handke in Szene setzt.
„Träumen in schwierigen Zeiten“ ist die Ausstellung betitelt, mit der Salzburgs Museum der Moderne zur Festspielzeit auf dem Mönchsberg aufwartet. Hier bietet sich die Gelegenheit, mit Wilhelm Thöny (1888-1949) einen der wichtigsten Vertreter der österreichischen Moderne neu zu entdecken. Thöny war ein künstlerischer Einzelgänger, der sich keiner der großen Strömungen seiner Zeit verpflichtet fühlte, aber sich in seinen Arbeiten als pointierter Kommentator des unmittelbaren Zeitgeschehens erweist. Nach dem Kunststudium in München, lebte er einige Jahre in der Schweiz, dann in Graz, bevor er in den 1930er Jahren aus persönlichen und politischen Gründen zunächst nach Paris, später nach New York übersiedelte. Die fragile Atmosphäre der Zwischenkriegsjahre bestimmt sein Werk, das zwischen Idylle und Abgrund, Heiterkeit und Albtraum changiert. Eindrucksvoll manifestiert sich das in den Briefen und Zeichnungen des sogenannten „Scrap Book“ aus den 1930er-Jahren, in dem sich humorvolle Alltagsbeobachtungen mit Reflexionen über die zunehmend beunruhigende politische Lage mischen. „Scrap Book“ und das unveröffentlichte, um 1920 entstandene „Buch der Träume“ werden erstmals vollständig in Salzburg gezeigt. Das Museum kann für diese Ausstellung aus dem Vollen schöpfen, verfügt es doch mit mehr als 300 Arbeiten von Thöny über eines der größten Werkkonvolute. Ergänzt wird die Ausstellung durch Leihgaben der Galerie Welz, ein schönes Beispiel dafür, wie in Salzburg die Kunstinstitutionen kooperieren. Welz selbst stellt in den Festspielmonaten mit Max Weiler (1910-2001) einen Künstler vor, dessen Ziel es war, das Naturgeschehen unmittelbar in Malerei zu transformieren. Gezeigt werden seine vom Informel geprägten Gemälde und Papierarbeiten der Bildserie „Wie eine Landschaft“ aus den Jahren 1961 bis 1966. Groß war überhaupt das Aufatmen bei den Galerien, dass die Festspiele in diesem Jahr nicht ausfallen und Salzburg im Sommer zur Geisterstadt wird. Denn sie alle profitieren von dem Glamour des Bühnenereignisses, das Sammler, Künstlerfreunde und Mäzene in die Stadt führt. Die größte und international renommierteste Galerie ist die von Thaddeus Ropac. Der hatte sich einst als Assistent bei Joseph Beuys beworben, um Künstler zu werden. Doch dieser riet ihm ab und ermöglichte so eine der erfolgreichsten Kunsthändlerkarrieren der Gegenwart. Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Elaine Sturtevant, Roberto Longo, Elizabeth Peyton … die Liste der von Ropac vermittelten Kunststars nimmt damit noch lange kein Ende.
Aktuell werden in der wunderschönen Villa Kast, von deren Balkon man in den Garten von Schloss Mirabell hinunterblickt, unter dem Titel „So Long, Daddy“ neue Arbeiten von Daniel Richter gezeigt.
Noch länger in der Stadt verwurzelt als die Galerie Ropac ist die 1972 gegründete Galerie von Mario Mauroner. Die Adresse ist seither die gleiche geblieben: Residenzplatz 1, im Volksmund auch fürsterzbischöfliche Residenz, wo die Mauroners im Innenhof einen eindrucksvollen Gewölberaum bespielen. 1990 kam dann noch ein Galeriehaus im Neo-Bauhaus-Stil am Ufer der Salzach hinzu, dem ein Skulpturengarten angeschlossen ist. An beiden Orten entfacht Mario Mauroner unter dem Motto „Light After Darkness“ sein bewährtes Festspielfeuerwerk mit Positionen vieler interessanter Künstler, von denen einige auch an ausgewählten Tagen vor Ort sein werden. Relativ neu in Salzburg vertreten ist die Galerie Ebensperger Rhomberg, die mit in einer Industriehalle in diesem Sommer einen neuen, zusätzlichen Ausstellungsort etabliert hat. Zur Eröffnung kuratierte Séamus Kealy, der Direktor des Salzburger Kunstvereins, eine Ausstellung mit Werken von 21 Salzburger Künstlern, die zeigt, dass hier nicht nur die Distribution sondern auch die Produktion beheimatet ist. Wer sich einen Überblick über die vielfältigen Kunstaktivitäten in der Stadt machen möchte, findet in dem jüngst von der Stadt online gestellten Verzeichnis www.kunst-in-salzburg.at einen guten Wegweiser.
Salzburgs Pracht entfaltet sich nicht nur in der Architektur, den Festspielen, Museen und Galerien, auch die Juwelierkunst trägt zum Glanz der Stadt bei. Im Schatz-Durchhaus zwischen Getreidegasse und Universitätsplatz, trifft man etwa auf Ulf Englichs Vitrinen, die seit dreißig Jahren für sinnliche Extravaganz stehen. Heute, acht Jahre nach Englichs Tod, wird das Geschäft von seinem Partner Franz Wagner weiter betrieben. Wagners Kreationen sind voller Witz, formal abwechslungsreich, kontrapunktisch komponiert. Neben unfehlbarem Sinn für Eleganz und einer Sensibilität für die Alchemie der Farben besitzt der passionierte Gärtner ein feines Gefühl für Proportionen. Seine Umarbeitungen und Entwürfe kombinieren organische mit kristallinen Formen, opake mit glänzenden Oberflächen, mischen sorglos Edelsteine mit Halbedelsteinen, wenn das Farbenspiel es erfordert. In Wagners Geschäft herrscht lebendiges Treiben. Immer wieder öffnet sich die Tür, und eine neue Stammkundin kommt herein, erkundigt sich nach der Umarbeitung eines Schmuckstücks, probiert ein Ohrjuwel an und plaudert ein wenig. „Salzburg“, sagt Franz Wagner, „hat für mich eine unglaubliche Energie!“ Und die ist in diesen Zeiten nötiger denn je.