Kunsthandel

Der Fund meines Lebens

Ein Bild des Denkers – Markus Brandis entdeckte ein Porträt Arthur Schopenhauers aus der Frühzeit der Fotografie

Von Julia Knecht
20.05.2016

Herr Dr. Brandis, was war Ihre bislang überraschendste Entdeckung?

Oh, da fallen mir gleich mehrere spektakuläre Fälle ein. Als Antiquar ist einem die Neugier, das Detektivspielen ja gewissermaßen „angeboren“. Ich erinnere mich beispielsweise an ein älteres Pärchen, das in einer Truhe ein Notizbuch Schopenhauers fand. Ganz aufgeregt zeigten sie mir das wert- lose Geschreibsel. Wie sie denn auf den Philosophen kämen, wollte ich wissen. Na, da sei noch so eine Plakette dabei gewesen. Zeigen Sie mal…

Was macht den Fund so wertvoll?

Das Notizbuch hatte mit Schopenhauer gar nichts zu tun, aber die „Plaket- te“ war der näheren Untersuchung wert. Jetzt war ich ganz aufgeregt, er- kannte ich doch, dass es sich um eine originale Daguerreotypie handelte mit dem Porträt des großen Denkers als altem Mann.

Welchen historischen Wert besitzt das Stück?

Genau das galt es herauszufinden. In meinem Hinterkopf spukte schon die Vermutung, es könnte sich um ein bis dato unbekanntes Bildnis handeln. Das prüfte ich dann nach, es war tatsächlich nicht publiziert und damit eine kleine Sensation: als Unikat, als Bildnis des Philosophen, als Zeitdoku- ment und auch als frühe Fotografie aus der Entstehungszeit dieser damals ganz neuen Technik – ich fand eine Datierung auf den 17.8.1852.

Welchen materiellen Wert besitzt das Stück?

Eigentlich sollte das angebliche Notizbuch 500 D-Mark wert sein, wünschte das Pärchen. Ich riet aber, die Daguerreotypie in der Auktion mit 1500 D-Mark anzubieten. Sie wurde dann auf 17.000 D-Mark gesteigert.

Wie wird man überhaupt zur Spürnase?

Das kann man leider nicht an der Uni lernen. Es sind vier Faktoren, die zu- sammenkommen müssen. 1. Leidenschaft für das alte Objekt, für seine Aura, seine Patina. Dies ist das erste Gefühl, dem nachzugehen sich meistens lohnt. 2. Kenntnisse der Geschichte. Nur wenn man ein Objekt zeitlich ein- ordnet, kann man sich vor Fälschungen schützen. 3. Erfahrung im Umgang mit antiquarischen Dingen. Als Auktionator bin ich täglich von Hunderten von Objekten umgeben, darf über Leinwände streichen, das Papier durch- leuchten, kann an den Lederbänden riechen und das alte Pergament an der Maserung und an seinem Klang erkennen. 4. Spontaneität und Mut zum Risiko. Meist muss man ganz schnell entscheiden, ob das Weiterforschen oder gar die Erwerbung lohnt und sich vielleicht einmal auszahlt.

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